Begegnung mit einem der Großen

Jetzt, da der große kanadische Folksänger Gordon Lightfoot leider im Alter von 84 Jahren gestorben ist, kann ich es ja sagen: Dieser wunderbare Mann hat mich einmal ganz schön in die Bredouille gebracht.

Für ein „stern“-Interview war ich nach Toronto geflogen, um mit Gordon Lightfoot eine Homestory zu machen. Aus einem Reporter-Job wurde, wie so oft in meinem Leben, einer dieser tollen Tage, die man nicht einmal im Preisausschreiben gewinnen kann.

Wir spielten Billard zusammen, später ein paar Akkorde auf der Gitarre. Gordon Lightfoot kochte Kaffee, stellte mir Frau und Kind vor. Wir redeten über dieses und jenes und auch über ein Schweizer Musikfestival, bei dem neben ihm auch Leonard Cohen aufgetreten war. Lightfoot und Cohen wohnten im selben Hotel. Man traf sich an der Bar. Man ahnt es schon.

Auf meine Frage an Mr. Lightfoot, wie „My Man“ Cohen denn so war, lächelte er mich verschmitzt an und machte die Reißverschluss-Geste vor seinen Lippen. Ein Gentleman schweigt.

Gordon Lightfoot schwieg dann aber doch nicht die ganze Zeit und meinte wenig später: „Nie zuvor habe ich einen Mann gesehen, der es geschafft hat, einer Frau, die er fünf Minuten vorher kennengelernt hatte, das Gefühl zu geben, sie sei der erste und einzige Mensch der Welt, für den er sich je in seinem Leben interessieren würde“.

Aber es war nicht dieser Satz, mit dem mich Gordon Lightfoot in die Bredouille brachte. Es war etwas, mit dem er mich als Journalist testete. Und ich kam zumindest ins Wanken.

Mein Interview endete mit der Standardfrage: „Was würden Sie heute anders machen, wenn Sie noch einmal 18 wären.“

Gordon Lightfoot erzählte mir einige Dinge, die ich hier aus Gründen der Diskretion nicht preisgeben möchte. Nur so viel: Es hat etwas mit viel Drugs, noch mehr Sex und auch mit Rockn’roll zu tun. Und es war sehr explizit. Ich fragte ihn, ob er wirklich möchte, das sein Statement in einem der größten deutschen Magazine abgedruckt wird. „Na klar,“, sagte er. „Why not?“

So ganz schien ihn seine, sagen wir mal, frivole Antwort dann doch nicht in Ruhe gelassen zu haben. Bei meiner Rückkehr nach Montreal lag ein Zettel auf dem Schreibtisch: „Ruf bitte sofort Gordon Lightfoot zurük. Es ist dringend.“

„Herbert“, säuselte Lightfoot wenig später ins Telefon, „könnten wir vielleicht die Antwort auf deine letzte Frage noch ändern?“ Das war der Moment, da ein Journalist schon mal ins Schleudern kommt. Normalerweise heißt es: gesagt ist gesagt.

Aber ein Mann, dessen Songs nicht nur Elvis Presley im Repertoire hatte, sondern auch Bob Dylan, Barbaras Streisand und Harry Belafonte, darf sich auch mal korrigieren. So lautete denn die Antwort auf die Frage, was er denn heute anders machen würde, wäre er noch einmal achtzehn: Er würde seiner leidgeplagten Mutter nur Freude und nichts als Freude machen. Oder so ähnlich.

Ich stelle mir gerade vor, wie Leonard Cohen und Gordon Lightfoot ein Duett singen und dabei sämtliche Englein in Ekstase versetzen.

R.I.P. Mr. Lightfoot

2 Gedanken zu „Begegnung mit einem der Großen

  1. Lucky you to have had that opportunity for that special encounter. Your description of it reflects Gordon Lightfoot’s humility. As for your choice to respect his „humaness.“..it is said that „an intelligent person knows what to say; a wise person knows when not to say it“. Good for you!
    I had the special opportunity to attend a Gordin Lightfoot concert just last July in Washington, D.C.with a dear American friend who is a really big fan. The nostalgia of our more youthful years was very special. His ballads, melodies & lyrics are timeless. So glad that they will live on even though he couldn’t.💖
    P.S. Hope you know this is me😉

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  2. Good for you, the young journalist. Too often journalists abandon kindness for sensation and it really does no one any good except momentarily increase readership.

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