
Sein gewaltiger Wuschelkopf war das erste, das mir an Cassians Schulfreund Chad aufgefallen ist. Aber dann kam auch schon bald das flinke Mundwerk dieses hübschen Bengels aus Rigaud, einem Dorf, das nur ein paar Kilometer von unserem Haus in Hudson entfernt liegt. Aus dem Plappermäulchen von damals ist ein politischer Aktivist geworden. Jetzt kandidiert Chad Walcott als Bundesvorsitzender der “Grünen” in Kanada.
Das ist die Geschichte von Chad, einem Schulfreund Cassians, der den Planeten retten möchte. “Die Welt steht in Flammen”, sagte er mir eben via Zoom, “und irgendjemand muss sie löschen”.
Dass wir über Videochat miteinander geplaudert haben und nicht auf Augenhöhe, wo wir doch fast Nachbarn sind, ist Chads Covid-Erkrankung geschuldet. Schlechtes Timing. Gerade erst hat er seinen Wahlkampf angeschoben – und jetzt das.
Aber Chad wäre nicht Chad, würde er nicht unbeirrt weitermachen auf dem Weg zum Grünen-Vorsitz. Mit Abstand, klar, und super vorsichtig. Aber auch mit ungebrochenem Elan.
Aus diesem Holz sind “Leader” geschnitzt. Und das Chad Walcott ein Führer im besten Sinne ist, da habe ich nicht den geringsten Zweifel.
Irgendjemand muss also den brennenden Planeten retten. Chad weiss auch schon wer: Seine Co-Kandidatin Anna Keenan und er. Zwei junge Aktivisten, die sich vorgenommen haben die etwas aus dem Ruder gelaufene “Green Party of Canada” wieder aufs richtige Gleis zu hieven.
Ich kenne Chad seit fast 20 Jahren. Er ging als Cassians Schulfreund in unserem Haus in Hudson aus und ein, sie besuchten beide dasselbe College. Bis heute ist er mir ein liebenswerter, aber auch kompetenter, loyaler politischer Weggenosse geblieben.
Um Antworten ist Chad nie verlegen. Bei der Einordnung politischer Befindlichkeiten – egal ob auf lokaler, Landes- oder Bundesebene -, beweist Chad immer wieder die Weitsicht, die man bei arrivierten Politikern oft vermisst.
Chad ist nicht arriviert. Seine natürliche Neugier, gepaart mit dem vom Papa geerbten karibischen Charme, wird ihn weit bringen, da bin ich sicher.
So schnell auch Chads Mundwerk funktionieren mag, er ist ein nachdenklicher Kerl, dessen reflektierte Ansichten ich schon zu schätzen wusste, als er noch der Teenager war, der seinen gleichaltrigen Freunden die Welt erklärte.

Chads Vater stammt aus Barbados, die Mutter hat einen slowenisch-kroatischen Hintergrund. Gerade für Chads Mutter hatte ich schon immer Respekt. Leicht kann ihr Leben als Alleinerziehende von drei Jungs nicht immer gewesen sein. Aber sie hat es geschafft.
Chads Bruder Karl ist ein erfolgreicher Schauspieler geworden, der gerade wieder in einer französischsprachigen Produktion über die Bildschirme flimmert. Daniel, der andere Bruder, spielt als Eishockey-Profi im “Farm Team” des NHL-Clubs “Tampa Lightning” und lebt in Syracuse/New-York.
Und die Mama? Hat gerade als gestandene Frau ihr Wirtschaftsstudium an einer Montrealer Uni abgeschlossen.
Dass Chad irgendwann in der grossen Politik landen würde, wundert keinen, der ihn kennt. Sein Engagement für die Abgehängten und Vergessenen der Gesellschaft, sein Einsatz für seine Kommilitonen, die nicht nur seiner Meinung nach überhöhte Studiengebühren bezahlen mussten und deshalb unter Chad als Anführer zu Zigtausenden auf die Straße gingen – das alles bereitete den Weg zu dem “social activist”, der jetzt in die große Politik will.
Es wird Zeit, dass die kanadischen Grünen die “One-Pony-Show” hinter sich lassen, die einzig und allein das Thema Umwelt auf ihre Fahnen geschrieben haben. Sie müssen sich breiter aufstellen, sagt Chad, und für soziale Gerechtigkeit mit genau so viel Engagement kämpfen wie gegen “die Welt, die in Flammen steht”.
Und wäre dieses Wortbild nicht schon stark genug, haut Chad gleich noch einen weiteren starken Satz raus: “Die Temperatur in der Politik muss gesenkt werden” Hitzköpfe sind gut und recht, so lange man den Focus auf das, was zählt, nicht aus den Augen verliert: die Menschen.
Keine Frage: Wenn die Mitgliederversammlung der Grünen am 19. November ihre Stimmzettel abgibt, wird Chad Walcott “on fire” sein. Sollten er und seine Co-Vorsitzende-Kandidatin, die aus Australien stammende Anna Keenan aus Prince Edward Island, die Partei künftig auf Bundesebene anführen, wird es kein Zurück mehr geben.
Der Feuerwehrmann Chad Walcott wird versuchen, mal kurz die Welt zu retten. Die Löscharbeiten haben mit seiner Kandidatur bereits begonnen.
