Es gibt Fotos, auf die ist man hinterher nicht sonderlich stolz. Manche sind grottig aufgenommen, andere erinnern einen an Zeiten, die man gerne vergessen würde. Wieder andere sind schlicht dämlich. Oder peinlich. Ich hatte bis vor ein paar Tagen ein Foto auf meiner Festplatte, auf das all dies zutrifft. Es ist ein Foto, das mich im Dunstkreis von George W. Bush zeigt. Ich habe es gelöscht.

Anti-Bush-Demo in Ottawa
Eigentlich wollte ich mich von diesem Bild schon lange trennen. Aber jedes Mal, wenn ich auf die Löschtaste zusteuerte, machte ich dann doch wieder einen Rückzieher. Diesmal nicht. Die Nähe dieses Menschens ertrage ich mittlerweile nicht einmal mehr digital. Ausschlaggebend für den Sinneswandel ist ein Interview, das ich vor ein paar Tagen auf irgend einem amerikanischen Knallsender sah. Bush verteidigte – zehn Jahre nach Nine-Eleven – noch immer den Einmarsch im Irak. Und zwar mit einer Vehemenz, die mich fassungslos machte. Wie können Menschen so verbohrt sein, so unbelehrbar. Und irgendwo auch so dümmlich?

Presse-Akkreditierung
Das Foto, das jetzt im Mülleimer meiner Geschichte liegt, hatte ein befreundeter Kollege gemacht. Mehr aus Jux, während Bushs Staatsbesuch in Ottawa. Ich hatte damals für den Deutschlandfunk über das Ereignis berichtet. George W. war gerade dabei, im Foyer des Parlaments das Gästebuch zu unterzeichnen, als ich zusammen mit einigen anderen Reportern in seiner unmittelbaren Nähe stand. Das war am 30. November 2004. Dass dies, drei Jahre nach 9/11, aus Sicherheitsgründen überhaupt möglich war, wundert mich noch heute. Was mich damals total störte: Bei der Pressekonferenz konnten immer zuerst die US-Kolleginnen und -Kollegen Fragen stellen. Blieb dann innerhalb des vorgesteckten Rahmens noch Zeit, wurden gnädigerweise auch Kanadier erhört, oder sogar eurpäische Journalisten wie ich.
Zehn Jahre nach Nine-Eleven ist er wieder in aller Munde

Neck-Attack
Wenn ich mich ausgerechnet jetzt an diesen Tag erinnere, hat das damit zu tun, dass George W. Bush zehn Jahre nach Nine-Eleven wieder in aller Munde ist. Rechtzeitig zum Jahrestag haben sie den kalten Krieger wieder ausgegraben: Die CNN’s, die ABC’s, die NBC’s und CBS’s und wie sie alle heißen. Natürlich auch die Foxens, Bush’s damaliger Leib- und Magensender. Für die Politik von George Bush hatte und habe ich nichts als Abscheu übrig. Mehr will ich auch gar nicht dazu sagen. Ich muss aber gestehen, und es ist mir etwas peinlich, dies zuzugeben, dass mir der Mensch Bush damals nicht unsympathisch war, als ich ihn für einige Stunden in Ottawa erlebte. Neben der eher spröden Condoleezza Rice wirkte Bush witzig und charmant. Ich erinnere mich, wie er nach der Pressekonferenz einer Kollegin in den Mantel helfen wollte, bis ihn ein Sicherheitsbeamter dabei unterbrach. Spontane Aktionen wie diese kamen ja bei George Bush öfter mal vor. Das Foto, auf dem er Angela Merkel ungebeten eine Nackenmassage verpasst, ging damals um die Welt.
Kanadas Nachbar im Süden: Laut und ungeschliffen

So sehen Verlierer aus
Kanada hatte nie viel für George W. Bush übrig. Der Nachbar im Süden war den meisten Kanadiern zu laut und zu ungeschliffen, von seiner Gefährlichkeit als Kriegstreiber mal ganz abgesehen. So war es auch nicht verwunderlich, dass in den Straßen von Ottawa anlässlich des Staatsbesuchs mehr als 15-tausend Menschen gegen den Präsidenten demonstrierten. Und während draußen Bush-Puppen verbrannt wurden, fragte ein Kollege den Präsidenten bei der Pressekonferenz, wie er denn so den Empfang in Kanada empfunden habe. Die Antwort ließ viele im Raum schmunzeln. Mich auch. Zitat:
„I want to thank the Canadian people who came out to wave — with all five fingers — for their hospitality“.
Er wolle sich bei der kanadischen Bevölkerung für ihre Gastfreundschaft bedanken. Vor allem bei denen, die ihm zugewinkt hätten – „und zwar mit allen fünf Fingern.“
Wenn das kein toller Empfang ist: Kein Stinkefinger für George Bush!