Der Brunnen, der dich findet

„Cours Charlevoix“ in St. Henri: Plätschern wie in Palma.
Plaça de la Reina“ in Palma: Zischen wie in Montreal.

Manche Dinge muss man nicht suchen. Sie finden dich. Der Brunnen an der Plaça de la Reina in Palma de Mallorca zum Beispiel. Fünf Winter lang war er unser vertrauter Begleiter vor der Ferienwohnung.

Er sprudelte uns in den Schlaf und weckte uns zischend am Morgen. Er übertönte Buslärm, Touristengekreische und Autohupen. Dieser Brunnen im Kreisverkehr wurde zu unserem Schalldämpfer, Wasserspender, Freund.

Auch hier in Montreal können wir uns glücklich schätzen, so einen Freund zu haben. Er st ziemlich genau so groß wie unser spanischer Freund, trägt aber keinen klangvollen Namen wie „Font de la Plaça de la Reina“ und ist nicht mit 1400 bunten Kacheln geschmückt, die nachts angestrahlt werden. Er heißt einfach „The Fountain“ oder auch „La Fontaine“.

Unser Springbrunnen liegt auch nicht in einem Kreisverkehr, sondern mitten in der kleinen Grünanlage, die zu unserer Wohnanlage „Cours Charlevoix“ gehört und tut, was so ein Brunnen eben tut. Auch er zischt uns in den Schlaf und schickt morgens eine Fontäne in den Montrealer Himmel, um freundlich nicht HOLA zu sagen, sondern HELLO oder BONJOUR. 

Wenn es heiß ist, benetzt er die Luft in seinem Dunstkreis und sorgt so für eine willkommene Abkühlung. Wenn es dunkel wird, leuchtet seine Fontäne hellweiß in den Nachthimmel. Hin und wieder bespritzen sich Kinder und lachen dabei laut und fröhlich.

Wenn sich Blätter und Stadtschmutz im Wasser sammeln, wird er von fleißigen Händen gereinigt. Manchmal baden Spatzen darin, gelegentlich verirrt sich sogar eine Möwe vom nahen Sankt-Lorenz-Strom.

Und wenn man ganz still ist, kann man hören, wie er einem leise zuflüstert: Es muss nicht immer Palma sein. Montreal ist auch schön. Hier bist du zu Hause.

„Cours Charlevoix“ bei Nacht: Ein bisschen Palma – ohne Touristen.
Plaça de la Reina bei Nacht: Plätschern bis der Morgen kommt. Fotos Bopp

Kunterbunt ins Wochenende

Neues aus dem digitalen Gemischtwarenladen: Ein Rundgang durch den Garten – mit Nestbau, blühenden Blumen und bedrohlichen Wolken. Ein Besuch bei Freunden in Sherbrooke, mit Tapas und tollen Gesprächen. Stillleben mit eBike und Landmaschine. Selbst Fahrradpolizisten machen bei der Bullenhitze Pause. Und zum Schluss noch eine Reiseempfehlung für unsere ehemals geliebten USA.

Das Wunder vom Highway 417

Jubel bei der Polizei: Dreijährige nach 72 Stunden gefunden. © Screenshot Gazette

Drei Tage und Nächte war sie wie vom Erdboden verschluckt – jetzt ist eine Dreijährige von einer Drohne entdeckt worden. Das Kind spazierte über ein Feld am vielbefahrenen Highway 417 entlang, in der Nähe des Dorfs St. Albert in der Provinz Ontario, gut eine Autostunde von ihrem Wohnort LaSalle bei Montreal.

Wo war die Kleine die ganze Zeit? Welche Rolle spielt ihre Mutter? Warum wurde der Hund, der in Begleitung des Mädchens war, schon bald nach dem Verschwinden des Kindes tot am Straßenrand aufgefunden? Was passiert jetzt mit der Kleinen? Fragen, die in den kommenden Tagen nicht nur die Polizei beschäftigen werden.

Fest steht: Die Mutter sitzt in Untersuchungshaft, der Vater hatte sich an der Suche beteiligt. Und in ganz Kanada wird da Auffinden des Kindes am Highway 417 gefeiert. Der Premierminister von Quebec sprach im Parlament von einem „Wunder“.

Die Kleine und ihre Mutter waren zuletzt in einem Dorf nahe ihres Wohnorts gesehen worden. In einem Laden für Feuerwerkszubehör hatten sich die beiden umgesehen – dann verlieren sich ihre Spuren.

Als schließlich bekannt wurde, dass die Mutter (34) im Internet nach Urnen für Kleinkinder und Bestattungsunternehmen gesucht hatte, griff die Polizei ein. Die Frau wurde festgenommen und sitzt seither in U-Haft.

Die groß angelegte Suchaktion lief währenddessen weiter: zu Fuß, mit Quads, auf Pferden, mit Hubschraubern und Drohnen wurde nach dem Kleinkind gesucht. Der getrennt lebende Vater half mit.

