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Über Herbert Bopp

Deutscher Journalist bloggt aus Kanada. Lebt in Montréal, auf Mallorca und im Internet. Mag Kommentare am liebsten per Mail: bloghausmail@herbertbopp.com

Geschmeidig durch den Winter

Noch benimmt sich der kanadische Winter manierlich. Aber schon jetzt steht fest: So wird das nichts mit meinem kleinen, feinen Ultraleicht-Rollator. Also musste ein neuer her: wieder von der dänischen Firma Acre, wieder so leicht wie möglich. Aber diesmal ist es die härtere Version. Eben habe ich die erste Testfahrt mit dem Acre Carbon Overland Rollator hinter mir. Ergebnis: passt!

Der federleichte Acre Carbon Ultralight Rollator, den ich mir vor etwas mehr als einem Jahr angeschafft hatte, ist ein echter Hingucker. Mit weniger als fünf Kilo Eigengewicht und Hartgummireifen mit 20 Zentimetern Durchmesser war er perfekt für den Montrealer Sommer. Ansprechend im Design, funktional in der Anwendung, leicht genug, um ihn kurz zusammenzufalten und am Griff in die Metro zu tragen – so hatte ich mir die Gehhilfe vorgestellt. Mehr noch: So leicht ist dieser Rollator, dass ich ihn sogar auf dem Leihfahrrad transportieren kann.

Doch schon mit dem ersten Schnee war klar: Der schicke Kleine eignet sich nicht für den kanadischen Winter. Also wurden digitale Kataloge gewälzt. Das Angebot an Rollatoren ist riesig. Vom bulligen Riesenrad-Rollator bis zum rollstuhlähnlichen Krankenfahrzeug mit Gehhilfe – nichts, was es nicht gibt.

Bei unserem Besuch in Winnipeg neulich bot sich sogar eine Probefahrt mit dem Overland an.

Design und Leichtgewicht haben ihren Preis: Der Acre Carbon Overland gilt mit seinen sieben Kilo Lebendgewicht als leichtester Gelände-Rollator der Welt. Mit seinen gut 1000 Dollar ist er allerdings auch doppelt bis dreimal so teuer wie die wesentlich schwerere Konkurrenz. Die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen, aber der kanadische Winter ist lang.

Motto: Wenn schon kein Ferrari in der Garage, dann wenigstens einen Rollator-Porsche im Schrank.

Links der „Overland“, rechts der „Ultralight“: Schick und geschmeidig durch den Winter.

Guten Morgen, böser Winter!

Heute früh in St. Henri: Old Man Winter ist da!

Da ist er wieder: der böse, verhasste, geliebte, ersehnte, verdammte Winter. Der erste heftige Schneefall des Jahres hat viele hier kalt erwischt. Dabei war er schon vor Tagen angekündigt worden. Aber was nicht sein darf, kann nicht sein. Doch, es kann sein, und es ist so: Winterbeginn in Kanada.

Dabei war es vor ein paar Tagen noch mollig warm, die Radler kurvten am Kanal entlang, selbst einige Straßencafés waren noch geöffnet. Damit ist seit heute früh Schluss: Schnee, Eis und noch mehr Schnee.

Die Folge: Stromausfall für Hunderttausende (wir sind bisher nicht dabei!), weil die meisten Bäume noch dicke Blätter tragen. Die Äste knicken unter der Schneelast zusammen und legen sich auf Elektroleitungen, die in vielen Teilen der Stadt noch immer über der Erde verlaufen – das perfekte Rezept für „power outages“.

Poppys erster Schnee!

Mit Winter kennen sich Kanadier eigentlich aus. Und doch waren nicht alle auf den plötzlichen Schneefall vorbereitet. Laut Gesetz müssen hier Winterreifen spätestens am 1. Dezember aufgezogen sein. Viele warten bis auf den letzten Drücker – jetzt rächt es sich, nicht schon früher einen Termin in der Werkstatt gemacht zu haben.

Allan, der Schrauber meines Herzens, war weitsichtig genug, mich rechtzeitig auf den Wintereinbruch vorzubereiten. „Komm vorbei“, rief er mich neulich an, „dann musst du dich nicht mit den anderen in die Schlange stellen, wenn es schon zu spät ist.“ Danke, Allan!

Viele Kanadier lieben ihren Winter. „We are winter people“, sagt Monsieur Bertrand vom Lac Dufresne, wenn man sich bei ihm mal wieder über Eis und Schnee ausheult. Im Winter rücken die Menschen näher zusammen, heißt es. Mag sein, aber noch näher geht nicht. Im Winter geht man Skifahren, Eishockey spielen und Schlittschulaufen. Mag auch sein, aber heute sehe ich mir Wintersport lieber im Fernseher an.

Meine ersten Winter in Kanada waren wild, besonders während meiner Zeit in Winnipeg. Sie waren hart, exotisch und hatten einen hohen Gesprächswert. Heute ist die Exotik verblasst, meine Wintergeschichten braucht keiner mehr.

Mallorca wo bist du, wenn man dich am meisten braucht?

Downtown Montreal am 11. November 2025 (Screenshot CTV)
Nachbarschaftshilfe made in Montreal. (Screenshot LaPresse)

Unser 29. Thanksgiving-Dinner

Traditionen sollten gepflegt werden. Eine von ihnen ist uns besonders wichtig: das jährliche Thanksgiving-Dinner mit unseren Freunden Marjolaine und Doug. Gestern war es wieder soweit – fast einen Monat nach dem kanadischen Erntedankfest.

