Was ist los mit „Cool Canada“?

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Das neueste Umfrage-Ergebnis von Nanos Research. © CTV

Ach, was waren das noch für Zeiten! Du reist in der Welt herum und der Mensch neben dir im Bus gibt dir ein Daumen-hoch, als er die kanadische Flagge auf deinem Rucksack sieht. Lange Zeit gehörte Kanada nicht nur zu den beliebtesten Nationen der Erde. Es galt einfach als cool, Kanadier zu sein.

Natürlich kann sich das Land, das mich vor 35 Jahren adoptiert hat, auch heute noch in der Welt blicken lassen. Nur: Ganz so durch die Rosabrille wie noch vor zehn, zwanzig Jahren sieht man uns nicht mehr. Warum wohl?

Der Imageverlust ist nicht zu leugnen. Doppelt so viele Kanadier wie noch vor zehn Jahren behaupten, das Ansehen des zweitgrößten Landes in der Welt draußen habe gelitten. Schuld daran trägt – nicht nur, aber zu einem großen Teil – die Politik der gegenwärtigen Regierung unter Stephen Harper.

Konservativ zu regieren ist eine Sache. Aber eine rückwärts gerichtete rückständige verlogene unehrliche Politik zu machen, ist wieder etwas anderes. Und genau das ist es, was vor allem jüngere Kanadier abhält, zur Wahl zu gehen. Das Desinteresse ist groß, davon war hier  >> neulich schon mal die Rede <<

So wird der Umweltschutz in dem Land, in dem Greenpeace geboren wurde, von der Regierung Harper sträflich vernachlässigt. Nur ein paar Beispiele von vielen:

  • Der Fischereiakt, der den Fischbestand auf kanadischem Hoheitsgebiet schützen soll: Abgeschafft.
  • Das Gestz zum Schutz vieler Seen und Flüsse: Abgeschafft.
  • Kyoto-Vereinbarung: Unterzeichnet, dann Unterschrift zurückgenommen.

Ähnlich sieht es mit der Kulturpolitik aus. Massenweise Programme, mit denen bisher kulturelle Events in großen und kleinen Städten unterstützt wurden: Abgeschafft.

Filmschaffende kritisieren, dass US-Produktionen in Kanada mehr Unterstützung in Form von Steuererleichterung bekommen als in Kanada beheimatete Filmemacher.

All das hat damit zu tun, dass Stephen Harper und die meisten seiner in der Regierung sitzenden Abgeordneten mit den schönen Künsten nicht viel am Hut haben. Dafür aber wird der Verteidigungshaushalt massiv aufgestockt. Ebenso wird es den Produzenten von umweltschädlichen Stoffen wie Teersand, Asbest etc. leicht gemacht, durch Investitionen Steuern zu sparen.

Eines muss man der Harper-Regierung allerdings lassen: Sie hat zumindest die wirtschaftliche Entwicklung des Landes gut im Griff – wenngleich auf Kosten von Budgetbeschneidungen für Dinge, die eine coole moderne Gesellschaft ausmachen.

Und wie sehen die Kanadier diese Entwicklung? Die meisten wohl mit Schulterzucken nach dem Motto: „Stimmt alles, aber …“

Und genau diese Einstellung könnte den Konservativen bei den bevorstehenden Parlamentswahlen am 19. Oktober eine weitere Amtsperiode bringen.

Dabei fehlt es nicht an Alternativen: Eine junge, frische, sozialdemokratisch ausgerichtete NDP hätte alle Stimmen der Welt verdient. Oder auch die aufgeräumten, innovativen Liberalen unter ihrem Popstar-Kandidaten Justin Trudeau, Sohn des legendären Ex-Premierministers Pierre-Elliot Trudeau.

Es gibt ein Kopf an Kopf-Rennen, so viel steht fest. Ob der klügste Kopf unter den Kandidaten der drei großen Parteien gewinnt, ist im Moment fraglich. Bewahrheiten wird sich wieder einmal der Allerweltsspruch, dass jedes Land die Regierung bekommt, die es verdient.

Ich finde: Mein Kanada verdient mehr als einen erzkonservativen Regierungschef wie Stephen Harper.

2 Gedanken zu „Was ist los mit „Cool Canada“?

  1. Hm, also die Polls in Kanada, sind ja immer so eien Sache…… Damals 2013 bei den Wahlen in BC hatte die NDP laut den Polls 3 Tage vort dne Wahlen noch locker die Absolute Merheit und einen Tag nach den Wahlen waren sie plötzlich nur auf Platz 2! oder die Wahlen in Alberta vor kurzem, da hatte auch die NDP laut den Polls geführt aber alle waren der Meinung die Tories würden es ganz knapp noch für sich zum Sieg rumreissen, am Ende hatte die NDP die Absolute Mehrheit!! Vor 8 Tagen war die NDP noch bei über 30 Prozent, jetzt auf einmal bei 26 Prozent! ich kann mich auch in Toronto auf die Straße stellen und 50 Leute befragen und dann da schön ne Umfrage draus basteln!

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  2. Lieber Herbert,
    mich erinnert Dein Kommentar an eine Geschichte, die ich vor ca. 25 Jahren in Südafrika erlebte: Am Flughafen in Johannesburg brachte uns ein Mann zu unserem gemieteten Auto. Er war der Meinung, dass wir ja wüssten, wie hoch die Kriminalität in SA sei und dass wir uns keine Sorgen machen sollten, wenn das Auto gestohlen würde, dies sei in der Versicherung enthalten. Mein Mann und ich waren zumindest damals noch nicht so sehr mit der Kriminalität in der medialen Berichterstattung konfrontiert worden. Wir schauten in das Auto und fragten, wie denn das Radio auszubauen sei, damit man es mitnehmen könnte. Großes Fragezeichen im Gesicht des Mitarbeiters der Verleihfirma. Wir erklärten ihm, dass in Deutschland wegen der Einbrüche in Autos solche Radios mittlerweile zum Standard gehörten. Der Mann war völlig verblüfft, dachte er doch, in Deutschland gäbe es keine Kriminalität. Später erfuhren wir, dass die südafrikanischen Medien ausführlich über negative Meldung über ihr Land, die in ausländischen Medien erschienen, berichteten. So wurden von der Bevölkerung die eigenen negativen Seiten Südafrikas überbewertet und die negativen Seiten der anderen Länder gar nicht wahr genommen.
    Da ich noch nie in Kanada wahr, kann ich nicht vergleichen, ob die von mir vermutete Analogie tatsächlich stimmt. Ich weiß nur, dass in Europa kaum über Kanada berichtet wird, und dass in Deutschland höchstens im „Weltspiegel“ mal kritische Berichte erscheinen. Die meisten Menschen geraten immer nur ins Schwärmen, wenn sie über Kanada sprechen.

    Deine Kritik erscheint mir durchaus berechtigt. Trotzdem glaube ich, dass es immer noch viele Aspekte gibt, die den Kanadiern das Gefühl geben könnten, in einem „coolen“ Land zu leben. Aber sie sollten selbstverständlich daran arbeiten, dass es so bleibt. Doch ich meine, noch ist nichts verloren, die Außensicht auf Kanada ist nicht so leicht zu erschüttern.

    Silke Morlang, Essen

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