Die Sorgen des Löffelspielers

© Screenshots CBC - CTV - Montreal Gazette

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Es kann viel passieren in fünf Monaten. Während wir es uns am Mittelmeer gutgehen ließen, ging das Leben in Montreal ganz normal weiter. Oder vielleicht doch nicht so ganz normal?

Eben lese ich: Die Stadtverwaltung konnte sich nach kurzer Diskussion dazu durchringen, ein Dutzend Granitsteine auf dem Hausberg von Montreal, dem „Mont Royal“, aufzustellen. Die kunstvoll gestalteten Granitsteine haben die Form von Baumstämmen und sollen Besucher des Parks zum Verweilen einladen. Granitsteine als Baumstämme. Mitten im Wald. Für 3.5 Millionen Dollar. Ist das normal? Auf der CBC-Webseite kommentiert ein Leser: Eigentlich sei das gar keine so schlechte Idee. Man müsste sich die Granitsteine nur in gemahlener Form liefern lassen. Damit könnten dann die Schlaglöcher gefüllt werden.

Kunst hat eben immer zwei Seiten.

Und dann: Mordecai Richler. Er war einer der größten Schriftsteller, die Kanada je hervorgebracht hat. Besonders gerne ließ er sich wohl in einem schattigen Holzpavillon inspirieren, der ebenfalls am „Mont Royal“ steht. Oder stand. Denn das Konstrukt ist windschief und wird seit Jahren nicht mehr genutzt. Jetzt kommt Hilfe von der Stadtverwaltung: Der kleine „Gazebo“ wird restauriert. Für läppische 600.000 Dollar.

Andere Sorgen hat da ein Mann namens Cyrille Esteve. Seit Jahrzehnten sitzt er vor einem Nobelkaufhaus der Rue-Ste.Catherines und macht Löffelmusik. In Quebec hat die Kunst, aus gegeneinander geschlagenen Holzlöffeln Rhythmen hervorzuzaubern, eine lange Tradition. So gesehen könnte man Monsieur Esteve bei großzügiger Auslegung durchaus als eine Figur der Zeitgeschichte bezeichnen.

Doch die Zeit bleibt auch für den Löffelspieler nicht stehen. Es gab Beschwerden wegen Lärmbelästigung. Ab sofort soll der Mann seine Löffelmusikstation alle 60 Minuten um 60 Meter verlegen. Das sei nicht ganz einfach, sagt Cyrille. Schließlich löffle er seine Musik zu den Melodien, die aus einem Radioverstärker kommen. Den und sein Fahrrad, auf dem er das ganze Equipment befördere, müsste er ja dann auch jede Stunde umziehen.

Die Stadt, die – siehe oben – mit Kunst sonst viel am Hut hat, zeigt sich ungnädig und besteht auf die Einhaltung der neuen Bestimmung. Mehr noch: Nur wenn sein Radioverstärker mit einem vom Ordnungsamt ausgegebenen Lizenz-Sticker versehen sei, dürfte er die Hintergrundmusik zu seinem Löffelspiel laufen lassen.

Der gute Cyrille willigte schließlich ein und machte sich auf den Weg ins Rathaus, um seinen Sticker abzuholen. Die seien dummerweise gerade ausgegangen, wurde ihm dort beschieden. Jetzt löffelt er bis auf weiteres ohne Lizenz vor sich hin.

Und da sage noch einer, in fünf Monaten sei in meiner Stadt nichts passiert.

 

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