Der Herr der tausend Blumen

Paul Mérineau: Ein Leben für die Blumen.

Irgendwo zwischen St-Bernard-de-Lacolle und dem Dorf Hemmingford – dort, wo sich möglicherweise wirklich Fuchs und Hase gute Nacht sagen – versteckt sich in einer Waldlichtung ein schlichtes weißes Holzhaus. Davor breitet sich eine Blumenwiese aus, so prall und leuchtend, dass sie manchen Autofahrer kurz innehalten lässt. Oder, wie in meinem Fall, den eBiker.

Lore und Cassian kannten ihn schon von einer früheren Begegnung. Heute habe auch ich den Mann kennengelernt, der diese Wiese seit vielen Jahren hegt und pflegt und Menschen dazu bringt, kurz aus ihrem Alltag auszusteigen.

Der Hüter der tausend Blumen heißt Paul Mérineau. Er ist 75 Jahre alt, trägt einen langen weißen Bart, graues Haar und ein kariertes Hemd. Er hat eine sanfte Stimme, hinter seiner runden Brille liegen freundliche, wache Augen.

Man könnte sich Paul auch in einer Hütte in den Bergen vorstellen, wie er am Kamin sitzt, Geschichten erzählt oder seinem Enkelkind das Schnitzen beibringt. Aber er steht da, wo er am liebsten steht: Vor seiner Blumenwiese neben seinem weissen Holzhaus.

Der Blogger und der Blumenfreund: Paul Mérineau.

Geschichten erzählt Paul tatsächlich – aber am liebsten spricht er über seine Blumen. Sie sind sein Schatz, sein Werk, seine Freude.

Ich kam heute zufällig an seinem Haus vorbei, hielt an, um mir die Blumenpracht aus der Nähe anzusehen. Und wie das so ist, wenn sich zwei Menschen sympathisch sind, kamen wir ins Plappern.

Paul ist Frankokanadier und gelernter Landwirt, hat aber einen Großteil seines Berufslebens als Direktor eines Bestattungsinstituts in Montréal verbracht – übrigens nur rund 200 Meter von unserer Stadtwohnung entfernt.

Es gibt noch mehr Parallelen: Pauls erste Frau stammt aus Hudson, jenem Ort, in dem auch wir 25 Jahre gelebt haben. Seine heutige Partnerin kommt aus der Bronx in New York City – ihretwegen ist Paul von Montreal aufs Land gezogen. Die US-Grenze verläuft nur ein paar Kilometer südlich seines Hauses. Für sie fühle sich das hier fast wie Heimat an, sagt Paul.

Eine Zeitlang lebte Paul auf dem Mohawk-Territorium Kanesatake, das 1990 durch den sogenannten Oka-Konflikt internationale Aufmerksamkeit bekam. Damals protestierten Mitglieder der Mohawk-Community gegen die Erweiterung eines Golfplatzes auf ihrem angestammten Land. Paul, selbst kein Ureinwohner, fand sich plötzlich mitten in den Verhandlungen zwischen der Polizei, den Mohawk und schließlich dem kanadischen Militär wieder.

So tragisch dieses Ereignis war, wir streiften das Thema an diesem herrlichen Sommertag nur am Rand. Stattdessen sprachen wir über Kanada, Amerika, Trump, Familie, Kinder, Ahnenforschung – und, natürlich, über Autos.

Doch vor allem ging es heute um Blumen. Schöner könnte eine erste Begegnung kaum sein.

Die obigen Fotos stammen von heute.
Die unteren drei Fotos zeigen Pauls Wiese im Juni. Die Fotos stammen von seiner Facebook-Seite.

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5 Gedanken zu „Der Herr der tausend Blumen

  1. At least in the photo, 75-year-old man has few creases on his forehead, suggesting that living among flowers is a way to deflect the cares of the world.

    A large undeveloped lot on the way from my home and the gym I visit is filled with white wildflowers bordered by blue ones. Clearly, they have been planted either by the owner or the local government. It doesn’t matter why. I’m just so glad to see them.

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  2. ..also Herbert , was für eine schöne Begegnung und deine so gelungene Aufbereitung in der Geschichte🌈

    ..es ist 7:00 Uhr und ich begrüße den Tag auf deiner Lieblingsinsel und mach mich auf den Weg zum Meer.

    .. in Ermangellung von Blumen ,werde ich der kleinen Fichte am schrägen Steilhang der Kalksteinüste ,wie jeden Tag, etwas Wasser bringen❗️Cheerio..R🌴

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