
Es gibt viele Träume, die ich mir in meinem Leben erfüllen konnte. Einer wird immer nur das bleiben: ein Traum. Ich werde niemals Trommler im Biberacher Schützenumzug sein. Dabei hätte ich als Kind alles stehen und liegen lassen, um einmal, nur ein einziges Mal, am Umzug des Biberacher Schützenfests mitlaufen zu dürfen.
Von meinem Glück trennten mich nur fünf Kilometer. Ich war aus Ummendorf und nicht aus Biberach. Ein Schützentrommler musste Biberacher sein. Der Ummendorfer war Zaungast, dem Biberacher gehörte die Welt. Und sei es nur für zwei Stunden im Jahr, wenn der historische Umzug mal wieder durch die Straßen der Altstadt zog.
Eben habe ich den Livestream vom „Schitza-Omzug“ im Internet gesehen. Es war mir ein Fest.
Aus der Ferne verklären sich manche Erinnerungen und das Alter trägt auch seinen Teil dazu bei. Ob es wirklich so viel Spaß gemacht hätte, schon wochenlang vor dem Umzug unter dem Zepter eines gestrengen Tambourmajors zu den Trommlerproben zu gehen, um dann in der Juli-Hitze in voller Montur kilometerweit im Gleichschritt durch die Gassen der Altstadt zu marschieren? Ich werde es nie erfahren.
Was ich weiß ist, dass ich die Buben – und damals waren es halt mal nur Jungs und keine Mädchen – tierisch darum beneidete, dass sie am größten Festtag des Jahres, am Schützendienstag, mittrommeln, mitlaufen und sich von Tausenden von Zuschauern bejubeln lassen durften, während ich sie vom Straßenrand aus beklatschen musste.
Die Blechtrommel, die mir Vater dann irgendwann auf dem Jahrmarkt am „Gigelberg“ gekauft hatte, weil ich wohl keine Ruhe ließ, war gut gemeint. Aber sie war nicht mehr als ein trauriger Abklatsch dessen, was der richtige Schützentrommler um den Hals hängen hat: Keine billige Blechtrommel, sondern ein straff gegerbtes Fell, das den schönsten Ton hervorbringt, den ich mir als Kind vorstellen konnte: den satten Klang der Biberacher Schützenmusik.
Vater kannte meine Sehnsüchte. Zum Trost gab es in seinem Malerbetrieb jede Menge Farb-Eimer, die als Trommeln herhalten mussten, wenigstens das.
So bildeten wir, eine Handvoll Ummendorfer Buben aus der Nachbarschaft, unsere eigene Schützenkapelle, mit selbstgebastelten Instrumenten. Was für ein unsagbar trauriges Bild das gewesen sein muss!
Die Trommeln waren, weil damals nichts etwas kosten durfte, aus Blech und nicht aus Fell. Dabei hätte mir auch eine Blechtrommel genügt, um am Original teilnehmen zu dürfen, am Biberacher Schützenumzug.
Der Zaungast in mir wird wohl immer mein großes Schützen-Trauma bleiben. Wie an diesem Dienstagmorgen, da ich die Schützentrommler vom fernen Kanada aus auf dem Bildschirm bewundere.
„A scheene Schütza“ allerseits!
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Lieber Herr Bopp, was für ein liebenswerter Kommentar. Auch ich als Mittelbiberacher durfte nie ei den kleinen Schützentrommlern dabei sein-aber auch mangels „Trommel Talent“. Aber ich würde zu gerne voller Stolz die Mütze auch jetzt tragen und zeigen wie sehr ich mich dem Schützenfest verbunden zeigen würde. Aber man kann eben nicht alles haben und so kriege ich halt weiterhin eine Gänsehaut beim zusehen wenn die Trommler voller Stolz an mir vorbeilaufen und ihr Können zeigen. Viele Grüße nach Kanada aus Biberach. W. Zell
P.S. auch in der SZ-ein wirklich liebevoller Bericht von Frau Bosch zu ihrem ersten Jahrgänger Umzug-der entschädigt für alles was man evtl. verpasst hat. In 3 Jahren darf ich wieder mitlaufen und freu mi9ch jetzt schon unbändig
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Schöne Erinnerungen. Danke!
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Wie toll, lieber Uli. Wenn ich an Schütze denke, denke ich immer auch an dich. Ich kenne deine Vorgeschichte und die deines Vaters. Trotz allem: beneidenswert!
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Lieber Hebo, wieder ein wunderbarer Beitrag. Für einen gebürtigen Biberacher fast schon anrührend. Und ich kann mitfühlen. Obwohl in der Stadt gebürtig, durfte auch ich nie Schützentrommler werden. Allerdings aus einem ganz anderen Grund: Mein Vater war der Regisseur vom Schützentheater. Da war die Rolle des Filius vorgezeichnet. Dafür konnte ich dem Präsidenten der Schützendirektion am 90. Geburtstag meines Vaters einen kleinen Konter setzen. Dieser beklagte sich nämlich, dass er nie eine Sprechrolle im Schützentheater bekam und stattdessen Schützentrommler wurde: „Um im Schützentheater reden zu dürfen, musste ich erst Vorsitzender der Direktion werden.“ Da konnte ich ihm entgegen, dass ich die ganze Zeit Schützentrommler werden wollte und stattdessen Sprechrollen im Schützentheater spielen musste. Trotzdem möchte ich die Zeit im Theater nicht missen. Zumal es noch das alte Biedermeier-Theater war, welches dem Bauboom der 70-er Jahre -leider- weichen musste.
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Ich hatte das Glueck, in Krefeld-Linn aufgewachsen zu sein und da immer am Schutzenfest [das dauerte 3 Tage, mit Festumzug und „Erstuermung“ der Burg] teilnehmen zu koennen.
Und apropos Trommeln: zu meiner Studentenzeit habe auf unserem Verbindungshaus ich immer mal wieder probiert, einen Trommelwirbel zu schaffen – solange, bis es meinen Mitbewohnern zu sehr auf die Nerven ging. 😉
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