
Auf Amerika sind wir hier in Kanada zurzeit nicht sonderlich gut zu sprechen. Trumps Strafzölle auf kanadische Importe, seine ausländerfeindliche Politik, das Streben nach Kanada als 51. US-Bundesstaat – all das macht uns den Präsidentendarsteller aus Mar-a-Lago nicht sympathisch. Aber Trump ist nicht Amerika. Denn es gibt sie noch immer, die guten Amis.
Nehmen wir Bill und Sara aus Ann Arbor, Michigan. Sie frühstückten am Wochenende im Familienrestaurant Toast in Windsor, Ontario, einer Industriestadt an der kanadisch-amerikanischen Grenze. Als die beiden das Lokal verließen, bezahlten sie nicht nur ihre eigene Rechnung, sondern auch die des gesamten Restaurants – inklusive Trinkgeld knapp 2000 Dollar.
Sie selbst waren längst gegangen, als die Besitzerin des Restaurants den verblüfften Gästen verkündete, dass sie heute kostenlos gefrühstückt hätten. Ein Paar aus den USA hatte die Rechnung übernommen.
Warum taten sie das? Im Gespräch mit der Besitzerin des Lokals bedauerten sie Trumps Politik und die Zwietracht, die er zwischen den Nachbarstaaten zu säen versuche. „Wir sind und bleiben eure Freunde“, hätten Bill und Sara gesagt, ehe sie das Lokal verließen.
Eine befreundete Nachbarin kam gerade aus ihrem Winterurlaub zurück, den sie seit Jahren in Texas verbringt. Dort hat sie Freunde, dort stimmt das Klima um diese Jahreszeit.
Immer wieder sei es passiert, dass Amerikaner auf sie zugekommen seien und sich für Trump und dessen Politik entschuldigt hätten, erzählt die Nachbarin. Ob sie allerdings auch künftig noch ihren Urlaub in den USA verbringen wird, ist im Moment fraglich.
Kunden, die im Supermarkt mit der Lupe oder neuerdings mit der Handy-App nach dem Herkunftsland der Produkte suchen, gehören inzwischen zum Alltag. Erst gestern bat mich eine alte Dame mit einer offensichtlichen Sehschwäche, ihr das Etikett ihrer Lieblingsschokolade vorzulesen. Als ich ihr sagte, der Schokoriegel sei Made in USA, wurde sie nachdenklich.
Sie werde die Schokolade nicht kaufen, meinte sie. Nicht, weil sie etwas gegen „die Amerikaner“ habe, sondern lediglich, um ein Signal an Trump zu senden. Immerhin habe ihn ja nur jeder zweite Amerikaner gewählt.
Stimmt. Und überhaupt: Kanadische Schokolade ist ja auch ganz lecker.
Entdecke mehr von BLOGHAUSGESCHICHTEN
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.
„DIE“ Amerikaner gibt es eben nicht – genauso wenig wie „DIE“ Deutschen. Ich wehre mich immer gegen letzteren Begriff, wenn mir der in einer Frage begegnet.
Natuerlich sind bei Weitem nicht alle Amerikaner mit Trumps Politik einverstanden, aber leider machen die anderen das groesste Geschrei und haben auch den groessten Einfluss.
Hoffentlich geht das ganze gut aus.
Liebe Gruesse aus Frederickburg, wo leider knapp 80% Trump gewaehlt haben.
LikeGefällt 2 Personen
Von diesen Geschichten/Erzählungen braucht es mehr. Sie helfen, das Bild von DEN Amerikanern aufzulösen und den Blick zu weiten. Das gefällt mir sehr. Und wie so oft, gibt es nicht nur die veröffentlichte Wirklichkeit, sondern viele andere Wirklichkeiten, zu denen auch die Menschen in deiner Geschichte gehören.
LikeGefällt 1 Person
Den Bericht über die beiden Amerikaner und die für das ganze Lokal bezahlte Rechnung habe ich auch gehört. Was für eine schöne und wohltuende Geste!
Und die guten Amerikaner – es gibt bestimmt viele, schade nur, dass die „Anderen“ das Sagen haben.
LikeGefällt 3 Personen