Die Verspätung hatte gute und weniger gute Gründe. Die guten: Doug und Marjo waren in Peru unterwegs. Die weniger guten: Auf ihrer Reise hatten sie sich einen Infekt zugezogen. Den sollte man bei aller Liebe dann doch nicht mit seinen Freunden teilen.

Das Essen selbst läuft immer nach demselben Muster ab: Vorspeisen, gefüllter Turkey, Kartoffelpüree und Squash, ein kürbisähnliches Gemüse. Dazu Cranberries und peruanischer Spargel. Für die Nachspeise sorgte dieses Mal Cassian: Kürbiskuchen, stilecht aus dem Backofen seiner Farm, frisch auf den Tisch in der großen Stadt.

Das gemeinsame Thanksgiving-Dinner fand jetzt schon zum 29. Mal statt. Diesmal gab es eine Premiere: „Poppy“ war Teil der Festgemeinde. Die Kleine zeigte sich mit ihren gerade mal 5 Monaten von ihrer besten Hundeseite – wohl ahnend, dass vielleicht auch sie künftig zur Thanksgiving-Tradition gehört, wenn sie sich anständig benimmt.

Mission accomplished!

Eine ganze Seite UBER-Stories

„Fährst du eigentlich noch Uber?“ Kaum eine Frage höre ich öfter als diese. Die Antwort: Nein, ich fahre keine fremden Menschen mehr durch die Millionenstadt Montreal. Nach gut 1000 Passagieren mit fast ebenso vielen Geschichten war Schluss. Eigentlich sollte daraus ein Buch werden, aber dann kam das richtige Leben dazwischen: ein Krankenhausaufenthalt, in der Folge nachlassende Konzentration. Sicherheitsbedenken. Das war’s dann mit meiner Uber-Karriere. Die Erinnerungen bleiben. Damit auch Sie hin und wieder in meinen Uber-Stories blättern können, habe ich einige von ihnen noch einmal auf einer Seite zusammengefasst. Sie finden Sie oben im Menü, unter dem Bannerfoto.

Und siehe da: Es wurde Licht

Dichtender Schiller mit duftenden Äpfeln – eine Auftragsmalerei von ChatGPT

Zehn Stunden kein Wasser, 24 Stunden kein Strom – aber wir leben noch! Wer genau schuld an der Panne ist, bleibt das Geheimnis der Baggerfahrer und Buddler, die uns vermutlich die Chause eingebrockt haben. Rechtzeitig zum Einbruch der Dunkelheit war der Strom wieder da. Eine Bilanz:

Mein Anruf beim Stromversorger heute Morgen um 4:30 Uhr endete unbefriedigend. Gerade als der freundliche Kundenberater beginnen wollte, mir mit der Langmut, die an den Verfasser des „Hundertjährigen Kalenders“ erinnert, den Sachverhalt zu erklären, machte die Handy-Batterie schlapp.

Die konnte übrigens – dank Lores genialem Geistesblitz aus der Ferne – an einer ganz bestimmten Steckdose, die wohl auch bei Stromausfall im Flur funktioniert, geladen werden.

Und da die Goldgrube erst einmal gefunden war, schloss ich gleich noch die Nespresso-Maschine an und lud die Damen auf unserem Stock – ja, es sind ausschließlichh Damen – morgens um sieben zum Kaffeekränzchen ein.

An der Dunkelheit im kalten Apartment änderte das allerdings nichts. Statt das Martyrium in den eigenen vier Wänden auszusitzen, die zusehends kühler wurden, ging es fast den ganzen Tag in die wohl temperierte Montrealer Underground City. In der Stadt unter der Stadt gibt es hunderte Geschäfte, Restaurants, Kinos, Arztpraxen und sogar Zugang zu Kirchen und Fünf-Sterne-Hotels. Und Steckdosen, um den Akku des Handys wieder auf Vordermann zu bringen!

Ganz so pragmatisch denkt mein kluger Freund Peter nicht. Dr. Peter, den mein kaum weniger kluger Freund Frank einmal als „den letzten noch lebenden Universalgelehrten“ bezeichnete, schickte mir akademische „Halte-durch!“-Grüße – nicht ohne dabei in seine üppig gefüllte Schatzkiste literarischer Weisheiten zu greifen.

Die möchte ich hiermit, ohne ausdrückliche freundliche Genehmigung des Verfassers, weitergeben:

„Wo bleibt das Licht in der Finsternis, das uns die Bibel verspricht? Wohl nicht aus dem Osten, wo es traditionellerweise herkommen sollte. Das gibt eine Idee, wie unsere großen Dichter anno dazumal gearbeitet haben: mit einer Funzel, dicker Jacke, denn geheizt wurde sicher nur im Wohnzimmer. Um nicht völlig abzuschlaffen, ließ sich Schiller immer von einer Schale frisch duftender Äpfel inspirieren. Und der Weimarer Meister trabte auf und ab durch sein Arbeitszimmer und diktierte dabei seinem Sekretär, mit und ohne Kerzenlicht. Und wer spitzte die Federn an? Wie kriegte man die Tintenflecke an den Fingern weg? Gab es schon Notizblöcke & Zettelkästen?“

„Wäre doch mal ein Thema für dich“, frotzelt der Universalgelehrte noch in die Dunkelheit hinein, „schließlich wolltest du doch immer mal promovieren.“

Promovieren sicher nicht – aber aufschreiben will ich, was ist und was war. Das sei hiermit geschehen.