
Spatzen sind nicht blöd. Bei der Wohnungssuche entwickeln sie sich zu echten Immobilienprofis: Lage, Lage, Lage. Am liebsten geschützt. Dachrinnen, Mauerlöcher, unter Ziegeln. Oder – wie in unserem Fall – hinter der Wärmepumpe, die bei uns gleichzeitig als Klimaanlage dient.
Was tun bei der ersten Hitzewelle des Jahres? Gefühlte 33 Grad sind es heute, die Luftfeuchtigkeit bei schätzungsweile zehntausend Prozent. Mir läuft der Schweiß übers Gesicht, während ich diesen Text tippe. Dabei wäre alles so einfach: Klimaanlage an, kalte Luft rein, Sommer kann kommen.
Dummerweise liegt das frisch gebaute Spatzennest direkt hinter besagter Wärme-Kälte-Wunderpumpe auf dem Balkon. Ein Schalterklick – und das Spatzennest wäre geschreddert, zumindest aber wäre es vorbei mit der Schonzeit für die brütende Spatzenmama.
Aber was tun? Ein Spatzenweibchen legt meist 4 bis 6 Eier. Die Brut dauert etwa zwei Wochen. Danach bleiben die Küken nochmal zwei Wochen im Nest, bis sie flügge sind. Vom ersten Strohhalm bis zum Abflug vergehen also locker bis zu 40 Tage. Das bringt uns schnurstracks in den Juli – den Monat, in dem Kanada so richtig den Backofen anschmeißt.
„Wir schaffen uns für die Wohnung einen zusätzlichen Ventilator an“, sagt die Frau an meiner Seite. Lores Herz, muss man wissen, schlägt bei Vogelgezwitscher Purzelbäume. Spatzen liebt sie besonders. Sie kämpfen sich Jahr für Jahr durch den kanadischen Winter, bei dem das Thermometer auch mal auf minus 40 Grad abtaucht. Echte Überlebenskünster seien das, sagt Lore.
Und jetzt sollen wir ihnen den Nestbau versauen, nur weil es uns ein bisschen warm ist? Wobei: „ein bisschen“ ist relativ. 33 Grad sind kein Witz für zwei nicht mehr ganz taufrische Körper.
Während ich das hier schreibe, sitzt die Spatzenmama wieder frech auf dem Balkongeländer. Mal mit Grashalm im Schnabel, mal mit Stroh, dann mit Federn, Papier, Haaren, Schnüren… Ein fliegender Second-Hand-Shop.
So viel Mühe verdient Dankbarkeit. Ich glaube, ich schwitze lieber noch ein paar Tage. Oder Wochen. Oder Monate.


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Dorothee: Ich verstehe noch nicht ganz: ist das Spatzennest schon belegt oder noch im Bau? Die Schilderung des Halmes im Schnabel spricht für Bau.
Wenn das Nest noch nicht mit Eiern belegt ist, schnellst möglich entfernen (lassen) und sofort mit einer Abdeckung versehen. Besonders Alufolie eignet sich wg. ihrer Reflektion besonders gut. Wir hatten in meiner Kinderzeit Alubänder am Kamin und in den Kirschbäumen. Vögel sind dank Katzen, Eichelhäher und anderen normalen Einflüssen gewohnt, ein 2. oder 3. Nest zu bauen.
Wenn schon belegt, dann Tierschutz einschalten und Vögel samt Nest entfernen lassen. Grüße an Lore: wir sollen Tiere schützen, Menschen lieben wie uns selbst und nichts und niemanden mehr als uns selbst. Ihr seid beide nicht in der körperlichen Verfassung für 40 Tage Schwitzkasten. Die einzige verstandesmäßig genehmigte Alternative: 40 Tage auf die Farm ziehen und so der Verantwortung für das gegenseitige Wohlergehen und Überleben entgehen. Ich finde, niedliche Herbert und Lore sind mir lieber als niedliche Spatzen.
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Was tut man nicht alles für die gefiederten Freunde!
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Sehr schlaue Antworten. Danke!
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MIttlerweile bin ich ein großer Fan von ChatGPT geworden und habe sie(?) gleich mal gefragt, was in deinem Fall zu tun wäre. Sie ist völlig d’accord mit eurer Einstellung und Vorgehensweise. Und schreibt am Ende unter Punkt 5 und 6:
5. Was du tun kannst
6. Notfall: Klimaanlage muss unbedingt laufen
Wenn aus gesundheitlichen oder technischen Gründen die Klimaanlage dringend gebraucht wird, kontaktiere bitte eine Naturschutzbehörde, Wildvogelstation oder einen Ornithologen vor Ort. Diese können ggf. eine genehmigte Umsiedlung vornehmen – das ist aber ein Ausnahmefall.
Ich habe ihr nicht gesagt unter welchen qualvollen Bedingungen ihr eure Entscheidung aufrecht erhaltet. Aber nun wisst ihr ja, wenn das mit den Ventialtoren nicht hilft, fragt eure Naturschutzbehörde, die Wildvogelstation oder einen Ornithologen!
Ich wünsche euch gute Entscheidungen.
Liebe Grüße aus einem kühlen Bremen,
Achim
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Spatzen sind so liebenswerte und clevere kleine Gesellen, die verdienen es, dass man sich um sie kümmert. ;-) Leider sind sie aus der Münchner Innenstadt schon seit Jahren fast völlig verschwunden, nur in den großen Biergärten sind sie noch zu finden. Ich kann Lore gut verstehen, mir geht auch immer bei Vogelgesang das Herz auf. ;-)
Herzliche Grüße!
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Danke, du Lieber! Deine coolen Gedanken sind angekommen.
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Hallihallo,so viel Tierliebe muss natürlich entsprechend unterstützt werden❗️..und ganz besondere Dank an Lore für die Spatzen/Fuersprache❗️
Da auch ein Kontingent Berliner Spatzen bei euch unterwegs ist, habe ich umgehend Maßnahmen treffen lassen, die die Situation maßgeblich unterstützen werden❗️
Ab Montag werden die Temperaturen bis auf 12° runtergefahren und die nächsten zehn Tage danach sehr gemäßigt verlaufen. Euer körperliches Wohlbefinden sollte damit gut überbrückt werden❗️
Es grüßt euch ganz herzlich, ein Spatzenfreund aus der Ferne❗️R🌴
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