Covid-Treff bei Kerzenschein

COVID UND KERZENSCHEIN: Das Fest der Liebe ohne die Lizenz zum Lieben.

Es ist eine rührende Szene, die sich in diesem Moment vor meinem Fenster abspielt. Es ist kurz nach 21 Uhr und ein junges Pärchen sitzt bei Kerzenschein an einem der Picknicktische im Park. Raucht, redet und nippt ab und zu an einem Thermosbecher. Ich sehe selbst von hier aus den Atem. Die Temperatur liegt weit unterhalb des Gefrierpunkts und es hat frisch geschneit. Bei Covid kommen nur die Harten in den Garten.

Der Park unter unserer Wohnung wird abends zum Treffpunkt von Freunden, Verliebten oder auch schlicht von Menschen, die einfach gerne mal wieder andere Menschen treffen möchten. Die meisten davon halten Abstand, viele tragen selbst im Freien Masken. Man weiss, was man sich schuldig ist.

Die Covid-Bestimmungen in Montreal sind die härtesten im ganzen Land. Sämtliche Restaurants sind seit Monaten geschlossen. Bars, Kneipen und Cafés sowieso.

Besuch dürfen nur Alleinstehende empfangen. Ein Mensch pro Person. Paare, selbst wenn sie unter derselben Adresse leben, dürfen Freunden oder selbst Familienangehörigen gemeinsam keinen Besuch abstatten. Bei Verstößen drohen Geldstrafen von 1500 Dollar pro Person.

Covid ist grausam. In erster Linie natürlich für die Menschen, die daran erkrankt sind. Wir kennen inzwischen ein gutes Dutzend davon, direkt oder indirekt. Und wissen von mindestens drei, die daran gestorben sind.

Aber Covid ist auch grausam für uns, die Gesunden. Keine Besuche, nicht einmal beim Sohn, der gerade mal 150 Meter Luftline von uns entfernt wohnt, sind für uns als Eltern erlaubt. Hin und wieder gönnen wir uns die Freiheit, ihm trotzdem hallo zu sagen. Und riskieren damit eine heftige Strafe.

Covid macht einsam. Nicht so sehr uns, denn wir haben uns ja gegenseitig. Einsam sind viele andere, die nicht das Glück haben, mit einem Partner, einer Partnerin zusammen zu leben.

Manchmal, ganz selten, treffen auch wir uns unten an einem der Picknicktische mit Freunden. Statt Umarmungen und Küsschen, wie sonst in Quebec üblich, gibt man sich die Faust. Oder begrüßt sich Namaste-mäßig mit gefalteten Händen vor der Brust und einem gesenkten Kopf. Mancher Japaner dürfte sich bei unserem Anblick schlapplachen.

Seit zwei Monaten leben wir jetzt in der neuen Wohnung. Und sind noch nicht ein einziges Mal einem der durchweg freundlichen Mitbewohner ohne Maske begegnet. Nicht im Flur, nicht im Aufzug, nicht in der Tiefgarage. Nicht einmal im Müllkeller.

Keine Ahnung, was sie von uns denken. Wie soll man denn mit Mundschutz im Gesicht ein Gefühl für „die Neuen“ bekommen? Wir lächeln oft und gerne.

Zu Weihnachten sollten ursprünglich Familientreffen erlaubt sein. Jetzt hat die Regierung wieder die Notbremse gezogen. Die Zahl der Neuinfizierten ist drastisch in die Höhe geschnellt. Allein in den letzten 24 Stunden waren es in Quebec (Einwohnerzahl 8.5 Millionen) 1842, davon 648 in der Stadt Montreal.

Weihnachten 2020: Das Fest der Liebe ohne die Lizenz zum Lieben.

2 Gedanken zu „Covid-Treff bei Kerzenschein

  1. Ja, es ist schon schlimm, wenn solche Beschraenkungen bestehen. aber ohne – wie hierzulande – ist es noch schlimmer. Mir bleibt ein Satz eines Mediziners in Erinnerung, „Ohne Kontakt kann das Virus nicht ueberleben“.
    Bleibt gesund,
    Pit

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