Die Wunderkerzen vom Camino

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Ankunft in Santiago: Kerzen nicht nur für die Mama.

Weil zwischen den Feiertagen auch in Kanada nicht gerade der Bär tanzt, gibt’s heute mal etwas leichtere Blogkost. Es geht um Kerzen und um eine spanische Friseuse namens Olga. Und natürlich geht es irgendwo, wenn Spanien im Spiel ist, auch um den Camino.

Der Reihe nach:

Am 15. Tag unserer Wanderung von Pamplona nach Santiago de Compostela, also nach geschätzten 320 Kilometern, wucherte mein Bart so garstig-borstig, dass er einfach nur noch lästig war.

In einem Dorf namens Fromista legten wir eine Pause ein. Unmittelbar neben einem Café ohne Namen gab es zwar einen Damenfriseursalon mit Bräunungsstudio namens „Olga“, aber weit und breit keinen Barbier.

Bartschneiden bei der Damenfriseuse? Olga sagte, sie mache das. Setzte den

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Olga und der Pilger: Der Bart muss weg!

Elektrorasierer gekonnt auf 2.5, was etwas mehr als Dreitagebart-Niveau bedeutet, und stutzte den Rest mit Schere und Klinge. Perfekt!

Bei der Frage nach der Bezahlung verstummte die sonst so redselige Olga. „Nichts“, meinte sie. Aber wir mögen doch bitte nach der Ankunft in Santiago zwei Kerzen für ihre verstorbene Mama anzünden.

Gut einen Monat später trafen wir in Santiago de Compostela ein, dem Ziel unserer Pilgerwanderung. Schon wenige Stunden nach der Ankunft führte uns der Weg in eine Kirche. Dort zündeten wir gleich mehrere Kerzen an.

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Dorffriseuse mit Herz: Olgas Salon in Fromista.

Zwei davon waren für Olga, eine für den an Krebs erkrankten Mann einer Bekannten aus Mallorca. Eine andere Kerze war für die krebskranke Schwester einer befreundeten Frau aus Ulm. Ein paar weitere Kerzen galten Menschen, die uns lieb sind oder zu Lebzeiten waren: In Ummendorf und Bonn, in Köln und Rissegg, in Winnipeg, Leutkirch, Montréal, Hudson und anderswo.

Olga sollte wissen, dass ich ihren Kerzenwunsch erfüllt hatte. Aber wie? In der Eile hatte der Pilger vergessen, sie nach ihren Kontaktdaten zu fragen. Keine Email-Adresse, keine Homepage. Nada.

Hier kommt Elgard ins Spiel, eine weitere Bekannte aus Mallorca. Elgard recherchierte in meinem Auftrag auf Teufelkommraus und siehe da: Sie erreichte Olga. Erst telefonisch, dann per Mail.

Erst viele Wochen nach dem Besuch bei der Friseuse, konnte ich Olga den Link zum Blogpost zuschicken, den ich damals über sie geschrieben hatte.

Olga meldete sich postwendend. Sie sei überwältigt, schrieb sie mir. Dass wir den Kerzenwunsch für die verstorbene Mama tatsächlich erfüllt hatten, hätte sie nicht für möglich gehalten.

Seither bin ich über Whatsapp in Kontakt mit Olga. Wir tauschen uns übers Wetter in Kanada und Spanien aus, schicken mal Fotos vom Indian Summer in Quebec oder bekommen Fotos von Familienfesten in Fromista. Und natürlich meldete sich Olga auch wieder zu Weihnachten.

Auch die anderen angezündeten Kerzen von Santiago blieben nicht ohne Folgen:

Dem an Krebs erkrankten Mann der Bekannten aus Mallorca geht es den Umständen entsprechend gut. Das Kerzenfoto von der Pilgerkapelle in Santiago sei jetzt ihr Bildschirmschoner, schrieb sie mir.

Die Schwester der krebskranken Freundin aus Ulm konnte ihre Chemotherapie erfolgreich beenden. Die gute Nachricht traf am 1. Weihnachtsfeiertag ein: „Sie hat die harten Therapien mit eiserner Willenskraft durchgestanden. Sie ist jetzt tumorfrei und wir hoffen, dass es so bleibt. Danke für die Kerze!“

Alle anderen, denen wir – gefragt oder ungefragt – Kerzen gewidmet haben, scheinen auch wohlauf zu sein.

Nein, kein Wunder von Santiago de Compostela. Aber eine hübsche Geschichte mit Wohlfühlfaktor. Genau richtig für die Zeit zwischen den Jahren, wo auch in Kanada nicht gerade der Bär tanzt.

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13 Gedanken zu „Die Wunderkerzen vom Camino

  1. Für mich eine Jahresgeschichte. Und in unsicheren Zeiten ein Licht.
    Nichts konnte mehr passieren nach diesem Bild.

    Liebe Grüße,
    Prensal und Herr Prensal

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  2. Vielleicht kein Wunder, aber eine wunderbare Geschichte, wie sie nur auf einem Camino geschehen kann. Hat mir ein Tränchen ins Auge gedrückt. Grüße aus dem Schwarzwald, SonjaM

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  3. Coincidentally, I just watched a program recorded on a local TV station a week or so ago: „Walking the Camino: Six Ways to Santiago.“ I would have enjoyed your post anyway, but the coincidence made it special.

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