Die Geburtsstunde von Goethe weiss er auswendig und den Ausgrabungsort des Tutanchamun sowieso. Wenn er die Arien seiner 350 Opern-LPs vom selbstgebastelten Dirigentenpult aus mitträllert, wird sein Wohnzimmer zum Konzertsaal. Und hätte er auch noch die Schuhgröße von Karl May auf dem Schirm, würde es keinen wundern.
„Peter“, sagte mein Freund Frank einmal, „ist einer der letzten Universalgelehrten“. Für mich ist Dr. Peter Bernath vor allem eins: Mein Freund – und das schon seit mehr als 30 Jahren.
Dass Peter, ein waschechter Berliner, noch mit 75 die kanadische Staatsbürgerschaft beantragte, passt zu ihm: Alles zu seiner Zeit, aber nicht unbedingt der Reihe nach. Heute wurde ihm der Pass mit dem Ahornblatt ausgehändigt. Gefeiert haben wir bei Chips & Ribs und vielen Anekdoten aus dem Leben eines Genussmenschen.
Noch bevor ich vor mehr als drei Jahrzehnten das Gesamtkunstwerk Peter Bernath kennenlernen durfte, hörte ich seine Stimme: Anfang der 80er-Jahre war Radio Canada International auf der Suche nach einem neuen Moderator. Ich war mit dem Casting beauftragt worden. Bei den Dutzenden von Tonbändern, die ich abzuhören hatte, stand schon bald fest: Der oder keiner.
Ehe er zum Radio kam, war Dr. Bernath Germanistik-Professor an der Universität Sherbrooke. Doppeltes Pech für Peter: Für das Sprachprogramm, das er leitete, wurde keine Planstelle bewilligt. Und dann machte auch noch die deutsche Abteilung von Radio Canada dicht. Peter ging, die Freundschaft blieb.
Ein Deutschkanadier, der Französisch spricht wie ein Muttersprachler, ist in Québec gefragt. Also machte sich Peter schnell als Übersetzer einen Namen und auch als Synchronsprecher fand er seine Nische. Dutzende von Reisen führten ihn um die halbe Welt. Die exotischste von allen? Zusammen mit seiner Lebenspartnerin Laurette, einer waschechten Quebecerin, ging es in die Südsee, auf die Osterinsel.
Das Lehren hat den Sohn eines Berliner Schneidermeisters nie losgelassen. Packt ihn ein Thema, recherchiert er es akribisch, garniert es mit selbst gemachten Fotos und verpackt das Ganze in einen Vortrag. Den hält er dann in einer Senioren-Universität in den „Eastern Townships“, unweit der amerikanischen Grenze. Dort schätzt man Peters Weisheiten so sehr, dass er sich um die Belegung seiner Kurse keine Sorgen zu machen braucht.
Bücherwurm, Kunstkenner, Gelehrter, Weinzahn, Gourmet-Koch, Geschichten-Erzähler, Musikliebhaber und Weltreisender – kaum etwas, das den Mann mit den flinken Augen nicht interessiert. Selbst im Internet fühlt sich der 75-Jährige noch Zuhause.
„Neues Smartphone oder doch lieber Tablet?“, ist eine der Fragen, die ihn heute besonders bewegt hat. Egal, wie er sich entscheiden wird: Wichtig ist für ihn die Kommunikation.
In wenigen Tagen geht’s nach Amsterdam. Von dort aus begeben sich Peter und Laurette auf eine Kreuzfahrt rund um die iberische Halbinsel. Und da sie schon mal im Alten Europa weilen, geht’s anschließend gleich weiter nach Collioure im Languedoc. Die dortigen Weine haben es den Beiden besonders angetan.
Wie war das nochmal mit Franks Zitat? Den „Universalgelehrten“ will Peter so nicht stehen lassen. „Da gibt es andere“, sagt er, und verweist auf Klaus. „Gegen den bin ich ein Analphabet.“ Klaus ist sein in Deutschland lebender Bruder. Der ist Heidegger-Experte und spricht zehn Sprachen.

Peters Partnerin Laurette: „Glücklich allein ist die Seele, die liebt“. (Johann Wolfgang von Goethe)
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Breaking the Mold !
Dein Freund und sein Bruder scheinen glücklicherweise erblich positiv vorbelastet zu sein. Dazu eine Prise der berühmten Berliner Luft und man kann offensichtlich selbst aus diesen schweren Kriegs- und -Nachkriegsjahren gut seinen Weg finden und formen. Peter führt ein recht unangepasstes, aber interessantes und abwechslungsreiches Leben, wie es klingt.
Ich hoffe, ihm und Euch sind noch viele weitere Jahre mit dieser gegenseitigen Bereicherung beschert.
Ganz liebe Grüße nach Montreal! Health, happiness and prosperity! Euer Insulaner ..🌴
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Hallo Herbert,
ja, es gibt „angenehme“ Phaenomene unter uns Menschen. Bitte richte Peter Gruesse von mir aus. Mit so einem Gedaechtnis erinnert sich Peter allemal an mich.
Gruss
Volker
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Sehr schoen, was Du ueber unseren Freund Peter zu sagen hast, lieber Herbert
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