Ein Leben ohne Wein und Bier

FREUNDE TEILEN ALLES. Auch den letzten Schluck Bier. (Mit meinem verstorbenen Freund Bernd Dassel)

An mein letztes Bier erinnere ich mich noch so, wie sich die meisten von uns daran erinnern, wo sie bei der Mondlandung waren oder die Einschläge des 11. September mitbekommen haben. Mein letztes Bier habe ich am 8. Dezember 2023 nach einem Mittagessen beim Mexikaner zusammen mit meinem Freund Chris gekippt. Seither habe ich keinen Schluck Alkohol mehr getrunken. Und werde wohl bis zum Lebensende auch keinen mehr trinken.

Ich sei ein guter Patient, sagt mein Freund Marc, ein Mediziner. Denn ich befolge die Anordnung meines Arztes aufs i-Tüpfchen. Die Wahrheit ist: Ich bin auch ein feiger Patient, denn ich weiß, der nächste Schluck Alkohol könnte mich töten.

Eine chronisch entzündete Bauchspeicheldrüse verzeiht nichts, auch nicht ein letztes Glas im Stehen.

Schnaps war zwar nicht mein letztes Wort, aber ich habe gerne getrunken: Bier, Prosecco, Calvados und immer wieder Vino. Am liebsten Rosé, am liebsten in Spanien. Am allerliebsten am Ende einer Camino-Etappe – irgendwo zwischen Pamplona und Santiago de Compostela.

Ein Kühles nach dem Camino: Bei der Ankunft in Santiago de Compostela.

Es war ein Ritual, das wir nie missen wollten. Bei der Ankunft in irgendeinem Dorf, noch ehe wir ein Nachtquartier gefunden hatten, stand erst einmal ein Glas Rosado vor uns.

Ohne Alkohol zu leben, fällt mir nicht leicht. Aber es ist auch kein Martyrium, wie ich befürchtet hatte. Ich war kein Suchttrinker. Deshalb ist es mehr der soziale Aspekt, der mir abgeht.

Alkohol hat, wenn er genussvoll getrunken wird, etwas Verbindendes, Befreiendes, ja Sozialverträgliches an sich. Anders als das Rauchen, das ich mir schon vor mehr als 35 Jahren abgewöhnt habe, konnte ich dem Alkohol fast immer nur Positives abgewinnen. Rauchen war Sucht, Alkohol Lebensfreude.

Ich habe das Glück, von Familie und Freunden umgeben zu sein, von denen sich keiner viel aus Bier, Wein und Schnaps macht. Zwei von ihnen, beides trockene Alkoholiker, leben mir schon seit Jahren vor, dass ein Leben ohne Alkohol nicht nur möglich ist, sondern sogar erstrebenswert, weil es ihrer Meinung nach die Lebensqualität erhöht.

Wirklich? Darüber ließe sch diskutieren.

Meine Freunde, die Ex-Trinker, sind gottseidank nicht missionarisch unterwegs. Das käme bei mir ganz schlecht an. Aber sie geizen nicht mit Tipps.

Für einen meiner Kumpels steht fest: Alkoholfreies Bier erschwert die Abstinenz und könnte sich als eine Art Wiedereinstiegs-Droge in mein Leben schleichen. Also verzichte ich selbst aufs Null-Prozent Bier.

Und guter alkoholfreier Wein? Da sind sich meine beiden Ex-Trinker einig: Der muss erst noch erfunden werden.

4 Gedanken zu „Ein Leben ohne Wein und Bier

  1. Tja, lieber Herbert, ich bin einer von den trockenen Alkoholikern, die Du erwähnst. Seit 10 Jahren ist Schluss mit Bier und Wein. Vor allem Wein. Der gehörte einst für mich zu Mallorca wie die Windmühlen, Ensaimada und Tapas. Ich war kein Problemtrinker, Alkohol hatte immer etwas mit Lebensfreude zu tun. Er intensivierte das Erleben, machte aus dem Zirpen der Zikaden eine großartige Sinfonie. Es hat lange gedauert, bis ich dem Leben ohne meinen geliebten Tinto etwas Positives abgewinnen konnte. Es war einfach eine Frage der Zeit. Alkoholfreies Bier trinke ich seit Beginn meiner Abstinenz, es stellt für mich keine Rückfallgefahr dar. Das mag bei anderen anders sein, mir hat es zu einer zufriedenen Abstinenz verholfen. Und alkoholfreier Wein? Ach, man wird mit der Zeit bescheiden, was das Geschmackserlebnis angeht! In einem Chanson von Hildegard Knef heißt es “das Glück ist eine Frage der Bescheidenheit!” Ein weiser Satz, ich bin bis jetzt ganz gut damit gefahren. Und das wünsche ich auch Dir. Ein Leben ohne Alkohol ist nicht nur erträglich, sondern kann auch richtig schön sein. Sagt Martin, seit 10 Jahren Ex-Alki

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  2. Sehr sehr tapfer und stark bist Du lieber Herbert. Weiter so! Und das Foto von euch beiden großartig! 🤩

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  3. Dorothee: Als Autofahrerin trinke ich schon seit Jahren ausschließlich alkoholfreies Bier. Dabei ziehe ich Weizenbier vor. In meiner 40 km entfernten Dienststelle habe ich von Anfang an Alkohol ohne Begründung abgelehnt. In den zahlreichen Sektgläsern hatte ich Mineralwasser.
    Zu Hause und wenn ich einlud, gab es immer einen guten Wein usw.

    Als ich vor 1,5 Jahren das erste Mal operiert wurde, war Alkohol in der Zeit der Schmerz-Medis erst mal abgesagt. Damit entfiel auch mein Viertele Rotwein am Abend. Ja, das war mir sehr schnell bewußt: Ein Geschmack fehlte.

    Heute bin ich nach mehreren Fahrten an die Ahr bei einem sehr trinkbaren „rauschfreien“ Sekt aus Maischoss angekommen, als Weinersatz dient mir ggfs. der ausgezeichnete rote Traubensaft der gleichen Winzerei.

    Ich stimme Dir rückhaltlos zu: der soziale Aspekt stört viel mehr als die Wirkung des Alkohols. Aber: bei Bedarf findet sich eine Lösung. Und nach einiger Zeit ist sie nicht mal mehr nur die zweitbeste.

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