Ein befreundeter Kollege von mir sitzt seit kurzem im Rollstuhl. Gelähmt nach einem Fahrradunfall. Guter Typ. Sportler. Familiy Man. Und jetzt das. Aber anstatt zu klagen, freut er sich über Dinge, die ihm geblieben sind.
„Ich bin froh und dankbar“, schreibt Bruno in seiner Weihnachtsmail, „dass ich bisher noch jeden Tag im Elektrorollstuhl mit Kinnsteuerung an mein Notebook fahren und mittels Mundmaus, einer Art Blasrohr, mein Fenster zur Welt öffnen kann“. Und dann schreibt er noch, ganz Journalist: „Ich kommuniziere, also bin ich.“ Ein Mutmacher.
Börnie, ein Freund, einer meiner besten, sitzt zwar nicht im Rollstuhl. Aber er ist körperlich arg lädiert. Jeder Schritt schmerzt. Mehrere Herzinfarkte. Bypässe. Künstliche Gelenke. Atemnot. „Wandelndes Ersatzteillager“, dürfen wir ihn ungestraft nennen. „Unkaputtbar“, sagt er über sich selbst. Anstatt zu klagen, macht er anderen Menschen Freude. Vor allem den Bewohnern seiner Fast-Heimat Leutkirch im Allgäu. Mehr als 100 mal hat er dort schon den „Talk im Bock“ moderiert, eine von ihm ins Leben gerufene Talk-Veranstaltung im Bockturm.
Börnie war eine große Nummer bei SWR3 und im deutschen Privatfernsehen. Noch heute zieht er die Prominenz an wie das Licht die Motten: Gauck, Waigel, Nowottny, Philipp Lahm und Frank Elstner. Claudia Roth und Henry Maske. Und auch Freifrau Stephanie zu Guttenberg war schon bei ihm. Ohne Fernsehen, ohne Radio. Einfach so. Mein Kumpel macht das ohne Bezahlung, buttert sogar hin und wieder aus der eigenen Tasche etwas dazu. Mutmacher.

Mutmacherin Elke
Elke, das Wunder auf zwei Beinen: Krebskrank, fast blind. Läuft 60 Kilometer, um Geld für die Krebshilfe zu sammeln. 75 000 Dollar hat sie auf diese Art schon zusammengetrommelt. Jammert nicht. Bekocht Freunde in Montréal mit Sauerbraten und Knödel. Freut sich wie ein Kind über jedes Hilfsmittel, das ihr, trotz schwerster Sehstörung, noch den Zugang ins Internet ermöglicht. Mutmacherin.
Mein Nachbar Scott. Einst Topjob-Mann mit Spesenkonto und mehr Flugmeilen auf dem Konto als ein einziger Mensch in einem Leben verfliegen kann. Verliert den Job im falschen Alter. Fällt kurz in ein Loch, berappelt sich und arbeitet jetzt als Swimmingpool-Reiniger. Bleibt dadurch fit. Jammert nicht, hält trotz des wirtschaftlichen Einbruchs Haus, Hof und Familie zusammen. Mutmacher.
Marga, 91. Wohnt in ihrem Hexenhäuschen 150 Meter von uns. Ganz allein. Putzt, kocht. Fährt jeden Tag mit dem Auto ins Dorf. Lächelt am Steuer, kommt daher wie aus dem Ei gepellt. Winkt nach links und nach rechts und freut sich über den Tag, den ihr der Große Fahrlehrer wieder geschenkt hat. Backt Kuchen für die Nachbarschaft und füttert ihren Privatzoo. Eichhörnchen, Waschbären, Erdhörnchen, Vögel. Schreibt Briefe, in denen kein Komma fehlt. Diskutiert über Eurohilfe und Sozialismus. Mutmacherin.
Unsere Nachbarin Lise am See. Blutgerinnsel im Kopf. Lebt mit einer Zeitbombe. Wartet seit Monaten auf einen OP-Termin beim Gehirnchirurgen. Klagt nicht. Schreibt: „Ich verbringe die Zeit mit Kochen und genieße das Leben in der Natur“. Mutmacherin.
Vorsätze fürs neue Jahr? Weniger jammern. Fangen wir an: Einen Teufel werde ich tun, über meine schmerzende Schulter zu klagen und über mein lädiertes Knie. Über den Nachbarn, der am Weihnachtsmorgen vor seinem Haus Plastikreste verbrennt. Die Schlaglöcher vor unserem Haus, die uns demnächst verschlucken werden. Den Krachmacher zur linken, der uns mit seinem Rasenmäher, der Motorsäge, der Fräse und dem Dieselaggregat die Ohren volldröhnt. Und ich werde mich auch nicht mehr über die minus 20 Grad beklagen, die uns der kanadische Winter heute wieder eingebrockt hat.
Ich will auch Mutmacher werden!