Zeppelin, Zofen und Milkshakes

Bei meiner morgendlichen Lektüre der Schwäbischen Zeitung bin ich eben an dieser Todesanzeige hängen geblieben. Nicht, weil mir der Tod seiner Königlichen Hoheit besonders nahe ginge (ich kannte Durchlaucht gar nicht). Aber weil uns Sterblichen so ein Adelstitel ja nicht jeden Tag unterkommt.

Ein befreundeter Diplomat, dessen Namen ich aus Gründen der Diskretion hier nicht nennen möchte, führt einen so langen Titel, dass ich ihn bei einem Empfang zu seinem Amtsantritt im neuen Job fragte, ob er eigentlich eine ausklappbare Visitenkarte benötige. „You can call me Josh“, hörte ich ihn im Gespräch mit kanadischen Kollegen sagen. Das gefiel mir gut.

Als Korrespondent hatte ich es öfter mit einem Radio-Moderator zu tun, der sich dadurch einen Namen machte, dass er seinen Namen änderte. Er hatte seinen vormals pompösen Adelstitel dermassen zusammengestutzt, dass von seinem Von-und-zu nur noch ein Eduard Irgendwas übrig geblieben ist. Der Kollege hatte es halt nicht so mit Titeln und war mir allein schon deshalb sympathisch.

Als Kind habe ich oft das herrschaftliche Schloss derer von Brandenstein-Zeppelin in dem Dorf Mittelbiberach bestaunt, der Heimat meines Vaters. Mit all seinen Erkern, Türmchen, Vor-, Haupt-, Neben- und Hintergärten hatte dieses imposante Gebäude etwas Mystisches, das einen Bub aus Ummendorf leicht einschüchtern konnte.

Dann passierte etwas Unfassbares: Einer aus dem Geschlecht derer von Brandenstein-Zeppelin, ein veritabler Graf, wurde zu meinem Klassenkameraden am Biberacher Wieland-Gymnasium.

“Wer sind denn so deine Schulkameraden?”, fragte mich die Verwandtschaft schon mal. “Naja”, stapelte ich dann tief, „vor mir sitzt der Zeppelin”. “DER Graf von Zeppelin?”, hörte ich dann ungläubig die Tante oder den Onkel fragen. “Ja, warum ? Muss man den kennen?“

Irgendwann begab es sich in diesem Märchen, dass mich der Graf von und zu Brandenstein-Zeppelin nach der Schule in sein herrschaftliches Schloss bat. Und siehe da: Das Schloss beeindruckte mich plötzlich nur noch mäßig. Die Räume waren zwar riesig, aber ziemlich unterkühlt und dunkel und nur mit dem Nötigsten an Mobiliar ausgestattet. Es gab auch eine kleine Privatkapelle, die fand ich angsteinflößend düster, außerdem roch es nach Moder. Prunk ist jedenfalls anders. Die Schlossbewohner selbst waren freundlich, liebenswert und ausgesprochen nahbar.

SCHLOSS MITTELBIBERACH: Milkshake mit Graf Zeppelin

Was mich aber zutiefst beeindruckte, war die Zofe (ich nenne sie jetzt einfach mal so), die mich fragte, was sie mir zum Trinken servieren könne. Tja, was nun? „Vielleicht eine Schokoladen-Mixmilch?”, fragte die Zofe.

Und so stand er dann vor mir: Der erste, süßeste, köstlichste, schönste, adeligste, unglaublichste Milkshake, den sich Klein-Herbert vorstellen konnte.

Im Nachbardorf gab es das “Schloss Horn”, in dem mein Vater hin und wieder als selbständiger Handwerker zu tun hatte. Klar, dass ich einen Blick hinter die Kulissen dieses hochherrschaftlichen Gebäudes werfen wollte. Einmal nahm Papa Bopp mich einfach mit. 

SCHLOSS HORN: Fechten mit dem kleinen Prinzen

Während er Fresken restaurierte und Säulen bemalte, forderte mich ein Junge, der dort zu Besuch war (vermutlich der Kleine Prinz) zum Fechtkampf vor dem offenen Kamin auf. Als Waffen dienten uns Schürhaken und Aschekratzer. Im Kamin loderte das Holzfeuer. In meinem Kopfkino taten sich abgefackelte Dörfer auf, die in die Hände von wilden Kreuzrittern gefallen waren.

Eben boingt eine Whatsapp-Message von Uli ein, der den schönen Nachnamen Herzog trägt. Er ist der Adelsexperte in meinem Freundeskreis. Ihn hatte ich gefragt, ob man die in der Todesanzeige oben erwähnte “Königliche Hoheit” eigentlich kennen muss? Uli reagierte künstlich-empört über so viel Unwissenheit:

“Das ist der Cousin von Prinz Philipp und der Großonkel von King Charles! Den muss man doch kennen!” Und dann: “Wir Biberacher Reichsstadt-Kinder haben es ja nie so mit dem Adel gehabt”. 

Adel verpflichtet also nicht nur. Er bildet auch.

Manchmal ist Adel aber auch einfach nur peinlich. So enthält das Stadtwappen unseres langjährigen Wohnorts Hudson den Spruch: „Noblesse oblige„. Adel verpflichtet? Welcher Adel denn? Kanadischer? Verpflichtet wozu? Und wo, bitte, geht’s zum nächsten Schloss?

Fürstliche Grüße von Herbert, z.Zt. in St-Bernard-de-Lacolle

Ein Gedanke zu „Zeppelin, Zofen und Milkshakes

  1. Lieber Hebo.
    Also mich hier als Adelsexperten zu bezeichnen ist ja schon beinahe grotesk. Als ich in meinen jetzigen Wohnort gezogen bin, wusste ich noch nicht einmal, dass die hier ansässigen Adligen, deren Titel zufällig meinem Nachnamen entspricht, die Könige von Württemberg wären, so wir noch ein monarchisches Land wären. Schmücke mich bitte nicht mit Federn, die mir nicht zustehen, Du Schlingel!

    Gefällt 1 Person

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