Mein Sohn, der Spätzles-Kanadier

Dass er mit drei Muttersprachen aufwächst: toll. Uni-Abschluss: super. Dass er, wenn’s sein muss, wunderbar schwäbelt: prima. Doch jetzt kennt der Elternstolz keine Grenzen mehr: Unser Sohn kocht auch noch schwäbisch! Seine ersten handgeschabten Spätzle müssten eigentlich ins Museum. Doch dafür sind sie viel zu schade.

Wer Spätzle schaben kann, hat den  schwäbischen Härtetest bestanden

Viel wurde in diesem Blog bisher über den Blogger geschrieben. Ein paar Takte auch über Lore. Nur den Sohn habe ich bisher ausgeklammert. Ganz bewusst: Als Bedenkenträger in Sachen Internet will ich ihm die digitale Nähe zu seinen Eltern ersparen. Deshalb werden wir das Kind auch künftig nicht beim Namen nennen. Nur: Bei so viel Elternstolz mag ich nicht länger schweigen. Deshalb, Welt da draußen: Wir haben einen 24jährigen Sohn, der – bis auf ein dreimonatiges Praktikum – nie in Deutschland gelebt hat, geschweige denn in Schwaben. Und doch hat er jetzt den Härtetest einer jeden schwäbischen Hausfrau bestanden: Handgeschabte Spätzle mit Butterschmelze. Willkommen im Kreis der Schwabo-Kanadier!

Spätzle schaben

Doch bis zum Meisterstück war es ein langer Weg. Er führte von Kartoffelpüree (Mutter: „Mehr Butter, Junge!“) über Schweinebraten (Vater: „Nicht ganz so mager, dann gibt’s eine bessere Soße“) bis zu den Bechtle-Spätzle aus der Tüte. Die gibt’s hier in ein paar europäischen Delikatessenläden und sogar in einem Supermarkt.

Tüten-Spätzle: Teurer als Hüftgold

Dass der Preis für den Schwabenfix in Hüftgold aufgewogen werden könnte, ist mit ein Grund, warum der Bub jetzt selbst zu Holzbrettle und Schabemesser greift. Klar gibt es auch noch den Spätzleshobel, den Drücker und noch ein paar andere Nudelmacher made in China. Aber die wahren, echten, originalgetreuen, urschwäbischen Spätzle werden noch immer geschabt. Basta.

Kulinarische Höchstleistung: Geschabte Teigwellchen ins kochende Salzwasser

Spätzle schöpfen

Was sich für schwäbische Laien ziemlich einfach anhört, ist in Wirklichkeit eine kulinarische Meisterleistung. Die Kurzversion: Man nehme den gerührten Spätzlesteig, streiche ihn sanft über ein nicht zu dickes Holzbrett zu einer nicht zu festen Schicht und schabe jetzt den Teig mit einem scharfen Messer in fein dosierten Teigwellchen direkt ins kochende Salzwasser. Super simpel? Krass getäuscht. Probieren Sie’s mal. Wenn einem bei dieser akrobatischen Küchenübung neben den kritischen Eltern dann auch noch die (kanadische) Freundin über die Schultern schaut, kann das Ergebnis gar nicht hoch genug gelobt werden. Bravo, Bocüsle!

Dreieinhalb Millionen Montréaler – und kein deutsches Restaurant

Nächste Herausforderung: Zwetschgenkuchen

Deutsche Gaumenfreuden in Kanada können übrigens nicht nur teuer sein, sondern auch anstrengend, ernüchternd und frustrierend. Und rar.  In Montréal mit seinen 3.5 Millionen Einwohnern gibt es zwar mehr als 5000 Restaurants. Darunter ist aber kein einziges deutsches. Schnitzel werden immerhin im Mazurka serviert (polnisch). Kässpätzli im Alpenhaus (Pseudo-Schwyzerisch). Aber deutsch? Fehlanzeige. Vielleicht ist es aber auch ganz gut so.

German Rollmops auf Eichenholz-Theke

Bis vor ein paar Jahren gab es in Montréal immerhin noch ein „Berlin“. Aber außer dem tollen Flachbildschirm für Bundesliga-Übertragungen und dem Rollmopsglas auf der Eichenholz-Theke hat das Lokal bei mir eher den Eindruck einer Stehbierhalle mit Frühstücks-Service hinterlassen.

Und überhaupt: Die beste deutsche Küche westlich von Leutkirch gibt’s ohnehin im „Landgasthaus Lore“.

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