Wo fängt man an, wenn man über Kuba schreiben möchte? Bei den traumhaft schönen Stränden, die das fast unwirklich farbenintensive karibische Meer einfangen? Bei den vielen Oldtimern, die manches Museum der Welt mit Stolz erfüllen würden? Oder bei den tropisch heißen Wintern, die Eis und Schnee geplagte Snowbirds einfach nur in Verzückung geraten lassen?
Fangen wir bei den Menschen an. Der Kubaner an sich ist: meistens schön, selten missmutig und scheint mit sich und der Welt entweder wirklich im Reinen zu sein, oder er ist ein verdammt guter Schauspieler.
Die folgenden Beobachtungen stützen sich freilich weitgehend auf das Servicepersonal unseres Hotels und hier und da noch auf ein paar Smalltalks mit Kubanern auf der Straße. Zu mehr Kontakten reicht es in einer Touristen-Enklave wie Varadero leider nicht.
Es gibt diese natürlichen Berührungsängste zwischen uns, den einigermaßen verwöhnten Erstweltländlern, und Kubanern, die im Schnitt um die 20 $ im Monat verdienen. Ein paar Gastgeschenke wie Strumpfhosen, Kosmetika und auch ganz viel Trinkgeld wirken angesichts der Armut vieler Menschen hier geradezu lächerlich. Aber die Gesten sind willkommen und wirken, so mein Eindruck, alles andere als gönnerhaft.
Vieles hat sich seit unserem ersten Kuba-Besuch vor 33 Jahren verändert. War es Kubanern damals offiziell noch versagt, mit Touristen überhaupt Kontakt aufzunehmen, wirken die meist jungen Menschen, die mir hier begegnet sind, aufgeschlossen, offen und voller Stolz auf das, was sie bisher erreicht haben. Und das ist viel.
Dass sie es als sozialistisches Land zu einer führenden Tourismusnation in der Karibik gebracht haben, verdient Respekt.
An den schönen Stränden allein kann es nicht liegen. Schon eher am beeindruckenden Selbstbewusstsein einer oft geknechteten Gesellschaft, die sich, fallen gelassen von Moskau und anderen Verbündeten, nie an Amerikas Rockzipfel gehängt hat. Ohne Amis geht’s auch – eine Devise, die Weltverschlechterern wie Trump zum Nachdenken bringen müsste. Schade nur, dass Trumps Stärke nicht im Denken liegt. (Wo eigentlich?)
Die kubanische Psyche zu ergründen, ist eine Herausforderung, der ich mich in einem kurz mal ins iPhone getippten Blogpost nicht stellen möchte. Deshalb seien mir lediglich ein paar Beobachtungen gestattet:
Es gibt pflegeleichtere Tourismus-Destinationen als Kuba. Die schwierige Versorgungslage verlangt in erster Linie natürlich von den Kubanern selbst, aber auch vom Devisen bringenden Besucher einiges ab. Kompromisse sind deshalb unerlässlich. Die zaubern zwar auch keinen Kaffee aufs Zimmer oder einen Duschschlauch ins Bad. Vom zickigen Internet und nicht existenten Fernsehsignal ganz zu schweigen.
Fehlt uns deshalb etwas? Nicht wirklich. Erst recht nicht, wenn dich das Hotelpersonal mit dem entwaffnenden Charme des Karibik-Insulaners von sich aus auf die Missstände hinweist.
Das Essen, viel geschmäht unter Kuba-Touristen, ist besser geworden seit unserem ersten Besuch. Gab es damals noch die Wahl zwischen frittierten Bananen, verkochten Bohnen und halbgarem Reis, wird heute meist ordentliche Hausmannskost serviert.
Ein bisschen herrscht auch schon freie Marktwirtschaft. Cuba Libre auf Sparflamme. In dem Badeort Varadero sind jetzt vereinzelt Privatzimmer zu vermieten, es gibt Bars, Cafés und sogar einen Beatles Club“ – noch vor wenigen Jahren undenkbar.
Überhaupt Varadero: Was vor Jahren noch ein verschlafenes Kaff am Meer war, wird heute von Touristen überschwemmt. Die meisten von ihnen kommen aus Kanada, was nicht nur aus logistischen Gründen naheliegt. Auch ideologisch hat das Land bei den meisten Kubanern mächtig Eindruck gemacht. Kanada gehörte zu den ersten Ländern, die Kuba nach der Revolution helfend unter die Arme gegriffen haben. Das haben selbst junge Kubaner nicht vergessen
„Canada – best country in the world “ sagt der junge Dosensammler am staubigen Straßenrand. „Trump no good!“ Und natürlich sei er ein Fan von Justin Trudeau.
Wer kommt überhaupt nach Kuba, wo doch die Welt voll ist von wunderbaren Plätzen? Für Sozialromantiker hat Kuba als Urlaubsziel jedenfalls ausgedient.
Wer auf den Geist von Fidel Castro hofft, der Zigarren rauchend mit Ché Guevera diskutiert und von einem Daquiri trinkenden Hemingway unterbrochen wird, darf weiter träumen.
Wer den morbiden Charme einer einst blühenden Karibikperle bestaunen möchte, hätte früher aufstehen müssen.
Wer Luxus pur sucht, ist in Kuba ebenso fehl am Platz wie der Tourist, dem es immer nur ums gute Essen geht.
Fakt ist: Kuba ist inzwischen im Massentourismus angekommen – ohne sich dabei gänzlich untreu geworden zu sein. Doch es gibt zwei Währungen im Land: Eine für die Kubaner, eine andere für Touristen. Real existierender Sozialismus sieht anders aus.
Alles in allem also eine Mischung, die es in dieser Art wohl nur noch selten in der Welt gibt.
Allein schon deshalb ist Kuba immer wieder einen Besuch wert.