Vom Glück, am Meer zu leben

WETTER? WELCHES WETTER? Hauptsache der Rest stimmt.

Reisen bildet, sagt man. Reisen zeigen einem aber auch auf, wie unterschiedlich sich Menschen anderen Menschen gegenüber verhalten. Selten habe ich in meinem Leben freundlichere Menschen getroffen als hier in Nova Scotia, an der kanadischen Atlantikküste.

Wenn dir wildfremde Menschen durchs Autofenster ein „Good Morning, how are you?“ zurufen und sich echt die Zeit nehmen, auf deine Antwort zu warten, dann ist das keine Übertreibung sondern die Wahrheit. Und es ist mir hier mehr als einmal passiert.

Der Kellner im Frühstücks-Diner sagt so oft „No problem at all“, dass man auf die Idee kommen könnte, der freundliche Kerl habe ein Problem mit Wiederholungen.

Überhaupt das Servicepersonal: Die meist jungen Frauen und Männer, die uns hier bedienen, mögen zwar den letzten Feinschliff nicht auf einer höheren Hotelfachschule erhalten haben. Aber ihre entwaffnende Herzlichkeit den Gästen gegenüber ist mir persönlich lieber als der steife Rücken mit angelegtem Arm, den gut ausgebildete KellnerInnen in sogenannten besseren Restaurants oft demonstrieren und dabei das Lächeln vergessen.

Die Freundlichkeit der Menschen hier beschränkt sich nicht auf die Gastronomie. Sie begegnet einem auch am Strand, wo dir Menschen, die du vorher nie gesehen hast und vermutlich auch nie mehr sehen wirst, das herzlichste „Hi, how are you?“ zurufen, das du je gehört hast.

Oder im Liquor Store, wo die sehr beschäftigte Frau beim Einräumen der Flaschen einen Blick auf dich wirft und dir vermutlich den einzigen französischen Satz zulächelt, den sie kennt: „Après vous, Monnssiörr!“

Fast vergessen: Straßenverkehr. Wenn du noch einen Meter vom Zebrastreifen entfernt bist und das bevorstehende Überqueren der Fahrbahn noch nicht einmal im Ansatz signalisiert hast und es bremst ein Fahrzeug schon mal vorsichtshalber ab, weil es ja schließlich sein könnte, dass du als Fußgänger dein Recht in Anspruch nehmen könntest, unbeschadet über die Straße gehen zu wollen, dann weißt du, dass du in Nova Scotia gelandet bist.

Noch eine Beobachtung: Menschen verlieben sich hier schneller als irgendwo anders, scheint mir.

Anja, zum Beispiel, eine quirrlige Frankfurterin, die hier vor Jahren mit Mann und Kindern Urlaub gemacht, sich in Land und Leute verliebt und sich hinterher spontan zur Auswanderung nach Nova Scotia entschlossen hatte. Heute betreibt sie unweit vom Strand den charmanten „Rose Bay General Store“ mit einem kleinen Bistro, in dem es laut Lore die besten Lobster-Rolls gibt, die sie je gegessen hat. In Frankfurt machte Anja übrgens in Marketing, ihr Mann in Rechtswissenschaften.

Oder Ama, eine chillige Berlinerin, der ich im dichten Nebel am Strand auf der Halbinsel LaHave begegne. Vor zwölf Jahren war sie auf dem Weg von Europa zu den Filmfestspielen in Toronto. Während eines Zwischenstopps in Halifax wanderte sie einen der wunderschönen Strände entlang – und verliebte sich in ihn.

Kurz darauf kam sie nach Nova Scotia zurück, kaufte für kleines Geld ein renovierungsbedürftiges Haus am Meer, brachte es auf Vordermann und lebt seither das Leben einer freien Autorin, die das Glück gepachtet zu haben scheint.

Und wir so? Ganz sind wir noch nicht soweit, dass wir unsere Koffer packen und ans Meer ziehen. Aber es ist eine verlockende Vorstellung. Und wer weiss, ach-nö-jetzt-im-Ernst-ja-nein-geht-ja-doch-nicht, da ist ja noch immer die Stadt meines Herzens. Die heißt Montreal und ist schließlich nur 14 Autostunden von Halifax entfernt.

Ein Klacks für kanadische Verhältnisse. Und weil Glück bekanntlich keine Grenzen kennt, lassen wir am besten alles, wie es ist.

Zumindest fürs Erste.

Peggy’s Cove

5 Gedanken zu „Vom Glück, am Meer zu leben

  1. Hallo Herbert, ich hoffe das es euch gut geht. Ja es hat schon was am Meer zu wohnen.Ich fühle mich auch Sauwohl auf meiner Insel Fanø.Wünsche Dir u. Fam. alles Gute und bleib gesund LG Harm

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  2. Love the picture of the house in the fog. It must be tricky to get there in winter. What a wonderful trip you are having!

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  3. Da „oben“ am Meer zu leben koennte ich mir auch vorstellen, Hier an der texanischen Golfkueste aber weniger. Bevor wir hier nach Fredericksburg umgezogen sind, habe wir uns auch an der Golfkueste nach Haeusern ungesehen, sind dnn aber von dem Gedanken abgekommen, wegen der andauernden Schwuele und der Hurrikangefahr.
    Danke fuer diesen netten Bericht.

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