Wildes, weites Andalusien

4. TAG – 20 Kilometer von Almadén de la Plata nach El Real de la Jara

Glutäugige Flamenco-Tänzerinnen vor jeder Bar. Stolze Caballeros an runden Tischen mit bunten Blumensträußen und schwerem Wein. Und natürlich Sonne pur. So hatte sich Klein-Herbert immer Andalusien vorgestellt. Und jetzt?

Die einzige Spanierin, die mir begegnet, ist eher rundlich und strohblond. Sie serviert den Frühstückstoast in der Bar. Frische Bocadillos hat sie keine. Ein Brötchen von gestern könne sie uns anbieten, mit einer Scheibe Käse drauf. Nehmen wir.

Den stolzen Caballero denken wir uns einfach schön. Der zahnlose Kerl, der uns auf dem Weg zur Bar anbettelt, kann es nicht gewesen sein.

Andalusien ist weit, wild und anstrengend. Zumindest für zwei Pilger um die 70, die sich diese Wanderung viel, viel einfacher vorgestellt hatten. Und auch abwechslungsreicher.

Schön ist es schon, keine Frage: Steineichenwälder so weit das Auge reicht. Lavendel und Felsrosen. Und Margeriten ohne Ende. Hier mal ein schwarzes Iberico-Schwein, das später zu Schinken verarbeitet wird. Da mal eine Kuhherde oder auch Schafe, Ziegen und Pferde. Bellende Hunde, streunende Katzen.

Aber auch heute wieder: Keine Bar zwischen Start und Ziel, keine Kirche, keine Kneipe.

Ob hier auch irgendwelche Menschen leben? Wenn ja: Sie lassen sich nicht blicken.

Irgendwann stoßen wir auf Frans, den lustigen Holländer von gestern und vorgestern. Frans, ein kleiner drahtiger Kerl von 70 Jahren, ist geschafft. Er hat schon ein paar Caminos hinter sich. Dieser hier, die Via de la Plata, findet er bis zur Erschöpfung ermüdend und anstrengend.

Später, am Ende der Tagesetappe in der Bar, treffen wir ihn wieder. Seine Tischnachbarin ist eine Pilgerin aus Brasilien. Sie schafft es gerade noch, sich vom Esstisch zu erheben. Dann verabschiedet sie sich mit einem müden Lächeln. Sie müsse sich hinlegen, sagt sie. Viel älter als dreißig ist sie nicht.

Wir sind froh, eine sehr bescheidene Pension gefunden zu haben. Sie liegt direkt an der Haupstraße des Dorfes. Eben zieht ein Karnevalsumzug vorbei. Der Polizist am Ende der Parade schaut grimmig drein.

Das Bad teilen wir uns mit der Vermieterin sowie Pilgern aus Berlin, Brasilien und Luxemburg . Es gibt keine Heizung hier und es ist kalt geworden.

Dieser Camino schafft uns. Auch Stefan, ein fitter Kerl aus Berlin, sagt, ihm fehle ein wenig die Abwechslung.

Morgen fährt er mit dem Bus wieder in den Süden, nach Cádiz. Ein paar Tage später nach Madrid. Ob wir uns später noch in der Bar treffen wollen, fragt er. Geht klar.

Und wir so? Keine Ahnung. Gut möglich, dass wir von hier aus noch auf einen anderen Camino umsteigen. Der „Camino Primitivo“ soll sehr reizvoll sein, sagt Stefan. Er startet im Norden von Galicien und mündet irgendwo in den Jakobsweg, unseren geliebten Camino Frances.

Die Via de la Plata, mit der wir so unsere Probleme haben, ist sicher eine tolle Strecke für Sport-Wanderer, denen es nichts ausmacht, einen Kilometer nach dem anderen abzusprinten.

Wir sind keine Sport-Wanderer. Wir sind Genuss-Wanderer, die sich gern in der frischen Luft bewegen und die gerne in der einen oder anderen Bar verhocken.

Wem Vino wichtiger ist als Wandern, wer schnuckelige Dörfer mehr liebt als lange Durststrecken, ist auf der Via de la Plata vielleicht doch nicht so richtig gut aufgehoben.

Wir haben die Wahl. Und wir haben Zeit. Wir haben also den Luxus, uns immer noch anders entscheiden zu können.

Wir haben gut gegessen und getrunken. . Im Pilgerteller blieb kein Reiskorn übrig. Der Kellner strahlt.

In diesem Sinne schicken auch wir strahlende, aber leicht unentschlossene Grüße in die weite Blogwelt hinaus und sagen BUEN CAMINO aus El Real de la Jara in der Tiefe von Andalusien.