Dann eben nicht Las Vegas

Es hätte die erste Flugreise nach mehr als zwei Jahren werden sollen: Las Vegas im Frühling unter Palmen, mit Ausflügen an den Grand Canyon und durch die Wüste – hach! Das hörte sich alles so schön an. Übermorgen hätte es losgehen sollen. Eben haben wir die komplette Reise abgeblasen. Es fühlte sich einfach nicht mehr richtig an. In Zeiten wie diesen geht man nicht auf Glittertour.

Las Vegas, das weiss ich aus früheren Besuchen, ist eine Stadt, die sich vor nichts versteckt, sich für nichts zu schade ist. Auch nicht für den abgedrehtesten Kitsch, den sich die Welt antun kann. Ein ganzes Hotel als Venedig im Mini-Format? Eiffelturm in der Wüste? Gib’s mir, Vegas!

Gerade deshalb ist der Gedanke daran, sich in so einer zeigefreudigen Stadt hinter Masken verstecken zu müssen, geradezu abstrus. Und egal wie Amerika über Covid denkt, ohne Maske läuft bei uns, zumindest in geschlossenen Räumen, nach wie vor gar nichts.

Und dann ist da der Krieg in der Ukraine. Den Trip nach Las Vegas hatten wir schon gebucht, als wir noch nichts von Putins blutigen Schlachtplänen wussten. Der ständige Gedanke an Menschen, die ohne Nahrung, Wasser und Strom in Bunkern ausharren müssen, hätte den Aufenthalt in einem Luxushotel mit Gala-Dinner geradezu absurd erscheinen lassen.

Die Entscheidung, uns von Las Vegas zu verabschieden, noch ehe wir auch nur einen Fuß auf den berühmten Strip gesetzt haben, ist uns nicht leicht gefallen. Aber sie fühlt sich in Zeiten wie diesen richtig an.

So eine Reise zu stornieren, ist nicht ganz einfach und dazuhin teuer: Flüge ohne Storno-Option, Hotel noch ungeklärt, bereits abgeschlossene Reise-Krankenversicherung, teure, aber vorgeschriebene Covid-Tests vor dem Hin- und Rückflug – einiges muss noch abgeklärt werden. Aber unsere Entscheidung steht fest: Wir bleiben daheim.

Eines der geplanten Highlights unserer Reise werde ich jedoch bitter vermissen: Ein Wiedersehen mit einer Schulfreundin aus Ummendorf. Sie lebt seit einigen Jahren in Las Vegas. Es wäre die erste Begegnung seit mehr als einem halben Jahrhundert gewesen.

Bekanntlich kann man in Las Vegas nicht nur viel verlieren, sondern auch viel gewinnen. Zum Beispiel Zeit. Diese Zeit gönnen wir uns. Deshalb ist aufgeschoben nicht aufgehoben. 

So leicht läuft uns Las Vegas nicht davon. Und die Schulfreundin aus Ummendorf gleich gar nicht.

7 Gedanken zu „Dann eben nicht Las Vegas

  1. Moin Herbert, ich kann euch gut verstehen. Ich habe meine Reise nach Mallorca im April auch abgesagt.Meine Stimmung ist gerade im Keller. Erst Corona dann auch noch Krieg .Hoffentlich ist bald wieder Frieden und das Virus lässt uns bald in ruhe. Liebe Grüsse aus Dänemark

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  2. Oh, ich kann die Entscheidung sehr gut nachvollziehen. Nichts bringt zur Zeit richtig Spaß, alles ist wie in einen dichten, schweren Nebel gehüllt. Und man bewegt sich bei solchen Entscheidungen auf einem ganz schmalen Grad zwischen Lebensfreude und schlechtem Gewissen. Ich habe mir letzte Woche dennoch Tickets für das Rolling Stones Konzert in Stockholm im Juli gekauft. Meine Kinder haben vor ein paar Wochen Covid nach Hause geschleppt und ich hatte dank dreifach Impfung nur ein leichtes Kratzen im Hals, sodass sich diese Sorge ertsmal persönlich für mich erledigt hat. Aber jetzt fallen nur 1200 km Luftlinie von Stockholm Bomben und Menschen erleben Traumen, die für mich kaum vorstellbar sind. Und ich denke an die Kinder, immer wieder die Kinder. Meine große Hoffnung ist, dass die Welt im Juli wieder etwas heller aussieht. Bis dahin werde ich mein bestes geben, hier vor Ort den Flüchtlingen zu helfen. Und vielleicht helfen dann Mick, Keith und Co mir, wieder neue Lebensfreude und Energie zu tanken, sodass ich diesen ganzen Wahnsinn in der Welt aushalten kann! Aber wie gesagt, es ist ein ganz schmaler Grad…

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  3. Respekt vor dieser Entscheidung! Ich war zwar trotzdem ein paar Tage ab der See in Holland, mit den Gedanken aber trotzdem irgendwie immer in der Ukraine.
    Von daher kann ich es durchaus verstehen, wenn ihr einen Trip in so eine (durchaus reizvolle) Stadt nicht mit euch vereinbaren könnt.

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  4. Genau, ich habe auch auf mein Herz und nicht aufs Bankkonto gehorcht, drum bin ich mit direkter Hilfe in diesem Fall gerne bereits etwas kuerzer zu treten.

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  5. Wie du sagst, lieber Beat: Jedem das seine! Am Ende des Tages sollte man auf sein Herz hoeren. Und mein Herz sagte mir: Jetzt nicht, vielleicht spaeter!

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  6. Jedem das seine! Meinerseits wurde von meiner Soul-Mate in Kharkiv angeregt meine Reise nach Maui trotzallem anzutreten, da sie damit moralische Anregung und positive Bilder brauche um im verbombten Kharkiv ueberhaupt ausharren zu koennen. Ohne meine positiven Inputs koenne sie und ihr 19 jaehriger Sohn diesen Wahrsinn nicht durchstehen. Daneben fliesst meinerseits sporadisch Geld um die zwei am Leben zu erhalten. Sie leben in der Red Zone, d.h. keine humanitaere Unterstutzung und reduzierte Zulieferung von Essen und Medikamenten.

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  7. Hochachtung, lieber Herbert zu dieser Entscheidung. Mir geht es häufig so, dass ich mit Unverständnis reagiere, wenn so mancher zu Festen und Reisen aufbricht.
    Nicht, dass ich es den Leuten nicht gönne – aber in dieser Zeit, in der Menschen im Raketenhagel sterben, könnte ich nicht mit einem Flieger um dieses Kriegsgebiet herum zu einem Urlaubsziel fliegen, um dort unbeschwerten Urlaub zu verbringen.
    Man könnte, wie Du es richtig ausgedrückt hast, in diesem Fall auch mal etwas verschieben.
    Es grüßt Dich herzlichst
    Horst

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