Das Buch zum Song ist da!

Dass „MEIN LEBEN ALS ZITRONENBAUM“ ein wunderbares Buch ist, hatte ich ja bereits in einem früheren Blogpost erwähnt. Dass Peter Freudenthaler, der Lead-Sänger und Schöpfer des Welthits „Lemon Tree“, auch ein fabelhafter Mensch ist, hatte ich diversen Telefonaten entnommen, die wir seit vorigem Sommer geführt haben.

Den Buchtext hatte ich per PDF bereits vor Wochen gelesen. Heute lag nun endlich – mit massiver Verspätung wegen des kanadischen Poststreiks – auch das Buch im Postfach. Fast zwei Monate war es von Pforzheim, wo Peter lebt, bis Montreal unterwegs gewesen. Umso größer war die Freude, es in den Händen zu halten.

Und dann die Widmung:

„Lieber Herbert, so schnell kann es gehen, dass man Bestandteil einer Biografie wird. Vielen Dank für die wundervolle Geschichte, die du beigesteuert hast. Beste Grüße aus der Heimat – Peter“

Die „wundervolle Geschichte“, von der Peter Freudenthaler schreibt, war die:

Ich war Mitte der 90er-Jahre mit dem GHAN-Train von Adelaide durchs australische Outback Richtung Alice Springs unterwegs. 24 Stunden durch die Wüste. Ursprünglich hatte ich wegen der langen Strecke ein First-Class-Ticket gebucht, aber dort war die Stimmung eher überschaubar. Also bin ich in den Speisewagen der dritten Klasse gewechselt – der tatsächlich ‚Waltzing Matilda‘ hieß. Was ich dort gesehen habe, werde ich nie vergessen: Ein Aborigine saß auf dem Boden und spielte ‚Lemon Tree‘ auf dem Didgeridoo, neben ihm ein Kerl mit dem Bongo. Um sie herum tanzten, klatschten und sangen Menschen aus aller Welt – Backpacker, Goldgräber, Abenteurer, Geschäftsleute und auch ein kanadischer Journalist mit deutschen Wurzeln.

Teil einer Biografie zu sein, ist eine tolle Sache. Mit meiner Erinnerung an das erste Mal, dass ich „Lemon Tree“ gehört habe, in den Memoiren des Lead-Sängers von Fools Garden erwähnt zu werden, macht mich stolz.

Und hier noch einmal der Hit, der um die Welt ging:

Lenny, Justin, ein Bäcker und ich

WIE IM TRAUM: So sieht das KI-Tool „Gemini“ meine Begegnung der vergangenen Nacht.

Träume sind doof, heisst es. Man sollte ihnen keine weitere Bedeutung zuschreiben, meinen die meisten. Mag sein. Dass ich hier ausnahmsweise doch mal einen Traum teile, hat damit zu tun, dass mir in der vergangenen Nacht vieles, was Glück bedeutet, in einem einzigen Traum passiert ist.

Mein Traum spielt in einem kleinen mallorquinischen Dorf und – ich schwöre – hat sich genau so zugetragen, wie ich ihn jetzt aus meiner noch taufrischen Erinnerung heraus erzähle.

Ich stehe vor einer Bäckerei. Ein paar Passanten erkennen mich von früheren Besuchen und bitten mich, ein Lied zur Gitarre zu spielen. Wo um Teufels Namen soll ich jetzt eine Gitarre hernehmen? Ganz einfach, sagt der Regisseur im Traum, du fragst den Bäcker.

Der freundliche Bäckersmann kommt aus seiner Backstube, überreicht mir die mit Mehl bestäubte Wandergitarre und meint, da ich ja aus Kanada komme, solle ich doch bitte “Hallelujah” von Leonard Cohen singen.

Verflixt: Der Text dieses Songs, den ich im richtigen Leben rauf und runter spiele, fällt mir partout nicht mehr ein. “Kein Problem”, sagt der Bäcker. Es gebe im Rathaus ein Liederbuch mit allen Songs der Welt. Toll, sage ich, dann hol mal. (Oder so ähnlich).

Der Bäcker, der sich mir mit “Humus” vorgestellt hatte, geht in die Dorf-Bibliothek und kommt mit einem riesigen Schinken von Buch zurück. Doof nur: Die Songs hören bei “G” auf. Für alle nachfolgenden Anfangsbuchstaben braucht man einen Schlüssel. Der ist aber nicht aufzutreiben.

Da kommt ein gebückter, alter Mann des Weges und fragt, wo das Problem liege. “Lenny”, sage ich, “du kommst wie gerufen! Wie geht nochmal der Text zu deinem ‘Hallelujah’?”

Leonard Cohen stellt sich zu Bäcker Humus und mir und beginnt mit uns zu singen. Mitten im Song bricht der alte Mann ab. “Wir brauchen mehr Publikum”, sagt Leonard Cohen, “sonst singe ich nicht mit.” (Oder so ähnlich).

