Drei Männer und ein Dilemma

Screen Shot 2014-10-21 at 10.40.04 AM

Entscheidungen werden im Alter nicht leichter. Nehmen wir ein Treffen mit zwei langjährigen Freunden. Da wird ein geplantes Mittagessen schnell zum logistischen Albtraum.

Früher war alles … nein, nicht besser. Aber irgendwie einfacher. Man verabredete sich zum Lunch beim Inder. Den mochten alle, vertrugen alle, konnten alle bezahlen. Und keinem war der Weg zu weit.

Heute? Nicht mehr daran zu denken.

Der eine hat Probleme mit dem Magen, der andere mit der Hygiene, dem dritten passt die Location nicht. Gestrichen.

Wie wär’s mit der elsässischen Brauereistube? „Mochte Bier noch nie“, sagt der eine. „Darf kein Bier mehr trinken“, der andere. Außerdem sei der Elsässer schalltechnisch eine Katastrophe. Der dritte denkt, er hätte den Kompromiss schlechthin: „Ich kenne da ein hübsches französisches Café“.

„Prima“, sagt der eine. „Einverstanden“, mailt der andere. Und der dritte tut das, was Rentner so tun, wenn sie zu viel Zeit haben: Er googelt. Und verschickt als Rundmail einen Link mit miserablen Kunden-Bewertungen. „Von mir aus“, mault er trotzig, „aber nur in Begleitung eines Arztes“.

Der Zufall will es, dass einer von uns Arzt ist. Nur eine Überlebens-Garantie kann uns angesichts der bedrohlichen Hygiene-Bedenken im Café auch der Mediziner nicht geben.

Und jetzt? Keine Ahnung. In knapp zwei Stunden ist Mittag. Und wir haben immer noch kein Lokal für unser Treffen.

„Wie wär’s mit einem Spaziergang statt Kaffee und Kuchen?“

Ganz schlecht. Ausgerechnet heute spinnt mein Knie.

——————————-

NACHTRAG: Der Elsässer hat gewonnen! Richtig schön war’s. Und alle hatten sich lieb.

„Ich bin froh und dankbar“

Ein befreundeter Kollege von mir sitzt seit kurzem im Rollstuhl. Gelähmt nach einem Fahrradunfall. Guter Typ. Sportler. Familiy Man. Und jetzt das. Aber anstatt zu klagen, freut er sich über Dinge, die ihm geblieben sind.

„Ich bin froh und dankbar“, schreibt Bruno in seiner Weihnachtsmail, „dass ich bisher noch jeden Tag im Elektrorollstuhl mit Kinnsteuerung an mein Notebook fahren und mittels Mundmaus, einer Art Blasrohr, mein Fenster zur Welt öffnen kann“. Und dann schreibt er noch, ganz Journalist: „Ich kommuniziere, also bin ich.“ Ein Mutmacher.

Zur Homepage

Börnie, ein Freund, einer meiner besten, sitzt zwar nicht im Rollstuhl. Aber er ist körperlich arg lädiert. Jeder Schritt schmerzt. Mehrere Herzinfarkte. Bypässe. Künstliche Gelenke. Atemnot. „Wandelndes Ersatzteillager“, dürfen wir ihn ungestraft nennen. „Unkaputtbar“, sagt er über sich selbst. Anstatt zu klagen, macht er anderen Menschen Freude. Vor allem den Bewohnern seiner Fast-Heimat Leutkirch im Allgäu. Mehr als 100 mal hat er dort schon den „Talk im Bock“ moderiert, eine von ihm ins Leben gerufene Talk-Veranstaltung im Bockturm.

Börnie war eine große Nummer bei SWR3 und im deutschen Privatfernsehen. Noch heute zieht er die Prominenz an wie das Licht die Motten: Gauck, Waigel, Nowottny, Philipp Lahm und Frank Elstner. Claudia Roth und Henry Maske. Und auch Freifrau Stephanie zu Guttenberg war schon bei ihm. Ohne Fernsehen, ohne Radio. Einfach so. Mein Kumpel macht das ohne Bezahlung, buttert sogar hin und wieder aus der eigenen Tasche etwas dazu. Mutmacher.

