JAKOBSWEG, Tag 39 – 17 Kilometer von Melide nach Arzúa.
FÜR GÜNTHER
Wir widmen jeden Tag unserer Pilgerreise einem Menschen, der uns viel bedeutet hat, aber nicht mehr unter uns weilt.
Spanien, das wir seit genau 39 Tagen zu Fuß durchqueren, hat in meinem Leben schon immer eine Rolle gespielt. Treue BlogleserInnen kennen die Geschichte natürlich: Als Fünfzehnjähriger bin ich von Ummendorf nach Spanien getrampt, um ein Au-pair-Mädchen wieder zu sehen, in das ich mich unsterblich verliebt hatte.
Die erste Liebe meines Lebens wohnte übrigens nicht weit von hier, in einem Dorf in Galicien.
Auch damals war ich wochenlang mit Rucksack und Schlafsack unterwegs – per Anhalter, aber auch zu Fuß. Immer mit dabei: Meine Gitarre. In vielen Dörfern und Städten spielte ich auf der Straße, um so meine Reise zu finanzieren.
Ein halbes Jahrhundert später habe ich mich vor fünf Jahren in Spanien erneut verliebt – diesmal ins Wandern.
Die ersten Gehversuche in Wanderstiefeln machte der Montréaler Stadt-Boulevardier im Tramuntana-Gebirge auf Mallorca, wo wir zehn Winter hintereinander verbracht haben.
Dass ich als Siebzigjähriger dieser Leidenschaft erneut in Spanien nachgehen darf – diesmal mit der Liebe meines Lebens -, betrachte ich als großes Geschenk. Ich werde Lore für immer dankbar sein, dass sie mich ermutigt hat, mit ihr auf dem Jakobsweg zu pilgern.
Auch unser Sohn Cassian war in diesem Zusammenhang ein großartiger Motivator. Er hatte uns so lange vom Camino vorgeschwärmt, bis wir vorigen Herbst mit der Planung begannen.
Cassian selbst war vor sechs Jahren genau dieselbe Strecke gewandert, die wir am Dienstag in Santiago abschließen werden.
Die hochsommerlichen Temperaturen heute waren genau das, was wir als Motivationsschub für die letzten Kilometer nach Santiago brauchen. Nach den kalten Regentagen fühlte sich die heiße Sonne an wie ein Booster für zwei müde Krieger.
Spanien zeigte sich heute von seiner Schokoladenseite. Kurz vor Schluss wurden wir noch mit einer traumhaft schönen Landschaft verwöhnt. Vor allem aber war es ein Genuss, sich endlich wieder die Sonne auf die Haut brennen zu lassen.
Und auch ein Wiedersehen gab es heute. Vicky aus Hamburg, Mitte 30, war uns vor etwa einer Woche in einem katastrophalen Zustand in einem Bergdorf begegnet. Ihre Füße wund, das Gesicht vom Schmerz gezeichnet. Vicky war in Flipflops unterwegs. Die Wanderschuhe konnte sie damals wegen der Wasserblasen nicht mehr tragen.
Und heute? Strahlte sie übers ganze Gesicht. Sie hatte sich zwischenzeitlich in den Bergen eine zweitägige Ruhepause gegönnt. Den Nagel des geschundenen kleinen Zehs hatte sie – selbst ist die Chirurgin – im Hauruckverfahren entfernt. Wundsalbe drauf, ausruhen. Und weiter ging’s.
Einen Wanderpartner hat Vicky in der Zwischenzeit auch gefunden, einen kernigen Kerl aus Bayern.
Wir saßen am Nachmittag zusammen in der Sonne bei Tonic und Bocadillos und talkten Camino-Talk. Irgendwann kamen wir auf das Thema „Jeder weint zumindest einmal auf dem Camino“ zu sprechen.
Er auch?, wollte ich von Vickys neuem Mitwanderer wissen. Hatte er auch schon seinen Wein-Moment?
„Klar“, sagte der. „Als der FC Bayern neulich verlor, flossen die Tränen“.
So beweint eben jeder den Camino auf seine Art
Noch zweimal schlafen und wir treffen in Santiago ein. Es wird ein bewegender Moment für uns werden. Ob’s Tränen gibt, erfährt meine Blogfamilie natürlich zuerst. Versprochen.
Bis dahin schicken wir trockenen Auges herzliche Pilgergrüße in die weite Welt hinaus und sagen:
Buen Camino aus Arzúa!
(Übrigens: Einen kleinen Roman über meine erste Spanien-Reise gibt’s als eBook bei Amazon: DAS GIBT SICH BIS 1970)
Tolle Fotos.
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You are so right, Jennifer. Bittersweet is the word that best describes this part of our journey.
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Wow! Just 2 more nights on the Camino…well done! Warm sunny weather, bright blue skies, & breathtaking scenery wrap you in a welcoming embrace as your pilgrimage approaches its conclusion. How bittersweet I imagine it will be💕
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Wir gratulieren Euch schon mal zur Bewältigung der Strecke bis hierher. Der Einzug nach Santiago wird etwas ganz Besonderes, da bin ich sicher. Lachen und Weinen liegen da sicher dicht beieinander. Für die beiden Spaziergänge bis Dienstag wünschen wir Euch Frohsinn, Sonne und Lebenslust! Wir sind gespannt auf Eure Erfahrungen!
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