
Es zwickt und zwackt und hört nicht auf. Irgendwann sitzt du morgens um halb fünf in der Notaufnahme und fragst dich, was der Große Regisseur da oben eigentlich noch so alles vorhat mit dir. Nichts Gutes, so viel steht fest.
Es ist eine Diagnose, die keiner braucht. Sie hat mit einer chronisch entzündeten Bauchspeicheldrüse zu tun und damit, dass sich dein Leben von jetzt an grundlegend ändern muss.
Mein Leben, nächster Teil, wird ein Leben des Verzichts sein. Verzicht auf fettige Speisen, auf süße Leckereien, auf scharfe Gewürze. Vor allem aber wird der Rest meines Lebens ohne einen Tropfen Alkohol verlaufen. Alles andere, sagt der Pankreas-Spezialist, könnte zum vorzeitigen Exitus führen.
Das gute Leben hat seinen Tribut gefordert. Meine Freunde und Wegbegleiter wissen es schon längst: Wenn’s noch ein Gläschen mehr sein durfte, war ich immer unter denjenigen, die HIER geschrien haben.
Nicht viel anders, wenn es ums Essen ging. Keine Portion Spätzle, die nicht noch in meinem Schwabenbauch Platz gefunden hätte. Kein Inder, Thailänder, Vietnamese oder Chinese, der vor mir sicher war.
Die Bauchspeicheldrüse gehört zu den fleißigsten Organen des menschlichen Körpers. Sie bereitet die Verdauung vor und regelt den Blutzuckerspiegel. So eine Pankreas leistet jahrzehntelang Schwerarbeit – so lange, bis sie dir irgendwann den Mittelfinger zeigt.
Dieser Zeitpunkt war bei mir am frühen Morgen des 20. Dezember 2023 gekommen. An diesem Tag waren die Schmerzen nicht mehr auszuhalten. Der Weg führte in die Notaufnahme.
Es gibt wenig Erkrankungen, bei denen mit so hoher Wahrscheinlichkeit feststeht, dass sie dem „guten Leben“ geschuldet sind wie bei einer Pankreas-Entzündung. Regelmäßiger Alkoholkonsum und stets volle Teller – das wollte mein fleißiges Drüschen nicht mehr länger mitmachen. Kurz vor Weihnachten war Ende Gelände.
Seither hat sich mein Leben verändert. Statt Bier, Wein, Prosecco und Calvados gibt’s jetzt Teesorten in allen Variationen. Der Knusperteller zu Weihnachten knusperte ohne mich vor sich hin. Statt Schweinebraten mit Spätzle und Sauce gab’s wochenlang Reis, Brei und Reisbrei. Und an Silvester wurde mit Apfel-Cider angestoßen statt mit Schampus.
Sechs Kilo Gewichtsabnahme in fünf Wochen – noch vor kurzem hätte ich alles dafür gegeben. Jetzt würde ich gerne auf einen schlanken Körper verzichten. Hauptsache gesund. Die Einnahme von Enzymen vor jeder Mahlzeit wird mir genau so bleiben wie das Njet zum Alkohol – und zwar ein Leben lang.
Ein Leben mit Verzicht ist die eine Sache. Sich dann aber deinem Richter stellen zu müssen, der sich künftig um dich kümmert, eine andere. In meinem Fall ist der Richter ein gestrenger Pankreas-Chirurg, dessen erste Frage lautet: „Wie sieht’s aus mit Ihrem Alkoholkonsum?“
Jetzt heißt es Hosen runterlassen. „Bitte sagen Sie mir die Wahrheit“, appelliert der Beichtvater im weißen Kittel an den reuigen Sünder im Patienten-Stiuhl. Nur dann könne er eine zuverlässige Diagnose erteilen.
Die Wahrheit ist: Ich war nie Alkoholiker und konnte das letzte halbe Glas Bier schon mal im Blumentopf verschwinden lassen – wohl wissend, dass es dort um Mitternacht besser aufgehoben war als bei mir.
Die Wahrheit ist aber auch, dass ich meinem Körper jahrzehntelang Dinge zugemutet hatte, die er auf Dauer nicht aushielt. Dass dieser Körper mir jetzt, auf den letzten Metern meines wunderbaren Lebens, auf so schmerzhafte Weise zeigt, wo der Hammer hängt, empfinde ich als persönliche Beleidigung.
Wäre ich gläubig, könnte ich mich wenigstens hinter der Opferrolle der göttlichen Gerechtigkeit verstecken. Aber das lassen wir lieber.
Wie so oft in meinem Leben, bin ich auch diesmal wieder von zwei Schutzengeln umgeben, die auf mich aufpassen und mich zur Vernunft ermahnen, wenn die Versuchung mal wieder zu groß wird. Lore und Cassian wissen sehr genau, dass die Bauchspeicheldrüse nichts, aber auch gar nichts verzeiht.
Das nächste Kapitel könnte ganz schnell das letzte sein.
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Just a hug. Keep going.
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Lieber Hebo, lieber Leidensgenosse. Ziemlich genau ein Jahr davor erhielt ich zwar eine andere (nicht unbedingt angenehmere, aber weniger schmerzhafte) Diagnose, die aber so ziemlich dasselbe abverlangt. Und nach einem Jahr absoluter Alkoholabstinenz kann ich Dir sagen, dass sich das Ganze -retrospektiv betrachtet- wesentlich harmloser gezeigt hat, als ursprünglich befürchtet. Wenn ich im Hochsommer mein alkoholfreies Weizenbier trinke, ist das so ziemlich wie vorher. Womit ich noch ein bisschen Probleme habe, sind Süssigkeiten und vor allem meine geliebten Spätzle mit einem leckeren Sößle. Das schreibe ich meinen oberschwäbischen Genen zu, auch wenn meine bessere Hälfte dann immer zu sagen pflegt: „Des goht fei itt“
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Lieber Herberto, ich studiere deine Berichterstattung über die neueste Entwicklung in deiner Gesundheits Akte !