Mutmacherin Elke

Elke, das Wunder auf zwei Beinen: Krebskrank, fast blind. Läuft 60 Kilometer, um Geld für die Krebshilfe zu sammeln. 75 000 Dollar hat sie auf diese Art schon zusammengetrommelt. Jammert nicht. Bekocht Freunde in Montréal mit Sauerbraten und Knödel. Freut sich wie ein Kind über jedes Hilfsmittel, das ihr, trotz schwerster Sehstörung, noch den Zugang ins Internet ermöglicht. Mutmacherin.

Mein Nachbar Scott. Einst Topjob-Mann mit Spesenkonto und mehr Flugmeilen auf dem Konto als ein einziger Mensch in einem Leben verfliegen kann. Verliert den Job im falschen Alter. Fällt kurz in ein Loch, berappelt sich und arbeitet jetzt als Swimmingpool-Reiniger. Bleibt dadurch fit. Jammert nicht, hält trotz des wirtschaftlichen Einbruchs Haus, Hof und Familie zusammen. Mutmacher.

Marga, 91. Wohnt in ihrem Hexenhäuschen 150 Meter von uns. Ganz allein. Putzt, kocht. Fährt jeden Tag mit dem Auto ins Dorf. Lächelt am Steuer, kommt daher wie aus dem Ei gepellt. Winkt nach links und nach rechts und freut sich über den Tag, den ihr der Große Fahrlehrer wieder geschenkt hat. Backt Kuchen für die Nachbarschaft und füttert ihren Privatzoo. Eichhörnchen, Waschbären, Erdhörnchen, Vögel. Schreibt Briefe, in denen kein Komma fehlt. Diskutiert über Eurohilfe und Sozialismus. Mutmacherin.

Unsere Nachbarin Lise am See. Blutgerinnsel im Kopf. Lebt mit einer Zeitbombe. Wartet seit Monaten auf einen OP-Termin beim Gehirnchirurgen. Klagt nicht. Schreibt: „Ich verbringe die Zeit mit Kochen und genieße das Leben in der Natur“. Mutmacherin.

Vorsätze fürs neue Jahr? Weniger jammern. Fangen wir an: Einen Teufel werde ich tun, über meine schmerzende Schulter zu klagen und über mein lädiertes Knie. Über den Nachbarn, der am Weihnachtsmorgen vor seinem Haus Plastikreste verbrennt. Die Schlaglöcher vor unserem Haus, die uns demnächst verschlucken werden. Den Krachmacher zur linken, der uns mit seinem Rasenmäher, der Motorsäge, der Fräse und dem Dieselaggregat die Ohren volldröhnt. Und ich werde mich auch nicht mehr über die minus 20 Grad beklagen, die uns der kanadische Winter heute wieder eingebrockt hat.

Ich will auch Mutmacher werden!

Von Freunden und „Friends“

Ein Leben im Ausland ist ein Leben voller Kompromisse. Das gilt auch für Freundschaften. Wenn einer geht und der andere bleibt, kannst du Freundschaften nur bedingt in dein neues Leben hinüber retten. „Friends“ habe ich in Kanada jede Menge gefunden. Aber was ist schon ein „Friend“ im Vergleich zu einem Freund!

Es gibt sie noch, die „Freunde fürs Leben”. Drei, vier davon sind mir in Deutschland nach meiner Auswanderung geblieben. Dabei hatte ich mir damals fest vorgenommen, mit allen Menschen, die mir etwas bedeuten, für immer und ewig Kontakt zu halten. Doch dann schlüpfen sie dir irgendwann durch das Fischnetz des Lebens. Nicht, weil sie dir nichts mehr bedeutet hätten. Sondern, weil Freundschaften zu verwalten irgendwann zu einem Job wird. Und das kann es ja nicht gewesen sein.

Richtig dicke Freundschaften sind organisch mit dir gewachsen

Mit den richtig guten Freunden ist das anders. Wir mailen uns und skypen und telefonieren und freuen uns, wenn wir uns sehen. An solchen Freundschaften musst du arbeiten, sonst entgleiten sie dir. Richtig dicke Freundschaften sind organisch mit dir gewachsen. Manche Menschen, von denen du als Freund gegangen bist, werden im Laufe der Jahre zu Bekannten. Oder bleiben dir einfach als nette Kollegen im Gedächtnis. Auch sehr schön. Aber Freunde?

