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Ich bin 1949 in Ummendorf geboren, in der Tiefe Oberschwabens. Ich könnte nicht behaupten, dass hier die Post abging. Eine tolle Kindheit hatte ich trotzdem. Hier poste ich ab und zu Erinnerungen an meine Bengel-Zeit.
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Ein Biberacher namens Werner (links) war in den 60er-Jahre Leadsänger bei „The Outlaws“. „Vinzenz“, wie er sich damals nannte, singt noch heute in einer Mundart-Gruppe. „Die alte Zeit“ hat er den „Outlaws“ gewidmet. In dem Song (bitte YouTube-Video anklicken!) ist unter anderem auch von „Hebo“ die Rede. Das bin ich. Danke, Vinzenz!
Die Geschichte der Rockband „The Outlaws“ (2): Unterricht beim Gitarren-Gott
Freundschaften kann man nicht forcieren. Man kann sie auch nicht erkaufen. Aber man kann sie, wenn man die Schwachstellen des anderen kennt, begünstigen. Zabrini war der Held meiner Jugend. Ich wollte in seinen Dunstkreis vordringen. Und ich kannte Zabrinis Schwachstelle: Rennräder. Er schmückte sich mit Rennrädern wie andere mit Silberkettchen oder Sonnenbrillen. Mal war es ein zehngängiges Rad, auf dem er mit wehendem Bundeswehr-Parka vorbeiraste, mal ein fünfzehngängiges.
Woher er all die verschiedenen Räder hatte, war mir lange Zeit ein Rätsel. Bis ich ihm auf die Schliche kam: Der große, schnelle Zabrini fand immer jemanden in seiner großen Fangemeinde, der ihm ein Rennrad auslieh. Für einen Tag oder auch mal ein ganzes Wochenende.
Mittelmäßigkeit war nicht Zabrinis Ding. Um in den Dunstkreis dieses außergewöhnlichen Menschen zu gelangen, bedurfte es eines besonderen Planes. Den hatte ich.
Was ich nicht hatte, war ein eigenes Rennrad. Aber ich kannte einen Jungen in meiner Parallelklasse, der das coolste, schönste, schnellste Rennrad besaß, das ich bis dahin gesehen hatte. Fred war, anders als Zabrini, eher unglamourös und bodenständig. Sein Ding war der Sport. Sein ganzer Stolz: Ein nagelneues, blütenweißes Rennrad. Mit 24 Gängen! Das musste selbst Zabrini beeindrucken.
Der Deal, um an dieses Wunderwerk der Fahrradtechnik zu gelangen, war schnell eingefädelt. Ich schenkte Fred die vier Hefte des Gitarren-Fernkurses. Dafür lieh er mir für ein Wochenende sein Rennrad aus. Dass mein erster Weg mit dem Superbike gleich zu Zabrini führen würde, hatte ich Fred natürlich nicht erzählt.
Zabrini werkelte an der Soundanlage in der Garage, die seiner Band als Übungsraum diente. „Schickes Radl“, grinst er mich an. „Kann ich mal?“ Ohne mit der Wimper zu zucken, händige ich Zabrini das Rennrad aus. Als er nach einer Proberunde durch die Altstadt zurückkommt, ist er hellauf begeistert. „Leih ich dir. Aber nur fürs Wochenende.“ Zabrini war ein Mann von Klasse. „Was willste dafür haben?“, will er von mir wissen. „Ein paar Barrégriffe auf der Gitarre. Zeigste mir die?“
Zabrini war von dem Deal nicht weniger begeistert als ich. Wir setzen uns hin, tranken Coca Cola, rauchten Gauloise und jammten einfach drauf los. Nach einer Stunde konnte ich „The House of the Rising Sun“ spielen. Nach einer weiteren „When I’m sixty-four“. Wahnsinn! Und zu allen Songs schrieb mir Zabrini die Akkorde auf. Und die Texte. Ich war wie im Delirium. Endlich hatte ich einen, der mir das Gitarrespiel beibrachte. Dazuhin noch so einen coolen Typen wie den großen Zabrini!
Am Ende unserer ersten Jam-Session drückte er mir eine Elektrogitarre in die Hand. Eine Fender! Mehr geht nicht, wenn deine bisherige Gitarre eine Wanderklampfe ist, zu der du für die höheren Tonlagen einen Schraubstock brauchst, so hart ist sie im Griff.
„Morgen muss ich sie wieder haben, sonst landet dein Bike auf dem Müll“, scherzte Zabrini mit diesem Grinsen im Gesicht, das die Biberacher Mädels so mochten. „Wir haben abends einen Gig im Scotchclub“. Sorgfältig packte er die wertvolle Fender in einen Gitarrenkoffer mit vielen Aufklebern drauf, von Städten und Ländern, die ich höchstens mal mit dem Finger auf der Landkarte berührt hatte. Einen kleinen Verstärker klemmte ich mir unter den Arm. Und während ich auf den Bus wartete, der mich nach Hause bringen sollte, flitze Zabrini an mir vorbei. Sein Bundeswehrparka wehte im Fahrtwind. Das weiße Rennrad stand ihm gut, fand ich.
Der große Zabrini wurde später mein Privatlehrer. Bezahlen lassen wollte er sich den Gitarrenunterricht nie von mir. Aber irgend ein schickes Rennrad war immer mal wieder aufzutreiben.
Aus nichts ist mehr Kapital zu schlagen als aus Wissen. Auch wenn dieses Wissen aus zweiter und dritter Hand kommt, gehört es jetzt dir. Und du kannst damit tun und lassen, was du möchtest. Ich wollte das Wissen, das mir Zabrini vermittelt hatte, zu Kapital machen. So wurde ich zum Gitarrenlehrer. Mein Ziel: So viel Geld verdienen, dass ich mir meine eigene Elektrogitarre kaufen kann. Würde ich die erst einmal haben, stünde einer Band nichts mehr im Wege.
Meine erste Schülerin war Gigs. Sie war erst vor kurzem mit ihrer Familie von Bayern nach Ummendorf gezogen. Gigs hatte meinen Zettel am schwarzen Brett im Rathauseingang gelesen. „Gitarrenunterricht jetzt auch in Ummendorf!“ Bei den Gitarregriffen ist es nicht geblieben. Gigs und ich wurden ein Paar. Später zog sie sogar mit mir nach Kanada, kam aber irgendwann nach einer wilden Odyssee über Mexiko wieder nach Deutschland zurück.
Gut zehn Schülerinnen und Schüler meldeten sich nach und nach zum Gitarrenunterricht bei mir an. So richtig viel konnte ich ihnen nicht beibringen. Es gibt vermutlich wenig Instrumente, mit denen du mit relativ wenig Talent mehr Effekt erzielen kannst als mit der Gitarre. Langsam füllte sich meine Kasse. Irgendwann war es soweit: Ich konnte mir meine eigene Elektrogitarre kaufen. Keine Fender, aber immerhin eine Framus. Aus Dankbarkeit für all die früheren Nettigkeiten kaufte ich dieses wunderbare Instrument im Musikladen Engel.
Jetzt musste nur noch eine Band her.