Schmankerln aus dem „Heustadl“

Man kommt um diese Jahreszeit ja gerne mal ins Grübeln. Vor allem, wenn nicht nur Weihnachten vor der Tür steht, sondern in wenigen Wochen auch der Siebzigste droht.

Mit Lausbubengeschichten will ich Sie heute nicht langweilen – die gibt’s an anderer Stelle in diesem Blog. Aber wenn Sie mir gestatten, dann nehme ich Sie mit auf eine kleine Erinnerungstour nach Waiblingen im Remstal. Dort begann im Mai 1968 meine journalistische Laufbahn.

Als Redaktionsvolontär bei der Waiblinger Kreiszeitung hatte man ein tolles Leben. Man genoss viele Freiheiten, durfte lokale Models interviewen und über die „Hausfrau des Jahres“ schreiben (ja, die gab’s damals wirklich). Und man konnte sich mit ein bisschen Ruhm bekleckern, wenn man „gute Geschichten“ an Land zog, wie das der damalige Chefredakteur Richard Retter nannte.

Eine dieser Geschichten ging so:

Im „Heustadl“, der Diskothek meines Vertrauens, spielte sich meistens gegen Mitternacht das richtige Leben ab. Einmal stand ein streitbarer Kollege im Mttelpunkt des Geschehens, der sich öffentlich mit dem Ehemann einer Frau zoffte, der gegenüber der Kollege seine Ritterlichkeit demonstrieren wollte.

Mein Kumpel, der edle Ritter, musste sich schließlich geschlagen geben – und zwar im Wortsinn, denn es kam zu einer faustdicken Keilerei. Ob die Ritterlichkeit des Kollegen von der Frau später belohnt wurde, soll hier keine Rolle spielen. Eine gute Geschichte gab es allemal.

Da es in der Redaktion nur wenige Geheimnisse gab, erfuhr auch der Chefredakteur davon. Prompt setzte er mich daraufhin auf das Thema an: „Wie sicher sind Waiblingens Lokale?“. Die Antwort wusste ich schon, noch ehe ich mit meinen Recherchen begann: Eigentlich sind Waiblingens Lokale sehr sicher. Es sei denn, man macht sich an die Ehefrau eines stadtbekannten Schlägers heran.

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Eine andere Geschichte, die in der Waiblinger Unterwelt spielte, ging so:

Man schrieb das Jahr 1968 und hörte immer nur von Sex, Drugs und Rock’n Roll. Vor allem das Thema Drogen hatte in einer Kleinstadt wie Waiblingen etwas Mystisches, Verruchtes. California Dreaming war weit weg und ich kannte bis dahin keinen, der direkt mit Drogen in Kontakt gekommen war.

Das änderte sich in einer Nacht im – Sie haben es erraten – „Heustadl“:

Zwei Typen, Mitte 20, fingen im Gespräch mit mir an, mit ihren Drogenerfahrungen zu prahlen. Endlich Informationen aus erster Hand! Sie wären durchaus bereit, mir ihre Halluzinationen im LSD-Rausch zu schildern. Auch würden sie über ihre Kontakte mit Drogendealern berichten, anonym versteht sich. Das Ganze habe allerdings seinen Preis: 50 D-Mark Info-Honorar für jeden und die Jungs würden mir alles Wissenswerte aus der Waiblinger Drogenszene berichten.

Kurz vor Mitternacht also ein Anruf beim Chefredakteur: Kann ich? Soll ich? Darf Ich? Und vor allem: Wer soll das bezahlen?

„Lass anschreiben bei Peter.“ Peter war der Diskothekenwirt und ein Bekannter meines Chefredakteurs. Also rückte Peter zwei Fünfziger heraus, denn als Volontär bei der Lokalzeitung war man zu jenen Zeiten mit einem Monatssalär von knapp 400 D-Mark nicht immer liquide.

Für insgesamt hundert Mark  führten mich also die beiden Kerle in jener denkwürdigen Nacht im „Heustadl“ in die dunkle Welt der Drogen ein. Die Geschichte in der Zeitung las sich flott. Ob alles stimmte, was mir die Jungs erzählten, wage ich heute zu bezweifeln.

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Drogen waren trotz – oder vielleicht gerade wegen – der frühzeitig erworbenen intimen Kenntnis der Szene nie so mein Ding. Bier, Wein und Schnaps schon eher. Und weil der „Heustadl“-Wirt, siehe oben, mit dem Zeitungs-Chef bekannt war, floss das Freibier oft in Strömen.

Es war Winter in Waiblingen und der Löschweiher am Stadtrand war erstmals seit langem wieder zugefroren. Was also lag da näher, als mit anderen Disco-Eseln um Mitternacht aufs Eis zu fahren, um nach dem Rhythmus aus dem Autoradio mit dem Döschwo den Wiener Walzer zu schlittern. Der 2 CV hat es überlebt, ich auch.

Wie so oft monierte meine Zimmervermieterin, eine resolute Witwe namens Herb, am nächsten Morgen, dass meine Ente mal wieder mit zwei Rädern auf dem Trottoir stehe. In verkehrsrechtlicher Hinsicht kümmerte mich der Vorwurf wenig. Dass sich, wie Witwe Herb mir aber versicherte, schon einige Passanten darüber beschwert hätten, dass „der junge Herr von der Zeitung“ wohl glaube, Sonderrechte genießen zu dürfen, ließ mich alles andere als kalt. Ich gelobte Besserung.

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Einer der „Heustadl“-Stammgäste war ein spillriger Kerl namens Ewald. Er besaß einen Opel-Kadett und war von Beruf Käsevertreter. Wie ich ihn um seinen Job beneidete! Morgens holte er bei seiner Firma wunderschöne Käseplatten ab, garniert mit Weintrauben und Schleifchen und immer ein gutes Fläschchen dazu. Damit ging er auf Tour.

In seinem missionarischen Eifer bot er mir an, mir an einem meiner freien Tage das Remstal und die weitere Umgebung von Stuttgart zu zeigen. An jedem Edeka-Laden machten wir Halt, um die neuen Käsesorten zu kredenzen. Interessanter als die Brie-, Chèvre- Sauermilch- und anderen Sorten waren die dazu gehörenden Weinproben. Ich liebte diese Käserundfahrten, auch wenn sie nicht immer gut endeten.

Und da wir nicht immer den gewünschten Gesprächspartner im Lädele antrafen, mussten wir so manche Käseplatte wieder einpacken und dem häuslichen Verzehr zuführen. Zusammen mit dem Fläschen, versteht sich, das der Leiter der Käseabteilung auch abgekriegt hätte, wäre er an diesem Tag bloß auffindbar gewesen.

Genug Käse geredet für heute. Mehr Schmankerln aus Waiblingen und sonst wo gibt’s ein andermal.

 

2 Gedanken zu „Schmankerln aus dem „Heustadl“

  1. Echt? Du in Backnang, ich in Waiblingen. Meine Ente hatte ein BC-Kennzeichen.
    Und mit dem Mann der Café-Wien-Geschaeftsfuehrerin habe ich zwei Jahre den
    Schreibntisch getelt. Der war naemlich Sport-Chef bei uns. Kleine Welt …

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  2. Herrliche Erinnerungen, lieber Hebo. Dass wir die wilden 60-er in gerade mal 20 km Entfernung verbrachten, wussten wir damals nicht. Hattest Du WN an Deiner Ente, oder noch BC? Dass wir uns in dieser Disco niemals trafen? Die gehörte zu den In-Discos in der Region, wie das Café Wien in Winnenden.

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