UBER-Bilanz nach drei Monaten

Drei Monate ist es her, seitdem ich meine Karriere als Uber-Fahrer begonnen habe. Ich musste an meine ersten Passagiere denken, als ich heute im Baumarkt war. Genau dort hatte ich Rosalie und Marco an einem Samstag im März abgeholt, noch etwas unsicher, ob ich die Beiden wohl an der richtigen Stelle antreffen und am richtigen Ziel abliefern würde. Es hat wunderbar geklappt. Der Rest ist, nein: sind Geschichten.

Wer kann von sich schon behaupten, eine afrikanische Schönheitskönigin, einen Gefängniswärter aus dem Yukon, einen Leichensucher aus Texas, einen Richter und eine Stripperin aus der „Wanda Bar“ auf dem Rücksitz seines Autos gehabt zu haben?

Nicht zu vergessen die 89jährige Dame, die ihren 91 Jahre alten Mann jeden Tag im Krankenhaus besucht. Ob sie jedesmal ein Uber nehme, wollte ich (75) von ihr wissen. Sie: „Ja, da lernt man immer so nette junge Leute wie Sie kennen“.

Gut 700 Fahrten habe ich in den ersten drei Monaten zurückgelegt, macht zusammen um die 1000 Passagiere und – leider – auch einige tausend Kilometer auf dem Tacho unseres verwöhnten Familienautos.

Auch wenn das Uber-Taxi in den letzten Tagen öfter in der Garage stand als am Anfang, macht mir der Job noch immer viel Spaß. Dass ich weniger gefahren bin als sonst, hat hauptsächlich mit dem verrückten Verkehrsaufkommen zu tun, das in der Formel-Eins-Woche in Montreal herrschte. Es gibt Schöneres als nur im Stau zu stehen. Zum Beispiel das gute, alte Fahrrad aus dem Keller zu holen und ein paar Runden zu drehen.

Neulich durfte ich sogar Lehrer spielen. Ein frischgebackener Uber-Fahrer, den ich für einen Trip ins Krankenhaus gebucht hatte, blickte absolut nichts. Also wirklich nichts. Dieser liebenswerte Kerl verstand weder die App, auf der die Fahrten eingehen, die er annehmen oder ablehnen kann (er nahm alle an, was zur Folge hatte, dass er manchen Fahrgast stehen lassen musste), noch wusste er von dem Destination Filter, der jedem Uber-Fahrer zusteht.

Diese App-Einstellung ermöglicht es uns, zweimal am Tag nur Fahrten anzunehmen, die nur in eine Richtung führen – zum Beispiel nach Hause. Damit können Zickzack-Fahrten quer durch die halbe Stadt eliminiert werden.

Der junge Afrikaner, der mich fröhlich singend durch die Montrealer Innenstadt chauffierte, war dankbar für jeden Tipp, den ich ihm geben konnte. Nur eines hat er in seinem Enthusiasmus, Neues zu lernen, noch immer nicht kapiert:

Während ich ihm nach der Ankunft ein paar Tricks verriet, nahm er weiterhin jeden Trip an, der ihm auf die App gespielt wurde. Beim Abschied bedankte er sich mit großer Geste beim lieben Gott, dass sich jemand die Zeit genommen hat, ihn in die Geheimnise des Uber-Fahrens einzuweihen.

Der Spaßfaktor beim Ubern ist nach wie vor hoch. Der Verdienst? Eher so mittel. Da ich wegen meines eingeschränkten Sehvermögens keine Nachtfahrten annehme und mir dadurch die lukrative Party-Klientel abhanden kommt, sammeln sich natürlich keine gigantischen Summen an.

Der versprochene Brillie für Lore muss also weiter warten. (Ironie aus).

Die alte Dame und der Uber-Fahrer: „Da lernt man immer so nette junge Leute wie Sie kennen“

2 Gedanken zu „UBER-Bilanz nach drei Monaten

  1. Herbert , extra thanks for teaching the African colleague “the ropes”. I hope you find a way to teach him the rest, bis auch er „den Durchblick“ hat. Other than that, please keep those stories coming. More people than you might imagine are looking forward to them.
    Cheerio. R🌴

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  2. Das ist doch toll, dass es dir (immer noch) Spaß macht. Und da du ja ein Händchen für interessante Passagiere zu haben scheinst, wird es nie langweilig. So soll es sein – und weiter so. Freut uns für dich!

    Liebe Grüße aus dem Schwabenländle

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