Wohl kaum ein anderes Wort der englischen Sprache ist in der direkten Übersetzung so irreführend wie „Friends“. „Friends“ habe ich in Kanada jede Menge. Und auch ein paar richtig gute Freunde. Ein Freund ist einer, dem ich nicht nur die Höhe meines Blutdrucks anvertrauen möchte. Er ist vor allem einer, der sich auch dafür interessiert. Einem „Friend“ erzähle ich gerade noch vom neuesten eBook, das ich zurzeit lese.

Mitleid kriegst du umsonst. Neid musst du dir verdienen.

Ein „Freund“ meldet sich bei mir nicht nur, wenn er gerade eine Telefonnummer braucht. Oder plant, demnächst ein paar nette Tage in Montréal zu verbringen. Er ist immer an deinem Leben interessiert. Und du an seinem. Umgekehrt zuckt ein „Friend“ schon mal innerlich zusammen, wenn ich ihm oder ihr erzähle, dass wir den kanadischen Winter dick haben und deshalb zeitweise nach Mallorca ziehen. So ist das halt mal: Mitleid kriegst du umsonst. Neid musst du dir verdienen.

Jeder meiner kanadischen „Friends“ hat viele andere „Friends“. Meine deutschen Freunde haben dagegen, ähnlich wie ich, nur zwei, drei Freunde. In Kanada hast du einen „Friend“ für den Sport, einen für die Musik, einen weiteren fürs Kino. Und wenn’s hoch kommt noch einen, mit dem du gerne essen gehst, weil er den Unterschied zwischen Ingwer und Zitronengras kennt. Und natürlich kenne ich jede Menge „Friends“, die sich gegenseitig bei Facebook adden.

Und sich irgendwann wundern, dass sie beim Umzug alleine vor gepackten Kisten stehen.

Keine Angst vor langen Strecken

Sind wir bald da? Nein, sind wir nicht. Von riesigen Entfernungen lässt sich der Kanadier nicht so leicht abschrecken. Wer in einem Land lebt, das 40 mal so groß ist wie Deutschland, tut gut daran, sein Verhältnis zu langen Strecken zu überdenken. Als wir uns jetzt mit sieben Nachbarn in einem Restaurant trafen, hatte jeder von uns einen Anfahrtsweg von zwei Stunden hinter sich.

Gewöhnlich sehe ich meine Nachbarn beim Rasenmähen oder auf dem Weg zum Briefkasten. Allenfalls noch bei einer Grillparty, wenn irgendwo im Viertel ein neuer Pool eingeweiht wird. Eigentlich schade. Einige unserer Nachbarn sind richtig nett. Doch besonders jetzt, im Spätherbst und im Winter, igelt sich jeder langsam ein. Die ohnehin schon spärlichen Begegnungen werden noch weniger.

Einer von uns hatte jetzt die Idee: Wir treffen uns beim Thailänder. Da saßen wir also gestern Abend an einem wunderbar gedeckten Tisch im „PayaThai“ an der Rue Laurier, im östlichen Teil von Montréal. Neun Nachbarn, die kaum einen Steinwurf voneinander entfernt wohnen. Ein schöner Abend. Aber auch ganz schön aufwendig. Und leider so gar nicht umweltfreundlich, zumal Carpooling nicht möglich war.

Als ich noch in Winnipeg (Manitoba) wohnte, hatte ich eine Freundin im 1300 Kilometer entfernten Calgary (Alberta). Das entspricht der Strecke von Stuttgart nach Neapel. Diesen Weg habe ich eine Zeitlang jedes Wochenende zurück gelegt. Mit dem Auto. Und wieder zurück. „Life is a Highway“, singt Tom Cochrane. Er ist Kanadier.

Da saßen wir als nun. Neun Nachbarn. Aßen Pad Thai und Ente in grünem Curry und erzählten uns von der Überwindung des Raumes. John war gerade aus Vancouver eingeflogen. 3700 Kilometer. Mit dabei: Seine Schwiegermutter. Sie ist 93 und kam gerade aus Budapest zurück. Entfernungen? Welche Entfernungen?

Bei solchen Distanzen verschlägt es manchen europäischen Besuchern den Atem. Die meisten Kanadier, die ich kenne, lassen sich davon nicht beirren.

Scott, ein anderer Nachbar, fährt übermorgen mal kurz nach Toronto. 600 Kilometer. Ein Weg.

Und John, der eben erst von Vancouver eingeflogen war? Ist heute früh kurz mal von Montréal nach New York City gefahren. 600 Kilometer. Zu einem Footballspiel. Mit dem Auto. Wollte unbedingt die New York Jets spielen sehen. John, by the way, wird nächstes Jahr 80.

