Man kann sie mögen oder hassen, lästig finden oder liebenswert. Eines kann man allerdings nicht: Die Straßenhändler entlang der Playa de Palma ignorieren. Dafür sind sie zu umtriebig. Man könnte auch sagen: zu nervig. Dabei müssten einem die rund 250 Senegalesen leid tun.
Wenn sie versuchen, ihre Ledergürtel, Plastik-Armbänder, Strohhüte oder Sonnenbrillen an den Mann oder die Frau zu bringen, dann heißen alle potenziellen Kunden „Helmut“ oder „Gisela“. Ältere Semester sind dann schon mal „Opi“ und „Omi“. Als besonders charmant gilt unter den Senegalesen offenbar die Anrede „Alibaba“ – ohne die sieben Räuber.
Und weil die Rolex-Uhren, die sie für zehn Euro verscherbeln „garantiert echt“ sind, haben sie auch „hundert Jahre Garantie“. Mindestens.
Nicht bei allen, aber bei vielen deutschen Touristen sind die fliegenden Händler verhasst. Als handle es sich bei ihnen um Staatsfeinde Nummer Eins, werden sie angepöbelt („Verschwinde!“ „Hau ab!“ „Verpiss dich!“) oder, wie ich mehrfach beobachten musste, mit Wischbewegungen wie lästige Stechmücken herzlos abgewiesen.
Immer mal wieder berichten spanische und deutsche Medien über Prügelattacken zwischen Händlern und Helmuts – wie hier die Mallorca Zeitung.
Dabei müssten einem die rund 250 Straßenhändler leid tun. Anders als häufig angenommen, gehören weder Straßenverkäufer noch Produktpiraten kriminellen Organisationen an. Sie treiben einfach nur Handel, etwas wofür die Menschen aus dem Senegal ohnehin bekannt sind.
Viele kommen aus den Küstenstädten des westafrikanischen Landes, aus Louga, Zinguinchor, Dakar oder Saint Louis. Dort waren sie oder ihre Vorfahren meistens als Fischer tätig. Über die Kanaren sind sie dann meist illegal nach Mallorca gekommen. Hier erhofften sie sich ein besseres Leben.
Für die meisten von ihnen ging die Rechnung nicht auf. Nur wenige schafften es an die Spitze des Händlerkartells. Die Restlichen leben zu viert, sechst oder auch zu zehnt in kleinen Wohnungen – immer mit der Angst im Nacken, abgeschoben zu werden.
Wer festgenommen wird, muss seine Ware abgeben, wird erkennungsdienstlich behandelt, kommt dann aber meist schnell wieder frei. Straßenhandel sowie der Verkauf von Raubkopien werden gewöhnlich nur als Ordnungsvergehen geahndet. Die Straßenhändler riskieren jedoch einen Abschiebungsbescheid.
Das ist für viele die schlimmste Strafe. Denn, so werden einige der Händler in spanischen Medien zitiert, das Leben auf Mallorca sei für sie noch immer die bessere Alternative als in ihre senegalesischen Dörfer zurück zu kehren. Dorthin, wo sie wieder zu den Ärmsten der Armen gehören.

Straßenhändler an der Stadtmauer von Palma am 30. 3. 2017 – Alle Fotos © Herbert Bopp
Sehr schöner Artikel aber ich habe mit einigen Aussagen so meine Probleme.
Und mit welchen?
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Auf den Märkten in Puerto de Mogan und Arguinegin verkaufen auch Frauen. Aber hauptsächlich Dinge, die eher Frauen interessieren. Und: Sie zupfen die Männer tatsächlich nicht am Hemd.
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Das kenne ich aus jahrzehntelanger Erfahrung von verschiedenen Kanaren-Inseln. Wie Du richtig beschreibst, sind das wirklich die Ärmsten der Armen. Wenn du hinter die freundliche Maske der Männer und Frauen blickst, siehst du, unter welchem Druck sie stehen. Und wenn sie dann einmal ihrem afrikanischen Händler-Naturell freien Lauf lassen und dich an deinem gefälschten Lacoste-Polo zupfen, gerät der genervte Deutsche schon einmal in Rage.
Dabei macht es dem gestandenen Schwaben eine unheimliche Freude, mit diesen in der Wolle gefärbten Händlern zu feilschen, die horrenden Anfangspreise zu drücken und seinerseits den Händler zu übervorteilen. Man sollte dies aber erst am letzten Tag seines Aufenthalts machen, sonst verkauft er einem alles, was auf de Insel nicht niet- und nagelfest ist.
Wenn er dich dann am nächsten Tag erkennt und dich mit „Du großer Bandido“ begrüßt, ist das ein aufrichtiges und ehrlich gemeintes Kompliment.
Schöne Beschreibung der Straßenhändler-Situation, lieber Uli. Mit einer Ausnahme: HändlerINNEN habe ich hier noch nie gesehen.
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