Es gibt Themen, die lassen einen ein Leben lang nicht mehr los. Bei mir ist es das Thema Einwanderung. Meine erste Einwanderung nach Kanada erfolgte am 8. Dezember 1973, also vor ziemlich genau 45 Jahren. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Europa bin ich im Oktober 1980 erneut nach Kanada ausgewandert. Seither lebe und arbeite ich hier.
Losgelassen hat mich das Thema Einwanderung nie mehr. Eigentlich auch klar, wenn man so direkt davon betroffen ist. So richtig hochgekocht ist es in meinem Kopf aber erst wieder in den letzten Jahren. Die Flüchtlings-Debatte in Deutschland hat in mir viele Emotionen geweckt.
Das fängt schon bei der Wortwahl an: Sind es nun „Flüchtlinge“, „Flüchtende“, „Immigranten“, „Einwanderer“ oder „Zuwanderer“?
Meine Meinung: Wenn man die richtige Einstellung zu einem Thema hat, dann ist die Terminologie ziemlich egal. Wichtig ist doch, wie man mit dem Thema selbst umgeht. Die kanadische Bevölkerung empfindet „Menschen von woanders“ nicht als Problem, sondern als Notwendigkeit. Es ist das Ergebnis einer geregelten Zuwanderungspolitik.
Das Punktesystem für Neueinwanderer in Kanada funktioniert. Es hat schon funktioniert, als ich damals eingewandert bin. Pluspunkte für Sprachkenntnisse und den Nachweis eines Arbeitgebers. Punkte auch für Sponsoren, die dem Staat versprechen: Wir passen auf, dass der Neueinwanderer, den ihr ins Land holt, nicht aus der Reihe tanzt!
Ich finde: In diesem Punkt ist Kanada einfach großartig. Hier wird nicht um den heißen Brei geredet. Man hält sich nicht an sprachlichen Feinheiten auf sondern hat nur ein Ziel:
Man möchte möglichst vielen Hilfesuchenden möglichst viel Hilfe zuteil werden lassen. Unbürokratisch, schnell und neidfrei. Zukunftsorientiert und nicht rückwärtsgerichtet.
Kanada sieht Neueinwanderer als Gewinn an und nicht als Bürde. Und genau so sollte es sein.
Mir ist unerklärlich, dass es in Deutschland zwar ein Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gibt, aber noch immer kein vollwertiges Ministerium. Und das bei dem Thema, das wohl den meisten Deutschen mit am meisten auf den Nägeln brennt: Flüchtlinge und Einwanderer.
Was machen unsere Politiker eigentlich, wenn sie auf ihre berühmten „Fact Finding Missions“ gehen? Geben sich die vielen Abgeordneten, Minister, Staatssekretäre und auch Regierungschefs, die ich im Laufe der Jahrzehnte hier bei irgendwelchen Konsulats- und sonstigen Empfängen getroffen habe, wirklich damit zufrieden, lediglich Teil der Häppchenfraktion zu sein, für die solche Empfänge ausgerichtet werden? War’s das?

Alle Fotos © Bopp
Hören sie eigentlich zu, wenn ihnen von den Erfolgen der kanadischen Einwanderungspolitik erzählt wird? Von Flüchtlingen, die schon nach wenigen Wochen eine Wohnung oder gar eine Arbeitsstelle haben? Vor Kanadiern, die alles tun, um Menschen zu helfen, die Hilfe brauchen. Egal, ob sie eine Kopfbedeckung tragen oder nicht. Egal, mit welcher Hautfarbe sie geboren wurden und welcher Religon sie angehören.
Der Großteil der kanadischen Bevölkerung hat erkannt: Wir brauchen Menschen wie sie. Ohne sie blutet unser Land aus, ohne sie kann unsere Wirtschaft nicht blühen.
Weihnachten steht vor der Tür und Sie können mir eine große Freude machen, indem Sie sich den folgenden Hörfunkbeitrag anhören. Meine Kollegin Antje Passenheim hat ihn gerade für die WDR-Sendung „NEUGIER GENÜGT“ recherchiert und gesprochen. Nehmen Sie sich bitte die Zeit. Es lohnt sich:
Ich finde es aber schön zu sehen dass Politik und die Gesellschaft bei diesem Thema zusammenarbeiten. Das fehlt in Deutschland leider komplett. Vom Bund kommt da viel zu wenig und die Kommunen werden z.T. völlig alleine gelassen.
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Stimmt. Etwas differenzierter haette man das Thema durchaus abhandeln koennen. Trotzdem gbt er einen Einblick ueber das, was moeglich ist. Und das, was moeglich waere, aber trotzdem nicht gemacht wird.
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Was uns in Deutschland tatsächlich fehlt IST ebendiese Einwanderungspolitik – völlig losgelöst von der „Flüchtlingskrise“. Bestes Beispiel aus dem Beitrag: Ankommen, SIN bekommen und direkt arbeiten. In Deutschland dauert es ewig bis man arbeiten darf, geschweige denn bis man Klarheit darüber hat was mit einem passiert.
Ansonsten finde ich den Beitrag durchaus gelungen, allerdings teilweise etwas sehr „blumig“, denn nicht jeder der in Kanada einwandert wird direkt so gut integriert wie dargestellt. Da fände ich einen 2. Beitrag passend von jemandem der z.B. einwandert und den Mindestlohn bekommt, wenn überhaupt
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Liebe Elgard, mir geht es gar nicht so sehr um Zahlen. Ich glaube, es ist in erster Linie die Denke, die den feinen Unterschied macht. Danke für deinen Input und liebe Grüße auf die Insel.
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Lieber Herbert, ich glaube nicht, dass Du die Problematik der „Flüchtlings-Invasion“ seit 2015 in Deutschland mit dem „Einwanderungs – Prozedere in Kanada vergleichen kannst… Schau Dir mal die Zahlen an: https://www.bpb.de/gesellschaft/migration/flucht/218788/zahlen-zu-asyl-in-deutschland#Registrierungen
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Guter Einwand. Die Kollegin hat den Beitrag aus Torontoer Sicht veröffentlicht. Das merkt der Québecker natürlich sofort.
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Ich habe mir den Beitrag von Frau Passenheim vollständig angehört, kann aber, über die sehr enthusiastische Rhetorik hinaus, eine gewisse Frustration nicht unterdrücken: Mit keinem Wort wird erwähnt, dass es hier eine zweite offizielle Sprache gibt, die in der Einwanderungsdebatte (vor allem in der Provinz Québec) eine Rolle spielt, und dass man die Nationalhymne auch auf Französisch singen kann (wie z.B. ich es bei der Einbürgerungszeremonie getan habe). Der Beitrag ist mir etwas zu anglo-lastig.
Peter aus Sherbrooke
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