„Entfernungen sind bedeutungslos“, sagt der Volksmund. „Sich nahe zu sein, ist eine Sache des Herzens“. Oder auch eine Sache des Football-Clubs.

Privatfernsehen für die Welt

Telefonieren Sie noch, oder skypen Sie schon? Ich finde, Skype ist ein Segen für alle, die weit weg wohnen. Man sieht sich, hört sich und nimmt auch mal den Hund auf den Schoß oder das Baby. Dass das Baby meistens zum falschen Moment kräht und der Hund ausgerechnet Gassi gehen will, wenn Showtime ist, liegt in der Natur der Sendung. Skype ist wie Live-TV, nur schöner. Dein ganz privater Fernsehkanal mit den Hauptdarstellern deiner Wahl.

Vor gut 20 Jahren war ich zu Besuch bei RTL. Auf einem Chef-Schreibtisch stand ein Videotelefon. So einen Apparat hatte ich bis dahin nur bei CNN-Korrespondenten gesehen. Auf meine Frage, was das Gerät denn so alles könne, meinte der Kollege: „Vor allem Geld schlucken und schlechte Bilder liefern“.

Erst Netmeeting, dann Skype: Text, Bild, Ton – und alles für lau

Bill Gates muss unser Gespräch mitgehört haben. Denn bald kam Netmeeting auf den Markt. Ein schreckliches Programm. Aber immerhin konnte man damit theoretisch per Video chatten. Es dauerte eine Zeitlang, bis die richtig coole Lösung kam. Und die hieß Skype. Ein geschmeidiges Chat-Tool, das Bild und Ton liefert. Und keinen Cent kostet.

Damit fing alles an: Videotelefon

Es gibt genau fünf Freunde, mit denen ich regelmäßig skype. Meistens klappt die Verbindung wie am Schnürchen. Hin und wieder schwächelt sie. Dann verbringt man die meiste Zeit damit, darüber zu rätseln, warum das Skypen diesmal nicht funktioniert.

Miese Qualität? Schuld sind immer die andern

Und weil Skype aus dem richtigen Leben kommt, sucht man die Fehler natürlich immer zuerst beim andern. „Du musst die Kamera-Konfiguration überprüfen!“ Oder: „Du solltest endlich mal den Ton richtig aussteuern!“ Oder, etwas energischer: „Hast du mir eigentlich zugehört, als ich dir neulich sagte, du sollst verdammt noch mal endlich einen neuen Treiber runterladen?!!!!!“

Seitdem mein Freund Peter seinen neuen Tablet-PC benützt, verbringen wir wieder mehr Zeit am Telefon. Oder aber Skype wird zur Einbahnstraße. Gut, dass Peter eine schöne Stimme hat. Der höre ich zwar gerne zu. Aber das Gesicht zur Stimme wäre auch nicht schlecht. Schließlich hat der liebe Gott Skype erfinden lassen, damit wir Stimmen UND Gesichter gleichzeitig auf dem Bildschirm hören und sehen können.

Nervig: Bildstörung

Einige meiner Freunde verdienen ihr Geld beim Fernsehen. Da müsste man eigentlich denken, alles verlaufe hochprofessionell. Von der Bildeinstellung über die richtige Ausleuchtung bis hin zur Windrichtung des Zimmer-Ventilators. Bei einem meiner TV-Kumpels klappt das auch ganz gut. Beim anderen sieht mein Monitor oft aus wie früher das Testbild im Schwarzweiß-Fernseher meiner Eltern. Und natürlich ist es alles meine Schuld. Ganz stressfrei ist skypen also nicht. Aber zum Glück gibt es ja noch Facetime. Das funktioniert allerdings nur, wenn beide Teilnehmer ein iPhone 4 haben. Kings of Gadgets unter sich.

Handy-TV: Kein Ruckeln und Zuckeln

Neulich warf Frank sein Handy an, als Mama bei ihm zu Besuch war. Das war Fernsehen vom Feinsten. Kein Ruckeln und Zuckeln und nicht die Spur einer Tonstörung. Bei ihrer ersten Live-Show bewegte sich die 82jährige Dame dermaßen souverän vor der Kamera, dass der Sohn vom Fernsehen später neidlos anerkennen musste: „Als hätte sie ihr Leben als ARD-Korrespondentin in Washington verbracht.“