„Outlaws“: Rocker ohne Motorrad

_________________________________________________________________________

Ich bin 1949 in Ummendorf geboren, in der Tiefe Oberschwabens. Ich könnte nicht behaupten, dass hier die Post abging. Eine tolle Kindheit hatte ich trotzdem. Hier poste ich ab und zu Erinnerungen an meine Bengel-Zeit.

_________________________________________________________________________

Ein Biberacher namens Werner war in den 60er-Jahre Leadsänger bei „The Outlaws“. „Vinzenz“, wie er sich damals nannte, singt noch heute in einer Mundart-Gruppe. „Die alte Zeit“ hat er den „Outlaws“ gewidmet. In dem Song (bitte YouTube-Video anklicken!) ist unter anderem auch von „Hebo“ die Rede. Das bin ich (hinten rechts).  Danke, Vinzenz!

Die Geschichte der Rockband „The Outlaws“ (3): Hardrocker ohne Motorrad

Die Idee für “The Outlaws” stammte nicht von mir, sondern von Goggo. Sein Vater war Arzt, so wie später auch er. Goggos Vater hatte seine Praxis einen Steinwurf vom Gymnasium entfernt. Das war sehr praktisch. Wurde einem von Goggos Freunden mal schlecht, dann konnte es sein, dass Dr. Goggo senior ohne Voranmeldung kurz das Stethoskop ansetzte.

Zuerst hießen wir „Sir Henry and The Outlaws“. Henry, nicht etwa wegen der sechs Frauen, mit denen der spätere König von Irland verheiratet war. Henry hieß eigentlich Heinrich und war unser Leadsänger. Und mein bester Freund. Noch bevor unser kleines Katastrophen-Orchester eine richtige Band war, reisten Henry und ich per Anhalter nach Paris. Auf dem Montmartre und der Place Pigalle traten wir als Straßenmusiker auf. Henry spielte Banjo, ich Gitarre. Wir waren fünfzehn. Oh when the Saints go marching in.

Irgendwann verließ uns Henry und wechselte zur Konkurrenz. Mich machte sein Abschied zwar traurig. Aber irgendwie konnte ich seine Entscheidung verstehen. Ganz ehrlich? Er war einfach zu gut für uns. Seine Gitarrenkünste waren für eine Panikband wie die unsere zu ausgefeilt, fast schon professionell. Er brauchte eine andere Plattform. Die bekam er dann auch bei den „Shouters“. Dass Henry später Musiklehrer wurde und ein gefragter Solo-Violinist war, wunderte mich nicht.

 Zurück blieben also „The Outlaws“. Brave Kleinstadt-Buben mit einem Hang zur Gesetzeslosigkeit. Die ging jedoch nie über die eine oder andere Trunkenheitsfahrt mit dem Moped hinaus. Mehr als eine Narbe am Kinn nach einem Sturz von der DKW konnte ich aus dieser Zeit nicht ins spätere Leben hinüber retten.

Eine Band muss ständig proben. Neue Songs. Neue Texte. Neue Technik. Neue Beats. Unser Übungskeller lag tief in den Eingeweiden eines mittelalterlichen Hauses am Weberberg in Biberach. Eine Kaverne, die manchmal so verraucht war, dass man die Hand nicht mehr vor dem Gesicht sah. „Dr Källr“, wie unser Übungslokal in Biberacher Jungspundkreisen genannt wurde, war Kult. Die Mittwochparties gehörten eine Zeitlang zum Biberacher Sozialleben wie das Schützenfest und der Martinimarkt.

Aber so richtig haben wir den Bogen nie gekriegt. Wir waren die New Kids in der Nachbarschaft – und das blieben wir auch bis zur Auflösung ein paar Jahre später. Die etablierten Biberacher Bands, „The Shouters“, „The Surfers“ und „Les Vedettes“, hatten die richtig guten Gigs. Wir mussten uns mit den Engagements zufrieden geben, die den Großen zu klein waren. Oder die die anderen aus Termingründen nicht wahrnehmen konnten. So ist das halt, wenn man nicht früh genug aufsteht.

Aber wir hatten Fans. Einer von ihnen hieß Uli. Er war es auch, der im Haus seiner Eltern die „GröPaZ“ für uns organisierte, die GrößtePartyallerZeiten. Wie groß? So groß, dass Ulis alter Herr, Jahrgang 1920, noch heute seinem Sohn vorwirft, wir hätten damals ums Haar sein Haus zum Einsturz gebracht.

