Von Mallorca nach Marseille ist es eine knappe Stunde mit dem Flugzeug. Für kanadische Verhältnisse also gerade mal kurz um die Ecke. Perfekt, um einen Freund aus Montréal zu besuchen, der einen Teil des Winters am Mittelmeer verbringt.
Für mich war der Trip ein Déjà-vu. Bei meiner letzten Reise nach Marseille war ich gerade mal sechzehn. Mit Rucksack und Gitarre hatte ich mich per Anhalter wochenlang durch Europa treiben lassen, in Stadtparks und Eisenbahnwaggons übernachtet und meine Eltern fast zur Verzweiflung gebracht.
Diesmal ging es gesitteter zu. Zwar immer noch mit Rucksack, aber mit Hotelreservierung ging es im Flieger nach Südfrankreich – nicht von Ummendorf aus, sondern von Mallorca, wo wir den Winter verbringen.
Der erste/zweite Eindruck von Marseille: Das Tor zum mediterranen Teil Europas ist eine wunderschöne Stadt. Marseille hat aber auch eine dunkle Seite. Es gilt als Frankreichs Hauptstadt für Kriminalität und Drogen, für Mord- und Totschlag. Es gibt angeblich Viertel, in die sich auch heute noch kaum jemand wagt und in denen eigene Gesetze herrschen.
Echt jetzt? Solche Gegenden kenne ich in Palma auch. Nur geht man da einfach nicht hin. Basta.
Richtig ist, dass mir als Teenager damals in Marseille meine Gitarre gestohlen wurde und ich zeitweise meinem Broterwerb als Straßenmusiker nicht mehr nachkommen konnte. (Ein Polizist erbarmte sich meiner und fand das gestohlene Instrument schließlich auf einem Flohmarkt wieder).
Richtig ist aber auch, dass wir uns während unseres jetzigen Kurzbesuchs zu keinem Zeitpunkt bedroht fühlten und wir weder beklaut, überfallen oder ermordet wurden. Dies gilt übrigens auch für unseren Freund Jean, der unweit des Hafens wohnt, wo doch angeblich Mord und Totschlag herrschen. So viel zum Thema Ruf und Wirklichkeit.
Die stundenlangen Spaziergänge durch die Altstadt, die Hafengegend und sogar hinauf zur Basilika Notre-Dame de la Garde waren wegen der Hügellandschaft zwar anstrengend, aber auch faszinierend und wunderschön.
Das multikulturell geprägte Stadtbild von Marseille erinnerte mich ein wenig an Montréal, einige geschichtsträchtige Ecken aber auch an Palma. Alles in allem also eine perfekte Mischung zwischen den beiden Städten meines Herzens.
Und wie war das nochmal mit dem „Essen wie Gott in Frankreich„? Ich kenne Herrn Gott nicht, vermute aber, da ist was dran. Jedenfalls haben wir nicht ein einziges Mal schlecht oder auch nur mittelmäßig gegessen. Selbst der Gâteau aux pommes meringué in der Abflughalle schmeckte himmlisch, dabei war die Maschine zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal über den Wolken.
Reden wir nicht über französische Preise. Oder sagen wir mal so: Meine freundliche Kreditsachbearbeiterin bei der Ulmer Volksbank wird demnächst einen Anruf von mir bekommen. Ist es dann zwingend notwendig, ihr zu verraten, dass die Bouillabaisse 36 Euro gekostet hat? Pro Person und ohne Wein?
Was dem Bub aus Ummendorf sonst noch passiert ist, damals in Marseille, können sie übrigens in meinem kleinen Roadtrip-Roman „DAS GIBT SICH BIS 1970“ nachzulesen. Dazu gehörte auch die Erkenntnis, dass Französisch weit mehr sein kann als nur eine wunderbare Sprache.
Bouillabaisse für 36 € ist ja geradezu ein Schnäppchen, das geht auch viel teurer! 😉
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