Alfonso weiss alles, blickt alles, kennt alles. Alfonso ist der Mann, der mir mein Mallorca schmackhaft macht. Jeden Tag aufs Neue. Er betreibt die Bar nebenan. Seine Stammkunden kennt er beim Namen. Und weil er meinen Vornamen nicht aussprechen kann, nennt er mich einfach beim Nachnamen, ohne herr und aber. Hart, aber herzlich.
Müsste ich Alfonso beschreiben, würde mir Roberto Benigni einfallen, der italienische Komiker, oder Woody Allan. Oder mein Sachbearbeiter vom Finanzamt, wenn er mal einen guten Tag hat. Alfonso ist nicht besonders klein und nicht besonders groß. Er ist nicht besonders schlank, aber keineswegs dick. Sein Haar ist nicht kurz und nicht lang, etwas licht, pechschwarz. Den Bart, den er trägt, sieht man oft bei Menschen, die für die Stadtwerke arbeiten. Technikerbart. Seine Brille? Naja, Brille eben.

Kati und Alfonso
Das Herausragende an Alfonso sind nicht die Äußerlichkeiten. Die sind austauschbar. Es ist die Art, wie er sich bewegt (flink), wie er spricht (schnell), lacht (laut) und erzählt (viel). Das Herausragende an Alfonso ist Alfonso, das Gesamtkunstwerk.
Er erzählt von seiner Kindheit in einem mallorquinischen Dorf an der Küste, wo sein Vater im Hotel arbeitete und er ihm half, damit der alles schaffte, was man von ihm verlangte. Er erzählt von der Schule, die für ihn so gut wie nicht stattgefunden hat, weil er ja immer dem Papa beim Helfen helfen musste. Und wie er trotzdem, sehr spät im Leben, Lesen und Schreiben gelernt hat. Und er erzählt oft und gerne von seiner Frau Pepita, die er liebt wie am ersten Tag.
Ein Mann mit Herz und Herzensbldung
Alfonso ist ein Mensch mit Herzensbildung. Und mit Herz. Als er hört, dass das Restaurant schließt, in das er mit Pepita bei besonderen Anlässen oft zum Essen ging und dass Kati, die Köchin, jetzt arbeitslos wird, holt er Kati in seine Bar und lässt sie kochen. Seither serviert Alfonsos „Bar Born“ Mittagessen für 5 Euro, liebevoll zubereitet von Kati. Es gibt viel Eintopf mit Gemüse und Lamm- oder Schweinefleischbällchen. Nachtisch gibt es immer und manchmal auch Paella. Das dauert, aber das Warten wird belohnt. Ich habe selten bessere Paella gegessen als die von Kati.
Alfonso, der Pressesprecher
Wenn der Himmel blau ist, was in Mallorca öfter passiert, freut sich Alfonso, schickt dem Herrgott einen Gruß nach oben und könnte in diesem Moment jederzeit als Pressesprecher der Tourismusbehörde von Palma durchgehen. Er verkauft sein Land, seine Stadt, seine Insel perfekt. Und natürlich seine Bar. Fragt man ihn, was Kati heute zu Mittag kocht, rattert er nicht etwa die Speisekarte runter, nein. Er zelebriert seine eigene Peepshow, indem er den Hungrigen diskret zur Küchentür begleitet und Kati bittet, kurz den Deckel des Kochtopfs anzuheben. Spätestens in diesem Moment ist klar: Lunch wird heute in der Bar gegessen.
Notfalls kauft er bei der Konkurrenz
Alfonso merkt sich, was wer mag und was nicht. Die nonverbale Küchenkommunikation zwischen uns funktioniert seit Jahren perfekt. Hat er keine Ensaimada mehr in der Vitrine, weil dem Herrn Gast mal nach ausschlafen zumute war, diskutiert er nicht lange, was er stattdessen servieren könnte. Wortlos wirft er das weiße Servierhandtuch über die linke Schulter, sprintet mit kleinen Schritten ins Nachbarcafé und serviert Minuten später eine köstliche Ensaimada. So, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, der Konkurrenz eigens für seinen verspäteten Gast ein Stück Schmalzgebäck abzuluchsen.
Alles, nur keine Weinbergschnecken
Er warnt mich vor, wenn Katis Ragout Weinbergschnecken oder Leber enthält und weiss ebenso genau, dass ich keine „Festtags-Ensaimada“ esse. Das ist das süße Schmalzgebäck mit Wurstbelag – eine Delikatesse bei Mallorquinern, mit der er uns ausgerechnet zum Geburtstag überraschen wollte.
Fragt man Alfonso nach einem Copyshop zum Scannen, kennt er Name, Adresse und Telefonnummer auswendig. Fragt man ihn nach den besten Oliven, kennt er den Ort: bei sich. Hat in der Ferienwohnung eine seltene Glühbirne schlapp gemacht und der Teilzeit-Residente weiss sich keinen Rat, greift Alfonso zum Hörer, schickt den Tourist in den Eisenwarenhandel, wo der Verkäufer schon mit der Glühbirne in der Hand wartet.
Alfonso passt auf. Auch im Bus.
Und steigt der Fahrgast an der Haltestelle vor Alfonsos Bar just in dem Moment in die Nummer 15, da der Patron draußen die Tische abräumt, ruft er dem Busfahrer nach, er solle heute besonders vorsichtig fahren, sein Freund, der Gast, sei an Bord.
Ohne Alfonso wäre mein Mallorca ärmer.
klingt nach Familie, klingt gut! grüße t
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