
Die erste U-Bahnfahrt seit Corona: Unspektakulär und ein bisschen einsam.
Erst der Lockdown auf Mallorca, dann Corona im Hotspot Montreal. Und schließlich noch die Augen-OP. Keine Frage: Meine Welt ist kleiner geworden. Oder, wie mein Freund Frank sagt: „Dein Leben bewegt sich im Radius eines Bierdeckels“.
Autofahren ist wegen des eingeschränkten Sehvermögens unmöglich. Radtouren ebenso. Selbst die jährliche Fahrt über die Grenze, nach Maine, ans Meer, fällt dieses Jahr ins Wasser. USA? Nein, Danke!
Bleiben die langen Stadtspaziergänge. Doch selbst die sind in den letzten Tagen seltener geworden. Es fehlen schlicht die attraktiven Ziele.
„Bei Euch ist immer was los“, schreibt der Bruder aus Ummendorf. Und vergisst dabei den fehlenden Aktionismus, der auch unser Leben in den letzten Wochen und Monaten ärmer und eintöniger gemacht hat.
Restaurants, Cafés, Bars und Kneipen haben ihren Charme verloren. Büchereien, in denen ich mich sonst so gerne herumtreibe: wie ausgestorben, denn es fehlen einhunderttausend Studierende, die sonst um diese Zeit das Stadtbild prägen. Kein Formel-Eins-Rennen, kein Welt-Jazzfestival. Selbst „Just for Laughs“ fällt Covid-19 zum Opfer. Nicht lustig.
Restaurant-Besuche? Nie und nimmer. Ehe ich mich von einem Kellner mit Plexiglashelm in zwei Metern Abstand zum nächsten Gast bedienen lasse, bleibe ich lieber daheim. Außerdem: Mein Stamm-Vietnamese ist selbst für einen geübten Stadt-Boulevardier bei 35 Grad im Schatten nur mit Mühe zu erreichen.
Öffentliche Verkehrsmittel habe ich bisher erfolgreich vermieden. Kein Bus, keine U-Bahn, auch Taxi und Uber verkneife ich mir. Corona lauert an jeder Ecke.
Jetzt habe ich mir doch ein Herz gefasst. Die selbst verordnete Quarantäne kann schließlich nicht ewig anhalten. Deshalb: Handschuhe und Gesichtsmaske übergezogen und rüber zur Metro-Station bei uns um die Ecke.
Und wie hat sich die erste U-Bahnfahrt seit Februar angefühlt? Unspektakulär, würde ich sagen. Die wenigen Fahrgäste halten gebührend Abstand zueinander. Gespräche, wie ich sie in der Metro schon mal gerne führe, sind hinter der Maske und über die Corona sichere Distanz hinweg ohnehin so gut wie unmöglich.
Festhalten an der Sicherheitsstange verkneife ich mir. Das ist mir selbst mit Handschuhen zu riskant. Wer zur Hochrisikogruppe gehört und sein bisschen Leben liebt, wägt ab.
Paranoid? Vielleicht. Auf Nummer sicher? Ganz bestimmt.
In der Stadt selbst hat sich seit Corona vieles verändert. Vermummte Männer und Frauen, deren Schönheit sich nur noch erahnen lässt. Menschenschlangen vor den Shops und Restaurants. Den Rekord stellt auch in Zeiten wie diesen der Kult-Diner „Schwartz’s“ auf. Dort, wo das angeblich beste „Smoked Meat“ der Welt serviert wird, warten Dutzende in der Sommerhitze auf einen Sitzplatz in Social-Distancing-Manier.
Anders in der Eisdiele, der ich auf dem Heimweg – diesmal zu Fuß – einen Besuch abstatte. Es ist gegen 15 Uhr. Die freundliche Verkäuferin wirkt gelangweilt. Ich sei heute ihr zweiter Kunde, sagt sie schulterzuckend.
„Corona sucks“, sagt sie. Ich glaube, hinter der Maske entdecke ich ein kurzes Lächeln.
Dankeschön! Es wird 👍
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Es kann nur besser werden.
Muss es einfach, denn die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt…
In Deutschland ist es auch nicht schön mit dem dämlichen Corona.
Alles Gute nach Kanada,
Britta
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Eis schmeckt immer. Und die Lebensfreude lassen wir uns ohnehin nicht nehmen. Es ist nur eine Frage der Perspektive. Als relativ frisch Operierter in die Wildnis, wo der naechste Tante-Emma-Laden 16 Km entfernt liegt? Hmmm … lieber nicht. Liebe Gruesse nach Bonn!
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Wie schmeckt Eis mit Handschuhen und Maske? Ich wünsche Euch bald Entsoannung zwischen drinnen und draußen. Wäre das Auto in die näher gelegene Natur eine Alternative?
Wir wünschen Euch jedenfalls den baldigen Schwenk zu mehr Lebensfreude und trotz aller subjektiven Beschränkung wieder neuen froh machenden Erlebnissen.
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