Verrückt nach fünf Buchstaben

Was schenkt ein Software-Ingenieur aus Brooklyn seiner Frau, wenn er sie zu Coronazeiten ein wenig aufmuntern möchte? Ein Ratespiel. Und weil der IT-Techniker Josh Wardle heißt und das Ratespiel mit Wörtern zu tun hat, nennt er es einfach “Wordle”. 

Was als Zeitvertreib zwischen einem Ehepaar begonnen hatte, ist inzwischen ein weltweites Phänomen. Millionen Menschen zwischen Manila und Montreal spielen Tag für Tag ein Internetspiel, das einfacher nicht sein könnte: Auch wir sind inzwischen verrückt nach Wordle – und viele unserer Freunde sind es auch.

Und so geht’s:

Sie tippen irgendein Wort mit fünf Buchstaben in die vorgegebenen leeren Felder. Danach sagt Ihnen der Computer, ob einer Ihrer Buchstaben in dem geheimen Wort enthalten ist und ob er an der richtigen Stelle steht. Grün bedeutet: Ganz genau hier steht der Buchstaben im Lösungswort. Gelb: Der Buchstaben kommt im gesuchten Wort zwar vor, kann aber an jeder x-beliebigen Stelle stehen. Sie haben sechs Versuche, um die Buchstaben so zu verschieben, bis dabei das Lösungswort herauskommt.

Achtung, Rentneralltag!

Jeden Morgen, meistens zwischen neun und zehn, wird bei uns Wordle gespielt. Ich kenne wenig Spiele, die kommunikativer sind als das Wortspiel des Mr. Wardle. Man beratschlagt sich, tippt Begriffe ein, die richtig sein könnten – und stellt dann oft fest: Wieder nix! Weniger als drei Versuche haben wir bisher nie geschafft. Meistens sind es vier, manchmal klappt’s auch erst auf den letzten Drücker nach sechs Versuchen.

WORDLES WORLD: Kein guter Tag.

Haben wir dann das Lösungswort erraten, was meistens eine halbe bis eine Dreiviertel Stunde dauert, herrscht absolutes Stillschweigen. Nur doofe Spielverderber würden es jetzt auf Facebook oder Instagram hochladen, damit es ja die ganze Welt erfährt. Lediglich jeweils eine kryptische Kurznachricht geht an den Sohn, dessen Partnerin sowie den Kumpel Doug und dessen Frau. 

Die Nachricht liest sich dann so: Made it in 5. Oder: Needed only 3.

Oder auch, ganz cool, nur: 4/6 Was soviel bedeutet wie: Fürs Lösungswort waren nur vier von möglichen sechs Versuchen nötig.

Ich sage es ungern, aber es ist so: Wordle hat Suchtpotenzial. Die “Washington Post” schrieb neulich, Wordle sei “die neue Droge”. Ein andermal hieß es in derselben Zeitung: Wordle sei bei vielen zur Corona-Obsession geworden. 

Die „New York Times“ nennt Wordle einfach “A Lovestory”.

Aber was ist es nun genau, was Wordle innerhalb weniger Monate zu einem Phänomen gemacht hat, das inzwischen von Millionen und Abermillionen Menschen in aller Welt gespielt wird?

Ich glaube, es ist diese extrem schnörkellose Darstellungsweise, gepaart mit einem hochraffinierten Worträtsel der alten Schule. Ähnlich wie Kreuzworträtsel, nur überschaubarer. Ein bisschen wie Sudoko, aber viel cooler.

Die Plattform für das Spiel ist keine App, die zuerst runtergeladen werden muss. Alles spielt sich auf einer stinknormalen Internetseite ab. Keine Popup-Anzeige verstellt den klaren Blick auf das Spiel, keine Erklärzeile zuviel schmälert das Rätselvergnúgen. Selten hat so viel Spaß so wenig gekostet, nämlich keinen Cent.

Gesucht wird ein einziges Wort, fünf Buchstaben lang. Nicht weniger, nicht mehr. Die Originalversion von Wordle ist natürlich auf Englisch.

Auf Deutsch gibt es neuerdings einen Wordle-Abklatsch > hier <.

Ganz offensichtlich sind wir nicht die einzigen, die Josh Wardle aus Brooklyn mit “Wordle” in seinen Bann gezogen hat. Die „New York Times“, wohl die angesehenste Tageszeitung der Welt, hat Mr. Wardle jetzt die Rechte für sein Spiel abgekauft. Für eine Millionensumme “im unteren einstelligen Bereich”, heisst es in der Branche.

Wieviel es genau sind – darüber darf gerätselt werden.

7 Gedanken zu „Verrückt nach fünf Buchstaben

  1. Oh nein! Warum habe ich diesen Artikel nur gelesen! Ich bin von einem großen sportlichen Ehrgeiz erfasst worden und hänge neuerdings zum großen Schrecken meiner Kinder schon vor dem Frühstück fluchend vor meinem Handy! Genialer Minimalismus, großes Suchtpotenzial!

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  2. Freut mich! Wenn das so weitergeht, muessen wir noch eine Gruppe von „Anonymen Wordlern“ zu gruenden. Ja, pro Tag gibt es nur eine Aufgabe. Bei euren Englischkenntnissen sehe ich aber keinen Hinderungsgrund, pro Tag die deutsche und die englische Version zu spielen. Weiterhin viel Spaß!

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  3. Schon süchtig an der deutschen Version!
    Danke, wir mögen das. Erst 5, dann gemeinsam nach Austausch 3 Versuche.
    Gibt es pro Tag nur 1 Aufgabe?
    Wir werden es ausprobieren

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  4. Ach Herbert – musstest du mir das jetzt zeigen?
    Ich habe es versucht, aber auf deutsch – und ich glaube, nein ich weiss, dass ich jetzt eine neue Sucht habe!😉
    VG und „happy wordling“
    Christa

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  5. Und nachdem die NYT die Rechte gekauft hat, spekuliert man, wie lange es wohl noch kostenlos sein wird. Die NYT hat sich dazu auf Anfrage nur kryptisch mit „vorlaeufig“ geauessert.
    Meine Frau und ihre Tochter sind auch schon begeistert. Ich habe fuer solche und aehnliche Spiele nie etwas uebrig gehabt. Ist mir geistig zu anstrengend. ;)

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