Sonntagmorgen mit den Beatles

Advent, Advent, the Beatles kemmt. Dass der neue Beatles-Film ausgerechnet am Morgen des 1. Advent über unseren Bildschirm rockt, entbehrt nicht einer gewissen Symbolik. Wenn ich mich richtig an den Religionsunterricht erinnere, steht der 1. Advent für die Erwartung des Jesuskindleins und die Hoffnung auf seine Wiederkunft. Das Jesuskind ist ja bekanntlich wiedergekommen. Jetzt sind auch die Beatles wieder da – und sei es nur im Film.

„Beatles ’64“ ist seit zwei Tagen zu sehen. Allein dafür hat es sich gelohnt, ein Abo bei Disney+ abzuschließen. Die Doku, produziert von Martin Scorsese, ist eine Zeitreise, die den Zauber der frühen Jahre der Beatlemania auf wunderbare Weise einfängt.

Die Beatles waren für einen Dorfbuben wie mich, der aus der Tiefe Oberschwabens stammt und schon als Kind auf der Gitarre herumklimperte, wie eine Offenbarung. „Es war, als hätte plötzlich einer das Licht angemacht“, wird ein Amerikaner im Film zitiert. Besser kann man es nicht sagen.

Nicht, dass vorher nur Dunkelheit geherrscht hätte, als die Beatles 1963 mit „I Want to Hold Your Hand“ auf den deutschen Markt kamen. Aber ein Licht ging mir damals tatsächlich auf.

Plötzlich war alles möglich: Lange Haare, lockere Sprüche und hohe Absätze an Stiefeln, die keinen Soldaten gehörten, sondern ausgewachsenen Jungs mit einem britischen Akzent, der nach Peter-Stuyvesant-Werbung und großer, weiter Welt klang. Wen störte da schon, dass George, John, Paul und Ringo aus einem englischen Industriekaff stammten, in dem die frisch aufgehängte Wäsche schon nach wenigen Minuten schwarze Rußflecken hatte?

Mit den Beatles fing mein Leben, 2. Teil, an. Ich war 15, und meine Kindheit war jetzt endgültig vorbei. Sollten die anderen Jungs in der großen Pause doch an ihren Kakaoflaschen nuckeln, ich zwang mich im nahegelegene Riss-Kaufhaus in eine Kabine, um die neuesten 45er-Platten der Boys aus Liverpool zu hören.

Dass ich wenig später in der Rockband „The Outlaws“ selbst Beatles-Songs spielen konnte, war das Beste, das mir zu jener Zeit passieren konnte. Wenn ich „Yesterday“ oder „Norwegian Wood“ sang, schmiegten sich die Körper auf der Tanzfläche enger zusammen, und die Herzen öffneten sich. Besonders bitter war es allerdings, der eigenen Freundin zusehen zu müssen, wie sie ausgelassen tanzte, während wir hinter den Mikrofonen standen.

Tanzcafés gab es damals in Biberach nicht. Wozu auch? Wer wollte schon in einem angestaubten Kaffeehaus sitzen, wenn abends in den Kneipen rund um Biberach die wahre Musik spielte: Rockmusik.

Werner „Vinz“ Krug, der Leadsänger der „Outlaws“, hat diese Stimmung treffend in einem Mundart-Song eingefangen, den er „Die alte Zeit“ nannte.

„Beatles ’64“ wird nicht nur die Herzen von Fans der Fab Four in Wallung bringen, sondern auch alle, die den Zeitgeist einer phänomenalen Ära wieder aufleben lassen möchten.

„The Outlaws“ – Von links nach rechts: Fritze, Vinz, Souri, Hebo, Goggo (✛).

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6 Gedanken zu „Sonntagmorgen mit den Beatles

  1. Lieber Hebo, herrlich, Dein Post. Mir war beim Lesen, als ob ich im Outlaws-Keller auf dem Weberberg sitzen würde. Zuerst spielst Du „Yesterday“, dann Vinz „as tears go by“ von den Stones. War eine tolle Zeit. Wer war denn Deine Glückliche damals?

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