Willkommen zu einer Hochzeit made in Canada: Eine Mischung aus Hollywood, Next-Supermodel und Freunde-was-kostet-die-Welt. Ein wunderschönes Fest mit Glamourfaktor hundert.
Katina, die Braut: Eine kluge junge Frau aus der ehemaligen Nachbarschaft. Man kennt sich seit ihrer Kindheit. Sean, der Bräutigam: Ein netter Kerl, von dem bisher nur bekannt ist, dass es Liebe auf den ersten Klick war. Das Internet kann vieles, auch Herzen erobern.
Die Braut hat italienische Vorfahren, der Bräutigam schottische. Pasta und Dudelsack unter einen Hut zu bringen, ist gar nicht schwer. Man nehme nur, naja, Pasta und Dudelsack eben. Die Pasta gibt’s als Vorspeise beim Dinner. Den Dudelsack als Entrée in der Kirche.
Wenn Kanadier heiraten, lassen sie es krachen. Da darf die Hochzeitskutsche schon mal ein antiker Bentley sein und das Gefährt für die Eltern eine Stretch-Limousine mit Bar und eingebautem Fernseher. Dabei sind die Eltern der Braut weder richtig reich und gleich gar nicht berühmt. Sie meinen es einfach nur gut mit dem Töchterlein – und zeigen dies auf ihre Art.
Wen in Kanada sich zwei trauen, lassen sie sich dabei gerne zugucken. 120 bis 200 Gäste kommen ganz schnell zusammen. Das läuft ins Geld. 30.000 Dollar für so eine Sause sind keine Seltenheit. Es gibt Familien, die legen bei der Geburt ihrer Kinder einen Fundus an, der bis zur Hochzeitsreife so weit gediehen ist, dass davon ein Großteil der Unkosten abgedeckt werden kann.
Die Braut schreitet am Arm des Vaters in Richtung Traualtar. Papa übergibt Kind zeremonienreich dem Bräutigam. Dazu gibt’s ein Ave Maria mit kleinem Kammerorchester. Wer sich jetzt noch nicht mit Papiertaschentüchern eingedeckt hat, ist selbst Schuld.
Schleier und Kilt – Strumpfdolch inklusive
Die Kleiderordnung ist von allergrösster Bedeutung. Was Braut und Bräutigam tragen, wird erst unmittelbar vor dem Kirchgang publik. Das nennt sich dann „revealing“. Die Braut zeigt sich in einem ausladenden Kleid mit imposantem Schleier. Der Bräutigam im schottischen Kilt, inklusive Strumpfdolch.
Das Ja-Wort wird am Altar im Beisein des Geistlichen mit einem innigen Kuss besiegelt. Der liebe Gott drückt heute mal ein Auge zu.
Hochzeit, zweiter Teil: Ein Hotel, ein sehr feines. Erst „reception“ mit Fingerfood, Cocktails und Pub-Musik. Jeder Gast hinterlässt seinen Fingerabdruck auf einem Lebensbaum, der als Poster im Eingang aufliegt.
Hochzeit, dritter Teil: Ballsaal. Braut-Papa erzählt aus dem Leben der Tochter, auf die der Kerl mit den schottischen Vorfahren verdammt noch mal aufpassen soll. Im Hintergrund eine Diashow mit Kinderbildern. Sehr rührend, sehr liebevoll.
Die Rechnung zahlt fast immer der Vater der Braut
Viele Freunde halten viele Reden – so schön, als hätten sie in ihrem Leben nie etwas anderes gemacht als richtig gute Reden gehalten. Tanz. Mehrgängiges Menü. Getränke von der „open bar“, was so viel heißt wie: Papa zahlt die Rechnung. Bestenfalls teilt er sie mit dem Schwiegerpapa. Aber in der Regel wird in Kanada der Brautvater allein zur Kasse gebeten.
Die Tischnachbarn sind mit Bedacht ausgesucht. Im Einwandererland Kanada ist die multikulturelle Vielfalt immer ein Thema. Von den fünf Paaren, die an unserem Tisch saßen, kam gerade mal eine Frau in Kanada zur Welt. Die anderen stammen aus Indien, Santa Lucia, Ägypten, Spanien und Deutschland. Hat da irgendjemand Prost gesagt?
Zwischen den Gängen, der Musik, den Reden gibt’s immer wieder Klingeltöne – nein, nicht aus dem Handy, sondern vom Glöckchen, das zum Tischgedeck gehört. Kanadische Hochzeitsgäste kennen das Spiel: Wenn’s bimmelt, müssen sich Mister and Misses Newlywed küssen. Das machen sie gerne und oft.
Schenken leicht gemacht: Die Wunschliste gibt’s online
Beim Abschied dann noch der Gang zum „sweet buffet“. Dort stapeln sich Dutzende von Tellern mit Cookies und selbstgemachten Schokohäppchen – gespendet von den Hochzeitsgästen. Das sind die kleinen Gesten. Für die großen Geschenke hat das Brautpaar schon Wochen vor dem Fest im Traditionskaufhaus „Hudson’s Bay Company“ eine Wunschliste auslegen lassen. Diese ist auch über die eigens freigeschaltete Internetseite einzusehen. Doppelungen beim Einkauf sind so gut wie ausgeschlossen: Was gekauft wurde, taucht enfach nicht mehr in der Liste auf.
Ein richtig schönes Fest also, bei dem Papa und Mama schon mal den Ernstfall üben konnten. Es gibt da nämlich noch zwei weitere Töchter. Auch die möchten irgendwann mal aus dem Bentley steigen.
Wenn die Ehe von Bestand ist, hat sich das Investment des Brautvaters gelohnt. (Oder auf gut schwäbisch: „No sott’s wenigschtens heba“)
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Danke schön, lieber Herbert, für die viele Bilder erzeugende Schilderung. Ich nehme an, bei weniger begüterten Brautvätern geht’s genau wie in Deutschland auch ein bis zwei Nummern kleiner, also gemieteter Saal, weniger Menschen und jeder bringt etwas mit, nicht nur die Süßigkeiten.
Wichtiger scheint mir die Atmo des Zusammensitzens, der Völkerverständigung. Das hat ja bei dieser Hochzeit gut geklappt. Da gibt’s auch anderes, auch in Deutschland.
Meine Art zu feiern wäre es nicht, aber ich kann es aus anderer Sicht gut verstehen und schließe meine Anerkennung für Deinen Bericht mit dem seit altersher bekannten Satz: jedem Tierchen sein Pläsierchen.
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