Mallorca: Rentnertag im Regen

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Man glaubt es kaum, aber es kann tatsächlich auch regnen auf Mallorca. Heute ist so ein Regentag – der zweite erst seit unserer Ankunft vor zwölf Tagen. Es ist ein typischer Winterregen. Überm Meer, wo gestern noch blutrot die Sonne unterging, haben sich heute schwabbelige, graue Wolken gebildet, die nicht ganz dicht sind.

Zwischen Oktober und März gibt es auf Mallorca im Schnitt acht Regentage im Monat. Heute ist so ein „Im-Schnitt-Tag“. Und es ist überhaupt nicht schlimm.

Man versucht natürlich, auch aus so einem Regentag das Beste zu machen. Also führt der Weg schon morgens in die Markthalle in Palma, bestellt einen Cava und vespert Fischhäppchen dazu. Ein guter Einstieg.

Und weil der „Mercat Olivar“ nur einen Steinwurf vom Busbahnhof an der Plaza España liegt, stattet man auch dem einen Besuch ab. Dort gibt es eine Stelle, die ein Herz für Rentner hat.

Das Ein-Herz-für-Rentner-Büro ist samstags nur schwach besucht, also nichts wie rein. Einen Seniorenpass, bitte!“, höre ich mich noch sagen. Dann versinke ich in ein tiefes Loch. Habe ich das eben wirklich so gesagt? Ich möchte bitte einen SENIORENPASS?

Hilfe, ich werde alt!

Der Seniorenpass hat den Vorteil, dass er nur drei Euro kostet, dafür aber dem Señor Senior jede Menge Geld spart. Von jetzt an kostet jede Fahrt mit dem Überlandbus auf ganz Mallorca nur noch die Hälfte. Rentner können rechnen.

„Ihren Ausweis, bitte“, sagt die freundliche Senioren-Betreuerin. Den habe ich nun leider nicht dabei. Ob’s denn der kanadische Führerschein auch tue? Eigentlich nicht, sagt die Frau. Aber da ich schon mal hier sei. Die Dame hat wirklich ein Herz für Rentner.

Während sie mit der rechten Hand Namen, Geburtsdatum und Füherscheinnummer in den Computer eingibt, zückt sie mit der Linken unvermittelt eine digitale Stabkamera und schießt darauf los.IMG_1991

„Entschuldigung“, sage ich zu der Seniorenpass-Bearbeiterin, „ich habe versehentlich gelächelt“. Das sei doch gut so, sagt sie. Ich: “Bei uns in Kanada ist Lächeln auf offiziellen Fotos nicht erlaubt“. Ein Glück, dass ich heute nicht in Kanada sei, meint die Dame. „Bei uns dürfen Sie lächeln so viel Sie möchten“.

Dass bei der Aktion „Ein Herz für Senioren“ hinterher doch nur ein Griesgram-Passbild herauskam, ist eine andere Geschichte.

Was macht ein Rentner mit druckfrischem Seniorenpass in der Tasche an so einem Regentag sonst noch so? Er sucht zum Beispiel die kleine Plaza auf, an der seine frühere Wohnung liegt, gleich neben der ältesten Kirche von Palma. Und ist gottfroh, dass er dort nicht mehr wohnt.

Es ist nämlich dort alles wie gehabt: Das Katastrophen-Orchester turnt wild auf der Plaza umher und gibt vor, Musik zu machen. Nicht weit davon trällert die Weißrussin, die mich vorigen Winter mit ihrem „Ave Maria“ um Jahre altern ließ, ihr „Ave Maria“.

Die Bettlerin am Kircheneingang tut mir nicht weniger leid als im vorigen Jahr. Sie habe mich ja „seit Jahren“ nicht mehr gesehen, schwindelt sie mich in ihrer violetten Strickweste an. Jahre seien es wohl nicht, sage ich und schiebe ihr meine Taler zu, aber ein paar Monate schon.

Der Regen hat nachgelassen. Ich beschließe, eine Gedenkminute auf dem Bänkchen gegenüber unserer früheren Wohnung einzulegen. Aus der Minute wird eine Stunde. Ein älteres Paar aus Belgien hat mich in seinen Bann gezogen.

Monsieur Philippe und seine Gattin sind um die 70. Und richtig munter unterwegs. Man tauscht sich aus über Mallorca, Belgien und Québec und stellt fest, dass der Separatismus in Kanada auch nicht viel weiter gediehen ist als die Unabhängigkeits-Bestrebungen der belgischen Minderheiten.

Was er denn gemacht habe, ehe er in Rente ging, frage ich den freundlichen Herrn. „Wir waren in der Gastronomie tätig“, sagt er etwas schüchtern. Seine Frau, eine resolute, aber liebenswerte Seniorin mit wachen Augen unterm Baseballkäppi, sieht sich jetzt veranlasst, unser Gespräch zu moderieren.

„Also, ich muss Philippe da korrigieren“, sagt sie, „wir waren nicht einfach so in der Gastronomie tätig“. Ein Schlosshotel hätten sie betrieben, mit herausragender französischer Küche und einem Ruf weit über Belgien hinaus. „Naja“, sagt der Mann, „sagen wir mal so: Es war ein Schlösschen und wir konnten gut davon leben“.

Man sieht den Beiden an, dass sie nicht darben müssen.

Was aus dem Schloss oder Schlösschen geworden sei, will ich wissen. Eine Schönheits-Chirurgin habe es gekauft. Sie wollte ein Wellnes-Centre daraus machen, „so eine Art Spa für reiche Leute“, sagt mein neuer Bekannter. Aber das mit dem Geschäftsmodell habe nicht so richtig hingehauen. Seine Frau, die ja jetzt unsere Moderatorin ist, drückt sich da deutlicher aus. „Ich will mal so sagen“, sagt sie, „das Hotel ist jetzt am Arsch“.

Ein Regentag im winterlichen Mallorca kann so schön sein. Man muss nur die richtigen Speisen und Getränke zu sich nehmen und die richtigen Menschen in sein Leben lassen.

Morgen soll es übrigens wieder regnen.


 

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