Warten auf Monsieur Martin

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Es gibt Tage, an denen sehne ich mich ganz schrecklich nach der „Servicewüste Deutschland“ zurück. Wetten, dass das, was ich Ihnen gleich erzähle, bei Ihnen undenkbar wäre?

Vor genau sieben Wochen machte unsere Spülmaschine schlapp. Kein großes Ding. Ein paar Dichtungen sind spröde geworden, ein Bolzen im Drehmechanismus muss ersetzt werden. Immerhin ist die Maschine schon bald hundert sechs Jahre alt.

Anruf bei der Firma „mit mehr als 40 Jahren Erfahrung im schnellen Reparaturservice“ – so die Werbung.

Mechaniker kommt in fünf Tagen, schneller geht nicht“. Kein Problem. Fünf Tage im spülmaschinenfreien Leben eines Rentners sind gerade mal „ein Mückenschiss auf dem Maßband der Geschichte“. (Danke, Google, dass du mir diese Weisheit eben ausgespuckt hast!)

Der Mechaniker steckt im Verkehr fest. Verständlich bei mehr als 400 Baustellen, mit denen Montreal zurzeit zugepflastert ist. Statt vormittags kommt er eben am Nachmittag. Wen juckt’s? Mich inzwischen, zumindest ein bisschen.

Der junge, forsche Mechaniker kommt mit zwei Bitten: Er möchte 1.) das WC benützen und 2.) eine Bedienungsanleitung für die Spülmaschine sehen. Bei der Bedienungsanleitung werde ich stutzig. Aber egal. Im Klo führt der Herr Privatgespräche auf dem Handy, kichert viel und vergisst leider hinterher die Wasserspülung abzuziehen. In der Zwischenzeit treibe ich eine Bedienungsanleitung auf.

Eine Stunde und 95 Dollar später funktioniert die Maschine immer noch nicht. „Auf keinen Fall die Sicherung einschalten bis ich wiederkomme“. Kurzschlussgefahr! Doof nur: Die Spülmaschinen-Sicherung ist gekoppelt mit dem Elektroherd. Bis auf weiteres stehen uns also weder der Herd noch die Spülmaschine zur Verfügung.

Aber wir schaffen das – und ziehen vorübergehend ins Blockhaus. Dort gibt es zwar auch keine Spülmaschine, aber wenigstens funktioniert der Herd.

Vier Wochen später: Martin kommt. Ein freundlicher („Bin frisch verliebt!“), nicht mehr ganz junger Frankokanadier, bringt nicht nur gute Laune ins Haus, sondern auch die Ersatzteile. Nur: Die braucht er gar nicht, denn das Problem liegt irgendwo ganz anders. Der Klohocker hatte sich also geirrt. Auch das mit der gekoppelten Sicherung und dem Herd sei kein Problem, sagt Martin und verspricht, gleich nach dem Urlaub an unserem Jahrhundertprojekt weiter zu arbeiten.

Der Sommer neigt sich dem Ende zu und Martin ist aus dem Urlaub zurück. Für morgen hat er sich angekündigt und ich bin schon ganz aufgeregt. Soll ich Kuchen für ihn backen? Schampus kalt stellen? Häppchen besorgen? Ob er vormittags oder nachmittags kommt, kann Monsieur Martin beim besten Willen nicht sagen. Wäre auch zuviel verlangt bei den 400 Baustellen. Egal: Ich bin bereit. Und wenn er erst um Mitternacht kommt, geht die Welt auch nicht unter.

Und jetzt kommen Sie mir bitte nie mehr mit der „Servicewüste Deutschland“.

2 Gedanken zu „Warten auf Monsieur Martin

  1. Da werde ich wohl eine Sänfte für meinen Handwerker bestellen müssen. Am Montag streikte unsere Waschmaschine. Anruf: „Alles klar, ich komme morgen Vormittag“. Ging leider nicht, wir mussten nach Stuttgart. Also ab Mittwoch. Mittwoch früh um 8 Uhr stand er vor der Tür. Eine halbe Stunde später: Waschmaschine geht wieder. Auf dem flachen Land zu wohnen hat manchmal auch große Vorteile. Man kennt sich.

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