Kanadas Indianer in Not

Kanadas Ureinwohner sind arme Schweine. Ich schreibe das jetzt einfach mal so pauschal, weil ich in diesem Blog nicht als Journalist unterwegs bin, sondern als ganz gewöhnlicher Beobachter des kanadischen Alltags. Die Regierung in Ottawa sollte sich schämen, ein Volk ständig mit Millionen abzuspeisen und dann nicht den Arsch in der Hose zu haben und zu sagen: „Irgendetwas läuft hier total daneben. Wir sollten endlich aufhören mit dieser Almosen-Politik!“

Seitdem ich in Kanada bin, höre ich ständig: Indianer sind dumm und faul und saufen sich zu Tode. Mag sein, dass man zu diesem Schluss kommen kann, wenn man sich rein auf die Statistik stützt. Aber das richtige Leben spielt sich nicht in den Beamtenstuben ab, sondern in den Reservaten, in denen Kanadas Ureinwohner zum Teil unter erbärmlichen Bedingungen leben. Nicht weil sie dumm, faul und alkoholabhängig sind. Sondern weil Politiker noch immer glauben, mit Geld lasse sich jedes Problem lösen.

Leben in provisorischen Hütten und Plastikzelten

Jüngstes Beispiel: Attawapiskat. Das ist ein Indianerreservat im Norden von Ontario, ca. 800 Kilometer nordwestlich von Montréal. Die meisten der 2000 Omushkego James Bay Cree-Indianer leben dort unter erbärmlichen Bedingungen. Einem CBC-Bericht zufolge wohnen 90 Prozent der Ureinwohner in provisorischen Hütten oder gar Plastikzelten, die gar nicht oder nur unzureichend beheizt werden können. Ihre ursprünglichen Häuser waren vor zwei Jahren bei einer Umweltkatastrophe zerstört worden.

Viele der Kinder sind krank. Die meisten leiden unter chronischen Hautausschlägen. Ihr Schulhaus ist eine provisorische Baracke. Sie wurde nach dem Umweltunfall just an der Stelle errichtet, an der massenweise Dieselöl ausgelaufen war.

Unfassbar: Das Rote Kreuz hilft in Kanada

Jetzt sah sich das Rote Kreuz gezwungen, einzuschreiten. In Kanada. Einem der reichsten Länder der Welt. Unfassbar. Jetzt strömen sie plötzlich alle in den Norden: Politiker, Menschenrechtler, Mediziner. Und natürlich bringen sie körbeweise Geld mit. Vor allem die Politiker.

Money, money, money: 80 Millionen Dollar für 2000 Menschen

Es ist ja auch eine verdammt schwierige Geschichte. Seit 2006 hat der Staat 80 Millionen Dollar an die Attawapiskat-First Nations bezahlt. Für 2000 Menschen. Irgendetwas stimmt hier nicht. Der Chief des Reservats behauptet: Das Geld sei für das tägliche Leben draufgegangen. Für infrastrukturelle Maßnahmen blieb nichts übrig. Die Arbeitslosenquote dort oben beträgt fast 100 Prozent. Mit Geld kommt die Politik offensichtlich nicht weiter.

Indianer-Unerhkunft in Attawapiskat - Foto: CBC

Ich war als Reporter in einem Indianerreservat im Norden von Manitoba. Dort hatten Ureinwohner-Kids gerade ein fast neues Fertighaus kurz und klein geschlagen und daraus Feuerholz gemacht. Das Fertighaus war eines von Dutzenden, die von der Regierung finanziert und unter extrem schwierigen Umständen hin transportiert worden waren. Es gibt keine Zufahrtswege zu vielen Reservaten. Der Transport ist nur im Winter möglich. Über zugefrorene Flüsse und Seen, die als Eisstraßen dienen.

In einem Indianerreservat an der James Bay habe ich Tipis gesehen, an denen Satellitenschüsseln befestigt waren. Die Cree-Indianer konnten zwar Deutsche Welle sehen, wohnten aber in schlecht beheizten Zelten. Ein Teenager im Indianerreservat Waskaganish zeigte mir vor Jahren voller Stolz eine nagelneue Elektrogitarre. Dass er dazu einen Elektro-Verstärker brauchte, hatte ihm keiner gesagt. So spielte er Luftgitarre. Vielleicht auch besser so. Stromausfall gehörte zum Alltag.

Im Geld ausgeben waren unsere Politiker schon immer Weltmeister. Nur: Wenn solche Welten aufeinander prallen, ist Geld nicht mehr als ein lächerliches Pflaster auf eine Wunde, die einfach nicht heilen will.

Trostlos. Fassungslos. Ratlos.

>  CBC-Reportage aus dem Indianerreservat Attawapiskat <  (Sorry, mit Werbung)