Knuddeln auf Kanadisch

„Bass ID“ heißt das Kanu, das Doug und Marjo gestern zu Wasser ließen.

„Canoodling“ nennen Kanadier liebevoll eine zärtliche Geste zwischen zwei meist jungen Menschen. Soviel wusste ich bereits. Dass „Canoodling“ aber auf das deutsche „Knuddeln“ zurückgeht, habe ich gestern gelernt. Mein Kumpel Doug hat mir in drei Stunden mehr über Kanus und Canoodling erzählt als ich mir in 40 Jahren Kanada an Bootswissen angeeignet hatte.

Wenn es um fahrbare Untersätze geht, war Doug für mich schon immer der King of Kotlett. Neben seinem Job als hochseriöser Redakteur war er jahrelang Autotester der Montreal Gazette.

Sein jüngstes Baby ist eine alte Dame. Vor fast 90 Jahren wurde das Kanu gebaut, das er gestern zu Wasser ließ.

Die “Bass ID” ist ein feines Flussgefährt aus der erlauchten Serie bekannter kanadischer Kanubauer, die ihren Sitz damals in Peterborough hatten. Vielleicht nicht ohne Zufall, denn genau dort, vor den Toren Torontos, ist Doug aufgewachsen.

Seine “Bass ID”, benannt nach „Bass Island“, eine Cottage-Gegend, in der Doug als Kind viel Zeit verbrachte, hat er jetzt von einem älteren Herrn am Südufer von Montreal erstanden. Dem Senior war die schlanke Schönheit schlicht zu anstrengend geworden. Doug wird gut für sie sorgen.

Jetzt, da auch er das ist, was man so einen Rentner nennt, kann er seinem eigentlichen Hobby frönen: Booten.

Es gibt wenig, das kanadischer ist als eine Kanu-Taufe. Wir waren an diesem herrlichen Sommernachmittag am Lac Dufresne dabei und haben mit Doug und Marjolaine nicht nur die diversen Kaltgetränke geteilt, die zu so einem Stapellauf gehören. Wir durften uns auch an den zahllosen Anekdoten erfreuen, die der frischgebackene Bootseigner später dann beim Grillen in seiner Cottage zum Besten gab.

Zum Beispiel die hier:

„Canoodling“ hatte seine Hoch-Zeit, als es als intimen Zufluchtsort für zwei Verliebte weder das Autokino gab, noch den Rücksitz von Papas Chevy,

Zum Knuddeln stieg man ins Kanu, setzte in Sichtweite der besorgten Eltern noch gekonnt den jedem Kanuten geläufigen J-Stroke ein und kam sich, als das Ufer dann endlich außer Sichtweite war, auf einem der zwei geflochtenen Sitze zum Tête-à-tê näher als es Teenagern seinerzeit erlaubt war. Dass Kanus dieser Art noch heute „girling canoes“ heißen, sagt viel über die Bedeutung der schwimmenden Schiffschaukeln aus.

Dougs “Bass ID” ist ein Klassiker mit Verstrebungen aus Zedernholz, einem Rumpf aus geleimtem Rupfen und (nachträglich verwendetem) Glasfaser. Tatsächlich verfügt sein Knuddel-Kanu noch über zwei dieser verstellbaren Rückenlehnen, die akrobatisch talentierten Menschen das Liebesspiel erlauben. Theoretisch.

Doug, dies nur am Rande, gehört schon aus anatomischen Gründen eher nicht zu diesem erlauchten Kreis, verfügt jedoch über ein beeindruckendes Fachwissen darüber, was möglich wäre, wenn.

So sehr hat sich das Kanu als erotische Begegnungsstätte zweier Menschen in das kanadische Bewusstsein eingeschlichen, dass Pierre Berton, einer der herausragenden Historiker des Landes, einmal den Satz prägte:

“A Canadian is someone who knows how to make love in a canoe.”

Womit wir wieder beim knuddeligen Canoodling wären.

Das Kunstwerk: Bootseigner Doug.
Zargen aus Zeder, Sitz mit verstellbarer Rückenlehne.
Letzte Inspektion vor dem Stapellauf.
Und schließlich die Tauffeier mit Blick auf den See.

4 Gedanken zu „Knuddeln auf Kanadisch

  1. Danke, lieber Rudolfo. Sehr schön, deine Erinnerungen. Was die Taufe betrifft: Ich glaube, das Kanu war bisher namenlos. Doug hat ihm im reifen Alter von fast 60 noch einen Namen gegeben. „Bass ID“ bezieht sich uebrigens auf „Bass Island“. Dort hat Doug in seiner Jugend die ersten Cottage-Erfahrungen gemacht. Liebe Gruesse vom See auf die schoenste Insel der Welt!

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  2. Hallihallo .🙋‍♂️sure an interesting post ! Ich lese Taufe ? Hat es denn einen Namenswechsel gegeben ? Alle meine Britishen Bootsbesitzer behaupten ,das wäre ein ‘No No’ ? Ein sehr aufwendiges Ritual wäre erforderlich um den Wechsel zu ermöglichen !? Andere Länder andere Sitten !?
    Es weckt für mich auch heute noch ganz tolle Kanada Erinnerungen : wir hatten vor 50 Jahren ein indianisches birchwood canoe. Es kam hauptsächlich zum Einsatz, wenn der Westriver über seine Ufer trat. Hochwasser ❗️
    Es brachte uns des Öfteren ,trockenen Fußes ,von Pinehill aus zu unserem Blockhaus am / im Fluss !
    Wir fühlten uns jedenfalls wie die geboren Trapper und Fallensteller !
    Upstate New York hatte ich später ein neueres Modell (tolles grün + Maple leaf ) Es kam auf den See‘n im Bear Mountain State Park zum Einsatz ! Gelagert wurde es hängend von der Garagendecke ! Meistens äugten ein paar Waschbären über den hellen Bootsrand ,um zu gucken was da unten vorging ! Ein echt schöner Anblick !
    Ein Hoch auf Kanada – aber besonders Quebec und seine Bewohner ❗️ Liebe Grüße an die Bootsgemeinschaften !
    Health and Happiness ❗️XXR..🌴🛶

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