Es ist Sommer geworden in Montreal und die Welt sieht mit jedem Tag ein bisschen freundlicher aus. An Tagen wie diesen findet man mich in der Regel in der Altstadt. Drunten, am Hafen, wo der Place Jacques Cartier den Blick auf den Sankt-Lorenz-Strom freigibt. Wo Straßenmusiker, Zauberer und Feuerschlucker die Massen von Touristen in ihren Bann ziehen. Heute? Gähnende Leere.
Es hat etwas gedauert, bis ich mich zu dieser kurzen Fahrradtour aufraffen konnte. Der Weg führt am Lachine Canal vorbei und damit an einer der meist besuchten Grünflächen der Stadt.
Montreal gilt als das Corona-Epizentrum Kanadas. Keine Stadt hat mehr Tote zu beklagen als die Stadt meines Herzens. Mit über 70 will man ohne Not kein Risiko eingehen.
Also heißt es: Vorsicht! Nicht alle tragen Schutzmasken um Mund und Nase. Auch das „social distancing“ nehmen nicht mehr alle so genau wie noch vor drei, vier Wochen. Ich war auf das Schlimmste vorbereitet.
Und dann die Überraschung: Wo ich an diesem warmen Samstagnachmittag Massen von Menschen erwartet hatte, herrschte gähnende Leere.
Die Terrassen, auf denen gewöhnlich um diese Jahreszeit Touristen und Einheimische sitzen, um sehen und gesehen zu werden, sind noch immer geschlossen.
Wo sonst Hummer und Häppchen verspeist werden, hängen „Fermé„-Schilder. Und dort, wo sonst meine Freunde, die Gaukler, auftreten, spielen heute nicht einmal Kinder mit den Leuchtgirlanden, die ihre Eltern zuvor bei irgendwelchen Straßenverkäufern erstanden hatten.
Die Altstadt ist tot. Selbst ein paar bunte Hocker, die „Mademoiselle Cathérine“ liebevoll vor ihre kleine Café-Bar gestellt hat, bleiben leer.
Unten, am Ufer des Sankt-Lorenz-Stroms. tummeln sich noch immer ein paar unverdrossene Whale-Watcher, die darauf hoffen, den Buckelwal zu sehen, der sich vor einer Woche in den Montrealer Hafen verirrt hatte und sich wohl noch immer dort aufhält.
Auf dem Heimweg höre ich von weitem einen Straßenmusiker. Ich kenne ihn nicht, er scheint neu zu sein. Dafür kommt mir der Beatles-Song bekannt vor, den er auf seiner Gitarre zum Besten gibt: „Eleanor Rigby„.
Der Refrain passt zur Stimmung: „Ah, look at all the lonely people …“
Thanks so much!
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Love the narrative and the pics…
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Im Moment dürfen US-Amerikaner nur dann nach Kanada einreisen, wenn ein systemrelevanter Zweck dahinter steckt. Das soll sich aber bald ändern.
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Krass… so ganz ohne Touristen ist ist die Stadt dann schnell leer. Wie ist es eigentlich, dürfen US Amerikaner nach Kanada einreisen?
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