Das muss man auch erst mal „verdauen“ ! -
Ich lese aber auch , Du hast deine Kompassnadel bereits neu justiert ! Ich hoffe, du bist ein gefügiger und einsichtiger Patient !! Damit der große Regisseur da oben , dein Pankreas Chirurg – und deine Engel daheim , dir schnell zu ganz besonders nachhaltigen Erfolgen verhelfen können !
Ich sehe da eine Parallele zu dem britischen Monarchen King Charles ! Der ,unter Aufgabe seiner Privatsphäre, ein öffentliches Interesse anspricht und fördert ! Nachdem er Diagnose und OP Info. mit seinen Untertanen geteilt hat, haben sich bereits ein paar 1000 Männer zur Prostatavorsorge begeben !
Ähnlich positive Auswirkungen könnten ja auch deine bewegenden Ausführungen auf das Genuss- und Konsumverhalten einiger Leser haben – oder ?
Ich schick schon mal etwas extra 🌞Sonnen – Energie mit heilenden Kräften von Deiner Lieblings-Insel ! In der Hoffnung ,dass es noch ganz viele Kapitel in deinem Leben und in diesen Blog geben wird❗️( und natürlich Bücher )
Liebe Grüße an Dich und die Deinen !! Cheerio..🤗🌴
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Lassen Sie sich bitte nicht unterkriegen. Eine meiner Tanten lebt seit vielen Jahren schon mit einer chronischen Bauchspeicheldrüsen-Entzündung, und ist mittlerweile über achtzig Jahre alt.
Sie sind ein Kämpfer, und sehr intelligent. Sie schaffen das, glauben Sie mir.
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Lieber Herbert, das liest sich gar nicht schön! Allerdings sind der Hauptauslöser für eine Pankreatitis Gallensteine: Ein Gallenstein kann die Mündung des gemeinsamen Ausführgangs von Gallenwegen und Bauchspeicheldrüse blockieren.
Alkohol gilt als Ursache Nummer zwei einer akuten Pankreatitis. Wer regelmässig Alkohol in zu grossen Mengen trinkt, riskiert eine Bauchspeicheldrüsenentzündung. Und das tust Du ganz bestimmt nicht!
Quelle: https://www.usz.ch/krankheit/bauchspeicheldruesenentzuendung/
Ich drücke Dir fest die Daumen, dass sich die Entzündung schnell zurückbildet und Du brauchst Dich jetzt sicher nicht nur noch von „Reis, Brei und Reisbrei“ ernähren….. 🥣
Liebe Grüße vom Inselchen
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Ach Du lieber Himmel! Dinge, auf die man gut verzichten kann.
Lieber Herbert,
ich drücke Dir alle verfügbaren Daumen, dass es sich bessert und Du diesen Dauerzustand der Enthaltsamkeit mit Langmut ertragen kannst. Ich hab trotz des harten Tobaks in mich hineingeschmunzelt – die vielen Teesorten, achja, das ist wie bei uns zu Hause.
Du bist ja aber ein grundsätzlich positiver Mensch. Vielleicht gewinnst Du dem Leben trotz deines Schickalsl das eine oder andere Lüstchen ab.
Herzlichst – Simone
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Ich drücke dir die Daumen das alles schnell besser wird.
Walter
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Ach, das ist ja blöd. Ich habe nur 2 Erfahrungen zu bieten: vor 2 Jahren, kurz vor Corona, erwischte es mich nach einer Zahngeschichte und Antibiotika. Mein Internist setzte mich 10! Tage auf 0-Diät, Tee und Fachinger Wasser. In den ersten 4 Tagen brauchte ich noch Schmerzmedis, dann ging es ohne.
Unser Nachbar, der mich aus eigener Erfahrung unterstützte, hatte dies etwas länger durchgemacht, da bei ihm die Auslöser, Gallensteine, erst einen Monat später durch seinen Hausarzt und nicht die Uni-Klinik gefunden wurden. Ich ließ flugs diese Möglichkeit prüfen, mein Hausarzt/Internist grinste und meldete sofort, Diabetes, wohl auch ein beliebter Auslöser, sei es auch nicht, habe er schon getestet.
Nun denn, nach den 10 Tagen war der Spuk gottlob vorbei und hat sich nicht wieder gemeldet.
So wünsche ich Dir nun beste Besserung und vielleicht ein kleines Wunder! Ansonsten: Alkoholfreies Bier, Wein und vor allem Sekt darfst Du sicher trinken. Es gibt da nette Sachen, die ich nicht schlecht finde, da Charlotte Alkohol nicht gut verträgt, unsere Winzer ihr aber gute Alternativen geboten haben.
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Da kann ich jetzt kein „Like“ drücken – aber ich kann dir die Daumen drücken, dass du trotz dieses Verzichtes noch Freude am Leben haben wirst!
LG
Christa
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Lieber Herbert
Ja wirklich, Dir ist nichts erspart. Was kann das Leben denn noch bieten, wenn wir auf das was wir lieben verzichten muessen. Ich drueck Dir alle 4 Daumen, dass sich Dein Rentenalter nicht in Schmerz und Verzicht aufloest. LG Beat
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