Erinnerungen an Jane Goodall

Jane Goodall (1934 – 2025) Archiv-Foto

Es ist schon sehr lange her – 26 Jahre, um genau zu sein –, da kam ich auf die Idee, meinen journalistischen Bauchladen um ein Medium zu erweitern, das ich bis dahin noch nicht bedient hatte: Filme machen. Gleich in meinem allerersten Film stand eine Frau im Mittelpunkt, die heute im Alter von 91 Jahren gestorben ist: Jane Goodall, die legendäre Schimpansenforscherin.

Das Thema, das ich mir für diesen ARD-Beitrag ausgesucht hatte, war spannend, aber düster zugleich. Es ging um ein Altersheim für HIV-infizierte Schimpansen, die ein kanadisches Ehepaar aus medizinischen Versuchsanstalten in den USA befreit hatte. Dort sollten die Tiere zu Tode getestet werden.

Die kanadischen Aktivisten – ein Tierarzt und seine Frau – hatten das getan, was als „petnapping“ bekannt wurde: eigentlich strafbar, aber nicht nur unter Tierfreunden begeistert gefeiert.

Ich reiste mit einem kleinen Kamerateam an die kanadisch-amerikanische Grenze, unweit von Lacolle – dort, wo Cassian heute seine Farm hat. Was uns erwartete, war ein eigentlich schöner Anblick, aber auch ein tieftrauriger.

Schön, weil die Tiere in blitzsauberen, freundlichen und geräumigen Käfigen untergebracht waren, wo sie viel Liebe erfahren durften. Traurig, weil klar war, dass die fünfzehn Schimpansen nicht mehr lange zu leben hatten. Die beiden Aktivisten hatten sich vorgenommen, den Tieren einen möglichst schönen Lebensabend zu bereiten.

Manche von ihnen waren nicht nur mit HIV infiziert worden, sondern auch mit anderen Krankheiten, die zum sicheren Tod führten. Getestet worden waren die Schimpansen in Labors unter anderem für die Kosmetikindustrie.

Um den Film vom Boulevard-Niveau abzugrenzen, dem so ein Thema leicht zugeordnet werden könnte, hatte ich mir als seriöse Komponente eine Begegnung mit der bekanntesten Schimpansenforscherin der Welt vorgestellt. Kaum zu glauben, dass Dr. Jane Goodall auf meinen Anruf in London hin spontan zusagte, mir für ein Gespräch zur Verfügung zu stehen.

Bis zu dem Interview mussten wir uns allerdings gedulden. Dr. Goodall wollte den Besuch im Schimpansen-Seniorenheim mit einer Lesung in Toronto verbinden, so dass sie nicht eigens nach Kanada reisen musste.

Für uns war das kein Problem. Schließlich gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal einen Abnehmer für meinen ersten Film – ich hatte ihn auf eigenes Risiko vorfinanziert und produziert.

Das alles musste Jane Goodall ja nicht wissen. Wir hatten innerhalb des Aufnahmeteams vereinbart, den Ball flach zu halten. Die offizielle Version lautete: „This is going to be a film for German television“. Und genau so war es schließlich.

Mit einem Minivan holten wir Jane Goodall in ihrem Hotel in Montreal ab. Die Fahrt zu der Farm der beiden Aktivisten dauerte etwa eine Stunde – genug Zeit also, um mit der Forscherin aus London warm zu werden. Ihre bescheidene Herzlichkeit beeindruckte mich sofort. Und: Sie  konnte zupacken!

Auf der Farm der beiden Tierschützer angekommen, zögerte Madame Goodall nicht lange, die Regie meines Filmes mehr oder weniger selbst in die Hand zu nehmen. Es war ihre Idee, in einen der Käfige zu steigen, um mir von dort aus ein Interview zu geben. Weil die Affen alle an Krankheiten litten, die leicht durch Körperflüssigkeiten übertragen werden konnten, blieb ich draußen und hielt Jane Goodall das Mikrofon durch das Gitter hindurch vor ihr Gesicht.

Es waren denkwürdige, bange Minuten für uns als Team, bis die Szene abgedreht war. Aber Madame Goodall behielt bis zur letzten Frage eine Ruhe, die mich tief beeindruckt hat.

Dass ich den Film nach der Fertigstellung tatsächlich an die ARD verkaufen konnte, hatte – davon bin ich überzeugt – mit Sicherheit auch damit zu tun, dass die Protagonistin meiner ersten Doku eine weltberühmte Schimpansenforscherin war.

So gesehen war Jane Goodall die wichtigste Initiatorin meiner überschaubaren Karriere als Filmemacher. Einige weitere Filme sollten folgen – sie liefen alle im deutschen Fernsehen –, doch mein Herz gehörte dem Radio. Für den Rundfunk habe ich bis zum Schluss meiner aktiven Reporter-Laufbahn noch viele tausend Beiträge gemacht.

Eine Kopie des Films mit Jane Goodall hatte ich auf VHS gespeichert. Bei einem meiner zahlreichen Umzüge muss die Kassette verschwunden sein. YouTube und andere Video-Plattformen gab es zu dieser Zeit noch nicht, also ist er auch online nicht zu finden.

Beim Stöbern in meinem bescheidenen Archiv bin ich auf ein Arbeitsmanuskript gestoßen, das ein paar Drehbuch-Passagen aus dem späteren Film enthält.

Hier ist es als PDF in einer unfertigen Rohfassung: