Eine Woche nach dem Aufprall

montrealGenau eine Woche ist es her, dass wir vom Paradies zurück sind. Der Aufprall in Montréal war so hart, dass er selbst noch in Deutschland und auf Mallorca zu hören sein musste. Aber jetzt ist gut. Eine Woche zur Wiedereingewöhnung muss man sich gönnen. Und doch: Vier Monate Mallorca haben ihre Spuren hinterlassen.

Verdammt, die Nespresso-Maschine – wie funktioniert die eigentlich? Die Makkaroni – wo haben wir die immer gekauft? Und den Philadelphiakäse mit Dill – wo gab’s den nochmal?

Es soll hier nicht kokettiert werden, aber vier Monate sind eine lange Zeit. Genug, um einiges zu vergessen. Jeden dritten Tag des Jahres haben wir auf Mallorca verbracht und nicht in Montréal, wo noch immer unser Lebensmittelpunkt ist.

Freunde melden sich und wollen wissen, ob wir nach vier Monaten Mittelmeer jetzt „bis zum Ende unserer Tage versaut“ sind. Nein, sind wir nicht. Palma war gestern und Montréal ist jetzt. Alles hat seine Sonnen- und Schattenseiten.

Magnolien im Westmount-Park

Magnolien im Westmount-Park

Auch wenn es in Montréal keine 25 Grad hat und keine Palmen, lässt es sich hier vorzüglich leben. Besonders jetzt, da auch hier die Magnolienbäume zu blühen anfangen und die ersten Maiglöckchen auf dem Markt zu haben sind.

Manchmal meldet sich der Erinnerungsoptimismus. Weißt du noch, die lauen Abende, als auf der Plaza de la Reina, direkt unter unserem Balkon, dieses Open-Air-Konzert stattgefunden hat? Ja, ich erinnere mich, schön war’s. Aber auch so gnadenlos laut, dass ich zum ersten mal seit dem Helikopterflug damals Ohrenstöpsel benützen musste, um nicht zu verblöden.

Ich bin gerne wieder hier und Palma ist nicht aus der Welt. Dürfte ich in die berühmte Wundertüte greifen, würde ich jetzt gerne eine Portion Montrealer Smoked Meat vom food truck unter mallorquinischen Palmen verspeisen, ohne dabei auf den Typ im Bannerfoto verzichten zu müssen, der am helllichten Nachmittag vor dem Dépanneur sitzt und seinem Hund beim Glücklichsein zuschaut.

Typisch Montréal. Welcome home.

Mallorca-Küche vom Allgäu-Koch

Schlemmermahl

Willkommen zum mallorquinischen Schlemmermahl: Salat aus Fenchel und saftigen Orangen. Marktfrische Tomaten und geröstete Artischocken als Vorspeise, danach als Zwischengericht körnig-cremiges Spargel-Risotto und als Hauptspeise geschmorte Lammschulter in einem herzhaften Gemüse-Fleisch-Fond. Für den rustikalen Touch werden daumendicke Scheiben Bauernbrot gereicht. Dazu gibt’s Weine aus dem mallorquinischen Hinterland.

Wenn es der Feinschmeckergott Lukull ganz besonders gut mit dir meint, schickt er einen befreundeten Küchenchef aus deiner Heimatregion zu dir auf die Insel. Der bekocht dich und deine Gäste dann in deinem Winterdomizil aufs Feinste. Und weil du ihm fleißig und wissbegierig zur Seite gestanden bist, ernennt er dich anschließend zum Commis de cuisine.

Schon die Vorbereitungen fühlen sich an wie Stairway to Heaven. Freitag ist Fischtag, da lässt es sich der Mallorquiner nicht nehmen, sich seine Meeresfrüchte in der Markthalle an der Plaza Olivar zu besorgen. Da stellen wir uns zum Auftakt doch gleich mal an die Gourmettheke, wo es Häppchen von fangfrischem Fisch mit erlesenen Weinen gibt. Ein schöner Auftakt ist das.

Der gute Koch weiss, was er wo findet. Dabei war er noch nie zuvor in diesem Gourmettempel am Rande der Altstadt von Palma. Zielsicher steuert er auf die feinste der diversen Artischocken-Arten zu, lässt sich von der Verkäuferin per Handzeichen den frischen Bund Lauchzwiebel über die Theke reichen (und bitte nicht den daneben!) Und stellt sich schließlich beim Metzger in die Schlange, von wo aus er den wichtigen Teil der Vitrine im Auge hat: Dort, wo das Lamm liegt, liegen wir richtig.

Die Lammschulter lässt sich der Küchenchef genau dort in zwei Teile hacken, wo es für die weitere Zubereitung Sinn macht. Den dritten Schnitt am Schultergelenk exekutiert der Meister dann am Küchentisch.

Dort wird jetzt geschnibbelt und geschabt, gehobelt und zerstückelt, geröstet, gebraten und gesotten und immer mal wieder probiert. Schließlich wird ein Mahl zelebriert, das mit „traumhaft“ zu umschreiben wäre, stünde nicht gerade Ostern vor der Tür. Deshalb nennen wir es einfach „himmlisch“.

Wer es sich zutraut, neidfrei Einkauf, Zubereitung und schließlich Genuss unseres vorgezogenen Ostermahls als Bilderserie mitzuerleben, kann sich hier durchklicken.

Kulinarisches von der Insel

ute Dinner-Einladungen bei unserer Freundin Ute sind immer etwas ganz Besonderes. Allein schon die Anfahrt zu ihrem Haus ist ungewöhnlich: Ute wohnt auf einer Insel, mitten im Sakt-Lorenz-Strom.

Von St. Henri aus geht es mit dem Fahrrad am Atwater Market vorbei. Eine Fußgängerbrücke führt über den Lachine-Kanal. Weiter geht’s über kurvige Gassen und Sträßchen durch das ehemalige Montréaler Arbeiterviertel Verdun, vorbei an stillgelegten Fabriken und schicken Lofts.

Und dann, als hätte der Reiseveranstalter Überstunden gemacht, taucht plötzlich ein Stück Urwald auf, das am Ufer des an dieser Stelle einen Kilometer breiten Sankt-Lorenz-Stroms endet. Dazwischen der Singsang von Vögeln und das Zirpen von Grillen. Auch eine Waschbärenfamlie ist neulich mal behäbig vor unseren Rädern vorbei getippelt.

Über eine schmale Brücke, die parallel zum Rush-Hour-Verkehr der Dreieinhalb-Millionenstadt verläuft, geht es jetzt über den Sankt-Lorenz-Strom nach île des Sœurs. Dort wohnt Ute.

Die Nonnen des Ordens von Notre-Dame haben die knapp vier Quadratkilometer große Insel 250 Jahre lang als Farmland genutzt. Erst in den 50er-Jahren wurde mit der Besiedlung begonnen. Heute zählt Nun’s Island zu den gehobeneren Wohngegenden in Montréal. Rund 18.000 Menschen leben dort.

In der Küche ihres Reihenhauses zaubert Ute die feinsten Gerichte: Von Mainzer Hausmannskost bis extrem exotisch – nichts, das unserer weitgereisten Freundin fremd wäre. Ihre kulinarischen Kompositionen reichen von Tandoori-Chicken über Gaspacho bis zu Lammfleischbällchen mit Ingwersprenkel. Oder auch Lachs-Tartar mit Kapern und Dill. Oder, wie vor ein paar Tagen, ein Blumenkohlgericht mit zerlaufenem Käse – ein Gaumen- und Augenschmaus, der von der Optik her stark an einen gestülpten Vanillepudding erinnert.

Das Besondere an Utes Speisen: Sie sind nicht etwa in einer raffiniert ausgestatteten Hightech-Küche zubereitet worden. Alles ist hier klein, aber in höchstem Maße funktional. Ein bisschen erinnert mich Utes Küche an die Kochstation eines ICE-Speisewagens, über die ich vor Jahren während einer Fahrt von Basel nach Mannheim als Reporter berichtete. Jeder Handgriff des Küchenchefs war der Geschwindigkeit des Zuges angepasst, alles musste stimmen.

Wie damals im Intercity, so ist auch in Utes Küche kein Platz für Sperenzchen, jeder Millimeter wird genutzt. Ein Tupperware-Turm getrockneter Kräuter kann gar nicht kippen, weil er links und rechts gestützt wird von einem Gerüst aus Schöpfkellen, Brotmessern, Schneebesen, Fleischzangen und Kartoffelstampfern.

Auch Utes Herd ist alles andere als Hightech: Vier Kochplatten, ein Backofen, kein Keramikgedöns. Praktisch, sauber und irgendwo auch ein bisschen Retro.

Ich kenne Luxus-Küchen, an deren Ausstattung Paul Bocuse seine Freude hätte, deren Output sich aber qualitativ im Kentucky-Fried-Chicken-Bereich bewegt.

Bei Ute ist das Gegenteil der Fall. In ihrem Häuschen im Sankt-Lorenz-Strom entstehen auf ein paar Quadratmetern kulinarische Glanzleistungen, die ihre Freunde regelmäßig zum Schwärmen bringen.

