
Wer den Luxus hat, auf ein gelebtes Leben zurückblicken zu können, verfügt nicht nur über eine Menge Erfahrung, sondern – wie in meinem Fall – auch über ein paar Freunde, die ihn ein Leben lang begleiten.
Einer dieser Freunde ist Uli Reinhardt, ein Pressefotograf von internationalem Ruf. Mit ihm und seiner Frau Ingrid Eißele, einer renommierten „Stern“-Reporterin, verbindet mich seit fast einem halben Jahrhundert eine wunderbare Freundschaft.
Das Glück, solche Freunde zu haben, wurde mir wieder klar, als ich eben – eher zufällig, denn Uli geht nicht mit seinen Erfolgen hausieren – auf einen Artikel in der „Stuttgarter Zeitung“ gestoßen bin. Darin ist von Uli und der schicksalhaften Begegnung mit seinem Freund, dem damaligen „Stern“-Reporter Gabriel Grüner, die Rede.
Grüner, der Fotoreporter Volker Krämer und der Übersetzer Senol Alit wurden vor 25 Jahren auf dem Dulje-Pass im Kosovo von einem russischen Söldner kaltblütig erschossen. Zuvor war es dort zum Streit zwischen serbischen Soldaten und dem Übersetzer gekommen. Plötzlich griff ein russischer Söldner – ein fanatischer Albaner-Hasser, wie sich später herausstellen wird – zu seiner Kalaschnikow und feuerte auf den Wagen.
Volker Krämer und Senol Alit starben auf der Stelle, Gabriel Grüner erst mehrere Stunden später in einem britischen Feldlazaarett. Uli und seine Frau Ingrid, die einem zweiten „Stern“-Reporter-Team angehörten, waren in dem Moment des Attentats wie durch ein Wunder nicht zur Stelle.
Uli Reinhardt hat den Dreien zur Erinnerung des gewaltsamen Todes ein Denkmal errichtet, das er seither jedes Jahr besucht. Davon ist in dem Artikel in der „Stuttgarter Zeitung“ die Rede, den Sie am Ende dieses Blogposts als PDF-Datei finden.
Vielleicht nicht ganz unpassend zu dieser Geschichte: Ich bin vor ein paar Tagen kurz über die amerikanische Grenze (10 Minuten von hier) gefahren, um in einem Elektromarkt ein Kabel zu kaufen. Auf dem Parkplatz kam ein Mann, gut gekleidet, etwa 60, auf mich zu und hatte ein paar Fragen zu meinem Auto, einem kleinen Mercedes B-Klasse.
Er hasse deutsche Autos und er verachte „die Deutschen“, sagte er in einem harten, schwer verständlichen Englisch. Er sei Serbe und wünschte sich, dass kein Deutscher je einen Fuß auf den Boden seines Landes gesetzt hätte. „You cannot trust the Germans!“, schimpfte er noch, ehe ich entnervt die Fensterscheibe hochfuhr, denn irgendwann war gut mit den Beleidigungen.
Ein Unbelehrbarer also und das Gegenteil von dem, was Uli Reinhardt und Gabriel Grüner praktizierten und immer noch praktizieren: Völkerverständigung und Versöhnung.
Die Konversation mit diesem Mann hat mich verwirrt, die Lektüre des Artikels in der Stuttgarter Zeitung wieder versöhnt. Lesen lohnt sich.
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