Träume sind toll. In diesem Moment kommt ein groß gewachsener, gut aussehender, dunkelhaariger Typ daher, den ich sofort als Justin Trudeau wiedererkenne. “Hier kommt euer Publikum”, sagt der frühere kanadische Premierminister. “Auf geht’s.” (Oder so ähnlich).

Da stehen wir nun: der Bäcker Humus, Leonard Cohen, Justin Trudeau und ich. Und singen zusammen “Hallelujah” in einem Dorf in den mallorquinischen Bergen.

Mehr Glück geht nicht.

Fahrerlos durch den Tag

Wenn Rentner reisen, gibt es was zu erzählen. Neulich erst der Trip nach Winnipeg, heute nun die Fahrt mit der nagelneuen S-Bahn: Von der Montrealer Underground City aus ging’s zuerst in den Norden, nach Deux Montagnes, und dann in den Süden, nach Brossard.

Gerne hätte ich von einer Reise berichtet, bei der wir atemlos durch die Nacht gefahren sind und dabei das Leben in vollen Zügen genossen haben. Aber das Gegenteil war der Fall: Die Reise fand am helllichten Tag statt und von vollen Zügen konnte keine Rede sein.

Lore und ich sind heute die neue S-Bahn-Strecke abgefahren, die am vergangenen Wochenende eröffnet wurde.

Wir starten also im brandneuen S-Bahnhof „McGill“ in der Stadt unter der Stadt: der Underground City. Zuerst geht es in den nördlichen Teil Montreals, zur Endstation Deux Montagnes. Von dort quer durch die City zum südlichsten Bahnhof Brossard. Alles in allem sind das etwa 75 Kilometer.

Die Strecke in den Westen von Montreal ist noch nicht in Betrieb, eine Anbindung an die Aussenbezirke des Ostens ist vorerst nicht vorgesehen. Nach der Fertigstellung wird die REM (Réseau express métropolitain) eines der größten automatisierten Netze der Welt sein.

Automatisiert heißt in diesem Fall: fahrerlos. Ich stelle mir irgendeinen überarbeiteten, unterbezahlten Tech-Nerd in einem überhitzten indischen Wohnzimmer vor, der uns per Joystick kreuz und quer durch die Fünf-Millionen-Stadt Montreal navigiert.

Die Wahrheit liegt freilich ganz woanders: In Wirklichkeit wird die Bahn von einem hochprofessionell geführten Betriebs- und Kontrollzentrum in der Montrealer Vorstadt Brossard aus gesteuert.

Die Züge selbst, die Bahnhöfe, die komplette Infrastruktur: WOW!!! Die Mischung zwischen Hightech und Design ist atemberaubend. Hell und freundlich, wohl temperiert und leise. Nur einmal wird es dunkel: Als die S-Bahn in 188 Meter Tiefe den 5000 Meter langen Tunnel durch den Mount Royal durchquert.

Dass ausgerechnet dort gleich am Tag nach der Eröffnung ein Aufzug zur Personenplattform stecken blieb, dürfte für die Dabeigewesenen auf Jahre hinaus für Gesprächsstoff am Küchentisch sorgen.

Funfact 1: In diesem Tunnel-Dickicht richtet Louise Penny in ihrem neuen Roman „The Black Wulf“ eine Folterecke der Mafia ein – ohne dabei freilich die REM zu erwähnen.

Funfact 2: Die Stationsansagen in den S-Bahn-Waggons stammen von der Tochter jener Sprecherin, die in der Montrealer U-Bahn die Ansagen macht. Angeblich erhielt die Tochter den Zuschlag, ohne dass die Jury von der familiären Verbindung wusste.

Ganz reibungslos verläuft die im Endausbau fast neun Milliarden Dollar teure Vorzeigebahn bisher nicht. Seit der Eröffnung der ersten Streckenabschnitte gab es immer mal wieder unvorhergesehene Stopps, weil die Schienen mit Eis und Schnee bedeckt sind (was in einer Winterstadt wie Montreal schon mal vorkommt). Und auch jetzt krachte schon zwei Tage nach Inbetriebnahme der kompletten Nord-Süd-Verbindung ein Truck in eine Überführung. Kinderkrankheiten eben. Bei Pannen wie diesen springen Shuttle-Busse ein.

Bisher werden 19 Stationen angefahren, im Endausbau sollen es 26 sein. Ganz zum Schluss kommt der vielleicht wichtigste Anschluss: der Flughafen in Dorval.

Bilanz nach einer Reise über drei Flüsse (Sankt-Lorenz-Strom, Rivière des Prairies, Rivière des Mille Îles) und 5 Kilometer durch einen Berg: beeindruckend, modern, blitzsauber, Wifi-fähig, behindertenfreundlich, abwechslungsreich und mit 7 Dollar pro Person preisgünstig.

Einziger Nachteil: Für die S-Bahn-Premiere haben wir uns den nebligsten Tag seit Langem ausgesucht. Entsprechend trüb sind die Fotos.

