Die Beckenbauers von Mexiko

Der Blogger und ein Footballprofi 1976 in Mexiko: Rechts: Der „kanadische Beckenbauer“ Bernie Ruoff. Der Zeitungsartikel erschien nach unserer Rückkehr aus Mexiko. In Acapulco war Bernies nagelneuer VW übrigens später gestohlen worden.

Ich hätte ein Foto machen sollen, damals, als wir auf dem Weg von Manitoba nach Mittelamerika mit dem VW-Käfer über die mexikanische Hochebene durch den Bundesstaat Zacatecas fuhren und in einem winzigen Dorf von einem Jungen mit dem T-Shirt-Aufdruck „BECKENBAUER“ angehalten wurden. Aber Handys und Digicams lagen noch in weiter Ferne. Deshalb soll die Geschichte vom Frühjahr 1976 in Worten erzählt werden.

Ob wir nicht mit ihm und ein paar anderen Jungs aus dem Dorf eine Runde Fußball spielen wollten, fragte der Junge. Klar wollten wir.

Ich war 27 und fit wie ein Turnschuh. Mein Kumpel und Reisebegleiter hatte den goldenen VW-Käfer kurz zuvor von der Canadian Football League (CFL) als Prämie geschenkt bekommen. Bernie Ruoff war Profi und der beste „Punter“, den die CFL bis dahin hatte. Man nannte das MVP. Most Valuable Player. Eine Art kanadischer Beckenbauer.

Wir parkten den Wagen bei einer Wiese außerhalb des Dorfes und staunten nicht schlecht, als uns dort eine komplette Mannschaft mit „Beckenbauer“-Shirts erwartete.

Ein deutscher Durchreisender habe einem der Jungs ein Shirt mit dem Aufdruck „BECKENBAUER“ zurückgelassen, erzählte einer aus der Fußballmannschaft. Natürlich seien jetzt alle im Dorf tierisch neidisch gewesen. Also hätten ihre Eltern für die anderen Dorf-Kids eben auch Beckenbauer-T-Shirts drucken lassen. Siebdruckereien muss es wohl schon damals gegeben haben.

Ob wir wüssten, wer Beckenbauer ist, wollte einer der Jungs wissen. Klar wussten wir es. Bernie war aus Heidenheim gebürtig und als Teenager nach Kanada ausgewandert, wo er Karriere als Profisportler machte. Und selbst ich, der Sportbanause aus Ummendorf, kannte den Kaiser vom Namen her. Schließlich lag die letzte Fußball-WM gerade mal zwei Jahre zurück.

Unsere Spielkameraden waren aus dem Häuschen, als sie von unserer Herkunft erfuhren. Ob wir Beckenbauer denn mal getroffen hätten, wollten sie wissen. Und überhaupt, was denn dieses „Alemania“ so für ein Land sei, wo es doch dort so viele tolle Fußballer gebe. Namen wie Maier, Vogts, Breitner und natürlich Gerd Müller wurden jetzt in die Runde geworfen.

Wir mussten die Jungs enttäuschen. Weder Bernie noch ich hatten je einen aus dem deutschen WM-Kader getroffen.

Allerdings: Näher waren die Dorfkicker aus dem mexikanischen Hochland ihren Idolen aus „Alemania“ vermutlich nie gekommen als an jenem Frühlingstag in den Bergen von Zacatecas.


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2 Gedanken zu „Die Beckenbauers von Mexiko

  1. Mein Vater hatte vor etwas über 50 Jahren eine Begegnung mit Franz Beckenbauer – genauer gesagt mit den Schuhen von ihm. Was hat sich damals zugetragen ?

    Am 10. Oktober 1973 fand in Hannover ein Länder-Freundschaftsspiel zwischen Deutschland und Österreich statt. Einquartiert waren die 18 Spieler der Nationalmannschaft und ihr Trainer Helmut Schön im Esso-Motor-Hotel Hannover.

    Aufgrund eines Küchenbrandes, bei dem auch das Restaurant beschädigt wurde und viele Hotelzimmer durch den Feuerqualm unbrauchbar wurden, befand sich das Hotel zum Zeitpunkt des Länderspiels in der Renovierung. Da mein Vater beim Bau des Hotels Bauleiter war, übernahm er auch hier bei der Schadensbehebung die Bauleitung.

    Nach einem Vorbereitungstraining stellte Franz Beckenbauer seine Schuhe zum Auslüften auf den Balkon. Kurze Zeit später waren sie verschwunden. Der Verdacht eines Diebstahls durch eine auf der Baustelle tätige Person lag nahe, da die Schuhe durch das aufgestellte Baugerüst leicht erreichbar waren. Helmut Schön wandte sich an meinen Vater als zuständigen Chef auf der Baustelle.

    Dieser sprach den Polier der Rohbaufirma an, der bei seinen Mitarbeitern recherchierte und fündig wurde. Daraufhin konnte mein Vater die Schuhe von Franz Beckenbauer an Helmut Schön überreichen. Als Dank trat die komplette Nationalmannschaft an und unterschrieb auf einer Hotelpostkarte. Dieses Unikat habe ich heute (zusammen mit dieser Geschichte) im Flur hängen.

    Aus heutiger Sicht sind diese Geschehnisse von damals undenkbar. Es hat sich viel verändert in den letzten 50 Jahren. Aber fast alle Namen von damals sind mir heute noch präsent.

    Franz Beckenbauer spielte mit seinen Schuhen in der ersten Halbzeit und wurde nach der Pause ausgewechselt. Deutschland gewann das Spiel 4:0 durch Tore von Gerd Müller (29.), Wolfgang Weber (45.), Gerd Müller (50.) und Erwin Kremers (79.)

    Spieler: Franz Beckenbauer, Bernhard Cullmann (46. für Franz Beckenbauer), Heinz Flohe, Jürgen Grabowski, Bernd Hölzenbein (69. für Wolfgang Weber), Ulrich Hoeneß, Horst-Dieter Höttges, Jupp Kapellmann, Wolfgang Kleff, Erwin Kremers, Helmut Kremers (12. für Jupp Kapellmann), Gerd Müller, Wolfgang Overath, Wolfgang Weber

    Ersatzbank: Bernd Franke, Jupp Heynckes, Herbert Wimmer, Klaus Wunder

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