Drei Sterne für Chez Ute. Mindestens.

Mein Sohn, der Spätzles-Kanadier

Dass er mit drei Muttersprachen aufwächst: toll. Uni-Abschluss: super. Dass er, wenn’s sein muss, wunderbar schwäbelt: prima. Doch jetzt kennt der Elternstolz keine Grenzen mehr: Unser Sohn kocht auch noch schwäbisch! Seine ersten handgeschabten Spätzle müssten eigentlich ins Museum. Doch dafür sind sie viel zu schade.

Wer Spätzle schaben kann, hat den  schwäbischen Härtetest bestanden

Viel wurde in diesem Blog bisher über den Blogger geschrieben. Ein paar Takte auch über Lore. Nur den Sohn habe ich bisher ausgeklammert. Ganz bewusst: Als Bedenkenträger in Sachen Internet will ich ihm die digitale Nähe zu seinen Eltern ersparen. Deshalb werden wir das Kind auch künftig nicht beim Namen nennen. Nur: Bei so viel Elternstolz mag ich nicht länger schweigen. Deshalb, Welt da draußen: Wir haben einen 24jährigen Sohn, der – bis auf ein dreimonatiges Praktikum – nie in Deutschland gelebt hat, geschweige denn in Schwaben. Und doch hat er jetzt den Härtetest einer jeden schwäbischen Hausfrau bestanden: Handgeschabte Spätzle mit Butterschmelze. Willkommen im Kreis der Schwabo-Kanadier!

Spätzle schaben

Doch bis zum Meisterstück war es ein langer Weg. Er führte von Kartoffelpüree (Mutter: „Mehr Butter, Junge!“) über Schweinebraten (Vater: „Nicht ganz so mager, dann gibt’s eine bessere Soße“) bis zu den Bechtle-Spätzle aus der Tüte. Die gibt’s hier in ein paar europäischen Delikatessenläden und sogar in einem Supermarkt.

Tüten-Spätzle: Teurer als Hüftgold

Dass der Preis für den Schwabenfix in Hüftgold aufgewogen werden könnte, ist mit ein Grund, warum der Bub jetzt selbst zu Holzbrettle und Schabemesser greift. Klar gibt es auch noch den Spätzleshobel, den Drücker und noch ein paar andere Nudelmacher made in China. Aber die wahren, echten, originalgetreuen, urschwäbischen Spätzle werden noch immer geschabt. Basta.

Kulinarische Höchstleistung: Geschabte Teigwellchen ins kochende Salzwasser

Spätzle schöpfen

Was sich für schwäbische Laien ziemlich einfach anhört, ist in Wirklichkeit eine kulinarische Meisterleistung. Die Kurzversion: Man nehme den gerührten Spätzlesteig, streiche ihn sanft über ein nicht zu dickes Holzbrett zu einer nicht zu festen Schicht und schabe jetzt den Teig mit einem scharfen Messer in fein dosierten Teigwellchen direkt ins kochende Salzwasser. Super simpel? Krass getäuscht. Probieren Sie’s mal. Wenn einem bei dieser akrobatischen Küchenübung neben den kritischen Eltern dann auch noch die (kanadische) Freundin über die Schultern schaut, kann das Ergebnis gar nicht hoch genug gelobt werden. Bravo, Bocüsle!

Dreieinhalb Millionen Montréaler – und kein deutsches Restaurant

Nächste Herausforderung: Zwetschgenkuchen

Deutsche Gaumenfreuden in Kanada können übrigens nicht nur teuer sein, sondern auch anstrengend, ernüchternd und frustrierend. Und rar.  In Montréal mit seinen 3.5 Millionen Einwohnern gibt es zwar mehr als 5000 Restaurants. Darunter ist aber kein einziges deutsches. Schnitzel werden immerhin im Mazurka serviert (polnisch). Kässpätzli im Alpenhaus (Pseudo-Schwyzerisch). Aber deutsch? Fehlanzeige. Vielleicht ist es aber auch ganz gut so.

German Rollmops auf Eichenholz-Theke

Bis vor ein paar Jahren gab es in Montréal immerhin noch ein „Berlin“. Aber außer dem tollen Flachbildschirm für Bundesliga-Übertragungen und dem Rollmopsglas auf der Eichenholz-Theke hat das Lokal bei mir eher den Eindruck einer Stehbierhalle mit Frühstücks-Service hinterlassen.

Und überhaupt: Die beste deutsche Küche westlich von Leutkirch gibt’s ohnehin im „Landgasthaus Lore“.

>>>   Alles über Spätzle im „Kochbuch für Max und Moritz“  <<<