Geschmeidig durch den Winter

Noch benimmt sich der kanadische Winter manierlich. Aber schon jetzt steht fest: So wird das nichts mit meinem kleinen, feinen Ultraleicht-Rollator. Also musste ein neuer her: wieder von der dänischen Firma Acre, wieder so leicht wie möglich. Aber diesmal ist es die härtere Version. Eben habe ich die erste Testfahrt mit dem Acre Carbon Overland Rollator hinter mir. Ergebnis: passt!

Der federleichte Acre Carbon Ultralight Rollator, den ich mir vor etwas mehr als einem Jahr angeschafft hatte, ist ein echter Hingucker. Mit weniger als fünf Kilo Eigengewicht und Hartgummireifen mit 20 Zentimetern Durchmesser war er perfekt für den Montrealer Sommer. Ansprechend im Design, funktional in der Anwendung, leicht genug, um ihn kurz zusammenzufalten und am Griff in die Metro zu tragen – so hatte ich mir die Gehhilfe vorgestellt. Mehr noch: So leicht ist dieser Rollator, dass ich ihn sogar auf dem Leihfahrrad transportieren kann.

Doch schon mit dem ersten Schnee war klar: Der schicke Kleine eignet sich nicht für den kanadischen Winter. Also wurden digitale Kataloge gewälzt. Das Angebot an Rollatoren ist riesig. Vom bulligen Riesenrad-Rollator bis zum rollstuhlähnlichen Krankenfahrzeug mit Gehhilfe – nichts, was es nicht gibt.

Bei unserem Besuch in Winnipeg neulich bot sich sogar eine Probefahrt mit dem Overland an.

Design und Leichtgewicht haben ihren Preis: Der Acre Carbon Overland gilt mit seinen sieben Kilo Lebendgewicht als leichtester Gelände-Rollator der Welt. Mit seinen gut 1000 Dollar ist er allerdings auch doppelt bis dreimal so teuer wie die wesentlich schwerere Konkurrenz. Die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen, aber der kanadische Winter ist lang.

Motto: Wenn schon kein Ferrari in der Garage, dann wenigstens einen Rollator-Porsche im Schrank.

Links der „Overland“, rechts der „Ultralight“: Schick und geschmeidig durch den Winter.

Guten Morgen, böser Winter!

Heute früh in St. Henri: Old Man Winter ist da!

Da ist er wieder: der böse, verhasste, geliebte, ersehnte, verdammte Winter. Der erste heftige Schneefall des Jahres hat viele hier kalt erwischt. Dabei war er schon vor Tagen angekündigt worden. Aber was nicht sein darf, kann nicht sein. Doch, es kann sein, und es ist so: Winterbeginn in Kanada.

Dabei war es vor ein paar Tagen noch mollig warm, die Radler kurvten am Kanal entlang, selbst einige Straßencafés waren noch geöffnet. Damit ist seit heute früh Schluss: Schnee, Eis und noch mehr Schnee.

Die Folge: Stromausfall für Hunderttausende (wir sind bisher nicht dabei!), weil die meisten Bäume noch dicke Blätter tragen. Die Äste knicken unter der Schneelast zusammen und legen sich auf Elektroleitungen, die in vielen Teilen der Stadt noch immer über der Erde verlaufen – das perfekte Rezept für „power outages“.

Poppys erster Schnee!

Mit Winter kennen sich Kanadier eigentlich aus. Und doch waren nicht alle auf den plötzlichen Schneefall vorbereitet. Laut Gesetz müssen hier Winterreifen spätestens am 1. Dezember aufgezogen sein. Viele warten bis auf den letzten Drücker – jetzt rächt es sich, nicht schon früher einen Termin in der Werkstatt gemacht zu haben.

Allan, der Schrauber meines Herzens, war weitsichtig genug, mich rechtzeitig auf den Wintereinbruch vorzubereiten. „Komm vorbei“, rief er mich neulich an, „dann musst du dich nicht mit den anderen in die Schlange stellen, wenn es schon zu spät ist.“ Danke, Allan!

Viele Kanadier lieben ihren Winter. „We are winter people“, sagt Monsieur Bertrand vom Lac Dufresne, wenn man sich bei ihm mal wieder über Eis und Schnee ausheult. Im Winter rücken die Menschen näher zusammen, heißt es. Mag sein, aber noch näher geht nicht. Im Winter geht man Skifahren, Eishockey spielen und Schlittschulaufen. Mag auch sein, aber heute sehe ich mir Wintersport lieber im Fernseher an.

Meine ersten Winter in Kanada waren wild, besonders während meiner Zeit in Winnipeg. Sie waren hart, exotisch und hatten einen hohen Gesprächswert. Heute ist die Exotik verblasst, meine Wintergeschichten braucht keiner mehr.

Mallorca wo bist du, wenn man dich am meisten braucht?

Downtown Montreal am 11. November 2025 (Screenshot CTV)
Nachbarschaftshilfe made in Montreal. (Screenshot LaPresse)