Unser Repertoire war beachtlich. Wir spielten „Mr. Tambourine Man“, „Poor Boy“, „The House of the Rising Sun“, „Hang on Sloopy“ und „Barbara Ann“ und fast jeden Beatles-Song der damaligen Zeit. Wir spielten nicht nur Beatles, wir atmeten sie auch. Nichts war größer, besser, cooler als John, Paul, Ringo und George. Nächtelang feilten wir an einem Akkordlauf wie bei „Norwegian Wood“. Oder suhlten uns in der Melancholie von „Yesterday“. Und mit jedem Auftritt glichen unsere Frisuren mehr und mehr den Pilzköpfen, durch die „The Beatles“ berühmt geworden sind.

Dass ich George Harisson viele Jahre später persönlich begegnet bin, gehört zu den herrlichen Überraschungen dieser Wundertüte, die sich Leben nennt. Es war bei einem Formel-Eins-Rennen in Montréal. Ich war als Reporter dort. Nach dem Qualifying am Samstag vor dem Renntag saß ich noch mit einem ARD-Kollegen im Ferrari-Bistro an den Boxen. Rennställe schmücken sich gerne mit großen Namen. Jack Nicholson ist mir einmal an der Rennstrecke begegnet und auch Ozzy Osbourne. Auch Tom Cruise ließ sich mal sehen. B-Prominenz im Vergleich zum großen George Harrison.

Der Beatle betrat das Bistrozelt eher unauffällig und ganz allein. Dass er das Renn-Wochenende in Montréal verbringen würde, hatte bereits die Runde gemacht. Würde er sich an unseren Tisch setzen? Und wenn ja:“Wie spricht man denn einen Beatle an?“, fragte ich den Kollegen. „Sag ihm doch“, meinte der ARD-Reporter dann, „dass du auch Gitarre spielst“. Toll. So fängt man also eine Konversation mit einer Legende an? Ein richtiges Tischgespräch wurde nicht aus dieser Begegnung. Aber ein geschichtsträchtiger Moment war es trotzdem: Keine sechs Monate später war George Harrison tot. Scheißkrebs.

Bei den „Outlaws“ wurde nicht nur gesungen. Auch Instrumentals waren Teil unseres Repertoires. „Quartermaster’s Store“ von den Shadows. Oder „Amapola“ von den Spotnicks“. Und auch ein paar Eigenkompositionen. Wir traten im Scotch-Club am ‚Weissen Bild‘ auf, in der Turnhalle von Schweinhausen und in der Tankstellenkneipe in Birkendorf. Manchmal auch in Fischbach, Warthausen, Eberhardzell, Rindenmoos und Bergerhausen. Immer nach dem Motto: Heute gehört uns Ochsenhausen, morgen die ganze Welt!

Einen unserer ersten Auftritte hatten wir in Berkheim im Dorfgasthaus. So jedenfalls war’s geplant. Aber wir spielten vor leeren Reihen. Kein Mensch war gekommen, uns zu hören, nicht eine einzige Person. Erst viel später erfuhren wir: Der Pfarrer hatte der Dorfjugend untersagt, die Veranstaltung zu besuchen. Ein größeres Kompliment für eine Kleinstadt-Band ist kaum möglich.

Die Jahre mit den „Outlaws“ gehören zu den schönsten meines Lebens. Wir waren frei und doch aufgehoben. Gefordert, aber nie überfordert. Vor allem aber waren wir ein bisschen crazy. Der Zeitgeist der sechziger Jahre bestimmte nicht nur unsere Musik, sondern auch unseren Lebensrhythmus.

Rocker ohne Motorrad waren wir. Dafür mit Schlagzeug, Bass, Vocals und zwei Gitarren. Unsere heißen Öfen hießen Framus, Höfner und Echolette. In die Stratocaster-Liga der Edel-Gitarristen schafften wir es nie. Dafür waren wir zu kurz zusammen. Wahrscheinlich fehlte uns dazu auch das nötige Talent. Wir waren eine Spassband, keine Profis.

Irgendwann trennten sich unsere Wege. Der eine studierte, der andere fand einen Job in einer anderen Stadt. Auch mich zog es bald weit weg von Biberach, in die Stuttgarter Gegend, nach Waiblingen. Plötzlich waren die „Outlaws“ Yesterday.

Und weil es zum Star-Status nie gereicht hat, bastelten wir uns eben unsere eigene Legende zusammen. Schließlich waren wir „Outlaws“. Und in den sechziger Jahren die härtesten Rocker östlich von Liverpool. Zumindest aber von Ummendorf.

>>>  Unser Repertoire: Von den Spotnicks bis zu den Stones  <<<    (Danke, Uli!)