Gestern gegen 15 Uhr dann die erlösende Nachricht: Eine Drohne hatte die Dreiährige entdeckt. Den Suchtrupps war die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Polizisten umarmten sich – es flossen Tränen, berichten die Medien.

Das Wunder vom Highway 417 war vollbracht.

Anmerkung: Auf Wunsch der Familie soll der Name des Kindes nicht mehr genannt werden. Auch auf Fotos der Kleinen soll von jetzt an verzichtet werden. Um die Privatsphäre des Kindes zu schützen, halten wir uns an diese Abmachung. Namen und Foto des Kindes wurden aus dem ursprünglichen Beitrag entfernt.

Frühmorgens am Alten Hafen

Wer ausgeschlafen (oder verrückt) genug ist, sich morgens um sechs in Montréal aus dem Bett zu schälen und mit dem Fahrrad zum Hafen zu fahren, wird reichlich belohnt. Er wird Zeuge einer Stadt am Wasser, die sich für den Tag herausputzt.

Ungeduldig und wichtig brummen die Motoren der Fähren, die Berufstätige aus den Vororten über den Sankt-Lorenz-Strom zur Arbeit bringen. Sie kommen im Kostüm oder Anzug, mit Runners oder High Heels – mit Aktenköfferchen am Handgelenk oder feinen Täschchen am Arm.

Manche schlendern mit ihren Fahrrädern über die Gangway und schieben sie die Rampe hoch. Frühsport mit Sinn und Zweck. Die Passagiere der Shuttle-Fähren erreichen für den Preis einer Busfahrkarte das Stadtzentrum – ganz ohne Auto, Ampel, Stau oder Stress.

Jetzt rollen in der diesigen Morgensonne die Trucks an, die Restaurants, Cafés, Yachten und Hafenarbeiter mit Getränken versorgen. Der Schnapswagen der SAQ hält als Erster vor dem Cirque du Soleil, der seit Wochen mit seiner neuen Show triumphiert. „Luzia“ heißt sie. Man ist begeistert. In den Pausen trifft sich die Häppchenfraktion zu Wein und Champagner – der staatliche Alkoholvertreiber liefert zuverlässig Nachschub.

Ein paar Schiffs­längen weiter westlich werden die Ausflugskähne auf Hochglanz poliert. Bald werden die Touristen aus den umliegenden Hotels in die Altstadt strömen. Sie werden Hafenrundfahrten unternehmen, die Jacques-Cartier-Brücke von unten bestaunen oder kleine Touren in die umliegenden Dörfer machen.

Aus dem schwimmenden Spa dampft es. Es dampft dort immer. Im Winter mehr als im Sommer. Frauen in Leggings und Männer in Under-Armour-Klamotten schreiten federnden Schrittes über die Rampe. Gleich gibt’s Anwendungen, Reiki, Hot Yoga, Ganzkörpermassagen und Smoothies. Montréaler mögen Fitness.

Unter der Brücke versammeln sich, wie jeden Tag, junge Menschen mit und ohne Tattoos zum Gewichtheben, Stretching und Sparringboxen am Sack.

Nebenan warten Hunderte von BIXI-Leihfahrrädern in Reih und Glied auf Kundschaft. Wetten? Die blauen werden zuerst weg sein – das sind die E-Bikes.

Für den Mann ohne festen Wohnsitz ist es noch zu früh zum Betteln. Er belässt es bei der Frage, was denn so ein Handy kostet, mit dem der Blogger seine Fotos macht – und kann sicher sein, dass der Besitzer sich nicht lumpen lässt. „Und du, wohin des Wegs“, will ich wissen? „Frühstück an der Tafel“. Bon appétit!

Bei den Foodtrucks riecht es nach abgestandenem Fett. Möwen machen sich über Churros vom Vortag her, achtlos weggeworfen. Smoked Meat gibt es erst zur Mittagszeit – wer will schon gepökeltes Fleisch zum Frühstück?

Es ist sieben Uhr. Zeit für den Blogger, den Heimweg anzutreten. Noch eine Runde schlafen – das wär’s.

Warum nicht? Jetzt ist die Stadt ja wach.

Paris s’éveille – Jacques Dutronc

Montreal in Partylaune

Der Formel-1-Zirkus ist in der Stadt – und es wird gefeiert. Mit Streetart und Fingerfood, mit Rennautos zum Anfassen und Maschinen, die durch Handauflegen Träume kreieren. Vor allem aber mit Menschen, die wissen, wie man Party macht. Promi-Gucken gibt’s vor dem „Ritz-Carlton“ – dort wohnen die meisten F1-Piloten. Zwischendurch noch eine Fahrradtour im Regen. Ein paar Eindrücke gibt es hier: