JAKOBSWEG, Tag 14 – 23 Kilometer von Castrojeriz nach Boadillo El Camino
FÜR GUDRUN
Wir widmen jeden Tag unserer Pilgerreise einem Menschen, der uns viel bedeutet hat, aber nicht mehr unter uns weilt.
Geschafft: Die 2. Woche liegt hinter uns und ich kann mein Glück kaum fassen. Was für wunderbare Erfahrungen wir schon jetzt gemacht haben! Dabei liegt mehr als die Hälfte des Jakobswegs noch immer vor uns.
Aber gut 320 Kilometer sind wir schon gelaufen – mehr als wir für die ersten beiden Wochen eingeplant hatten. Auch dass wir heute schon wieder eine neue spanische Provinz – Palencia – erreichen würden, hat uns selber überrascht.
Der heutige Tag war wieder einmal typisch Camino, wo Glück und Leid, Fluch und Segen oft ganz nahe beieinander liegen.
Beim Abschied von Castrojeriz, wo wir mit unserer Herberge wieder einmal unverschämtes Glück hatten, zeigte das Thermometer minus 3 Grad an. Das ist um diese Jahreszeit selbst daheim in Kanada ungewöhnlich kalt.
Als dann Tom aus Wyoming, mit dem wir gestern Abend gegessen hatten, laut Wetter-App Regen und sogar Schnee für die nächsten drei Tage prophezeite, wäre das eigentlich Grund genug für ein Stimmungstief gewesen. Aber wir sind Pilger und keine Schönwetter-Touristen. So gesehen: Alles gut.
Der Aufstieg gleich hinter dem Dorf Castrojeriz war heftig. 12 Prozent Steigung auf eine Strecke von über 1000 Metern bei stürmischen Winden – ein Sonntagsspaziergang ist anders.
Aber schließlich hatten wir den heutigen Camino-Tag einer Frau gewidmet, die in ihrem Leben mehr als genug leiden musste. Was werden wir uns da beklagen?
Bar-Besuch in einem Dorf ohne Namen. High Noon an der langen Theke, an der man sich in seinem Kopfkino leicht Hemingway im Gespräch mit John Wayne, Wyatt Earp und Humphrey Bogart vorstellen kann.
Stattdessen begrüßt uns ein deutscher Pilger mit dem schwersten Rucksack, der uns bisher begegnet ist: 20 Kilo! Nein, keine Zeit für Komplexe, auch wenn ich mit meinem 8 Kilo dagegen eindeutig den Kürzeren ziehe.
Achso, der deutsche Schwertransporter auf zwei Beinen war übrigens bereits auf dem Rückweg von Santiago de Compostela. „Der Camino, müsst ihr wissen, ist nämlich keine Einbahnstraße“.
Danke für den Hinweis, aber wir wollen erst einmal hin, ehe wir an den Rückweg denken. Zweimal Camino hintereinander steht bei all der Freude, die wir bisher am Pilgern empfinden, nicht auf dem Programm.
Wenig später dann das emotionale Highlight des Tages: „Mitsou“ ist wieder da!
Sitzt da einfach auf einem Feldstein, wie vor gut eineinhalb Wochen, als wir sie schon einmal in einem Dorf ohne Namen aufgegabelt hatten.
Mitsou heißt nicht wirklich Mitsou, sondern hat einen wunderschönen koreanischen Namen, denn ich mir weder merken und gleich gar nicht aussprechen kann. Aber weil uns die Cartoon-Zeichnerin aus Südkorea an eine „Mitsou“ in Montréal erinnert, hat sie nichts dagegen, dass wir sie so nennen.
Wir hatten uns Sorgen gemacht um Mitsou. Nachdem wir sie vor etwa zehn Tagen in Los Arcos aus den Augen verloren hatten, war sie immer mal wieder Gesprächsthema zwischen Lore und mir.
Als uns dann vor ein paar Tagen ein anderer Pilger von einer „jungen Koreanerin“ erzählte, die er „irgendwo hungrig aufgefunden“ hatte, war unsere Sorge um dieses liebenswerte Mädchen noch größer.
Was für eine Freude, dass wir sie also heute gesund und munter wieder gefunden haben.
Das mit dem richtigen Essen muss Mitsou allerdings noch üben: Während unserer gemeinsamen Wanderung in den Abend hinein gestand sie uns, dass sie ausser einer Orange zum Frühstück wieder nichts gegessen habe.
Ein Tag mit Happy End also. Und mit einem Herbergszimmer zum Verlieben. Mit einem Blick aufs gegenüber liegende Kirchendach, auf dem in zehn Meter Entfernung von uns ein Storch brütet.
(Keine Bange, liebe Christa. Dein Wort in Gottes Ohr).
Die Welt ist voller Wunder – und ich bin sicher, es kommen in den nächsten Wochen noch einige dazu.
Für heute grüßen wir den Rest der Welt mit herrlich zufriedenen Grüßen.
Buen Camino aus Boadillo El Camino!

Mit „Mitsou“ on the road

Wiedersehen mit „Mitsou“
Es gibt viele Blogs, aber nur wenige berühren, vermitteln dem Leser dabei zu sein und inspirieren es vielleicht dem Schreiber mal nachzutun.
Danke dafür und eine sichere Weiterreise; Tom
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Ich kann auch nur sagen… das Glück steht Euch ins Gesicht geschrieben! Bravo für Euer Durchhaltevermögen, weiter so viel Freude, wunderbare Begegnungen, und gutes Wetter! Und danke fürs Mitnehmen. Lieben Gruß aus Wuppertal, Chrissi
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Well done!👍Soon, half the Way of St. James will be behind you💕
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Wer täglich die „Anti-Diabetes-Strecke“ (10.000 Schritte) um das Dreifache übertrifft und dem dabei das Glück ins Gesicht geschrieben ist, den kann man wahrhaft nur beneiden. Danke für diese wunderbaren Impressionen, Ihr Abenteurer!
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