Dunkel, kalt und ohne Wasser

Ein bisschen wie bei Spitzweg: Der arme Poet bloggt im Kerzenlicht.

„Man möchte schreien, man möchte toben“, fluchte ein früherer Zeitungskollege manchmal durch die Redaktionsräume. Einmal, so wird erzählt, soll er eine Schreibmaschine gegen die Wand geschmissen haben.

Das wird mir nicht passieren – nicht zuletzt, weil es in diesem Haus keine Schreibmaschine mehr gibt. Und weil mir, auch wenn ich allen Grund dazu hätte, nicht nach Schreien zumute ist, schreibe ich mir einfach den Frust von der Seele.

Einen vollen Tag, von morgens bis abends, ohne fließendes Wasser zu sein, ist lästig. Aber die Stadt war freundlich genug, die wohl dringenden Reparaturen am Wassersystem vor unserem Gebäude anzukündigen. Also blieb genug Zeit, sich vorzubereiten.

Am Vorabend einen Eimer mit Wasser zum Spülen, einen für die Handhygiene und noch einen für die Katzenwäsche füllen. Dazu ein paar Karaffen Wasser für Kaffee und Frühstückseier. Was braucht der Mensch mehr, um durch den Tag zu kommen?

Leider blieb es nicht beim Wassernotstand. Es fiel auch noch der Strom aus – so, als hätten sich Wasserwerke und Stromversorger abgesprochen. Vermutlich war bei den Arbeiten am Trinkwassersystem ein Kabel in Mitleidenschaft gezogen worden. Genaues weiß man nicht.

Strom ist bekanntlich nicht nur zum Kochen da, für den Kühlschrank, den Fernseher und die Beleuchtung. Weil Kanada zum Glück nicht auf Russen-Gas angewiesen ist, wird hier auch meistens mit Strom geheizt. Die Aussentemperatur beträgt im Moment minus 5 Grad Celsius, morgen soll der erste Schnee fallen. Noch Fragen?

Die Nachricht der Hausverwaltung klingt wenig verheißungsvoll: „Es ist damit zu rechnen, dass der Stromausfall bis zum Morgen anhält.“

Immerhin: Irgendwann tröpfelt es wieder aus dem Hahn, gefolgt von einem erst gelb-grünen, dann braunen und schließlich glasklaren Wasserstrahl. Verdursten werden wir nicht, und die längst fällige Dusche ist auch gerettet. Eigentlich. Denn ohne Strom kühlt der Boiler schnell ab. Dann also keine Dusche.

Fällt mir gerade ein: Im heutigen SPIEGEL wird ein Paartherapeut interviewt. Was er denn seinen Ratsuchenden so empfehle, wenn sich Mann und Frau partout nicht mehr näherkommen wollen, will die Reporterin wissen. „Duschen!“, sagt der Psychologe. Körperhygiene werde in der Paartherapie völlig unterschätzt.

Okay, anderes Thema.

Der Strom ist also weg, Kochen fällt flach, ausgehen kommt nicht infrage, denn der Aufzug vom 4. Stock funktioniert auch nicht, der Fernseher bleibt schwarz und das Internet ist tot. WLAN wird bekanntlich von Elektrizität gespeist – es sei denn, man greift auf sein Datenkontingent im Handy zurück. Genau das mache ich in diesem Moment. Wer braucht schon Wasser und Strom, wenn Kerzen und Handydaten im Überfluss vorhanden sind?

Doof nur: Der Saft im Handy nimmt mit jedem getippten Satz ab. Zwölf Prozent Akkuvolumen für eine ganze Nacht sind beunruhigend. Also dann mal tschüss.

Wir schreien nicht, und getobt wird nur ein bisschen still und leise. Versprochen: Der Laptop landet bestimmt nicht an der Wand. Vorerst.


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5 Gedanken zu „Dunkel, kalt und ohne Wasser

  1. Also der ‚ganz normale Alltag‘, grins, grins. Solche Vorfälle sind mehr als ärgerlich! Aber Ärger macht hässlich, deshalb hast du das besser gelöst: von der Seele schreiben!

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  2. Ich hoffe, eure Notfallsituation ist inzwischen behoben!
    Ansonsten waren die jahrelangen Erfahrungen mit der „Cottage am See“ wahrscheinlich ein hilfreiches Training!

    Ein Weckruf ist es allemal! Gerade dort, wo Mobilität, Fahrstuhl, Notfälle und Brandschutz ins Spiel kommen.
    Ich bin aber sicher, ihr habt all diese Aspekte im Blick.
    Dauert die Situation an, muss vielleicht ein Notstromaggregat ins Haus – oder ein Umzug aufs Land?

    Mögen die Körperhygiene und das Frühstücksei wieder ein fester Bestandteil eures Alltags sein! … liebe Grüße, R🌴

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