Frank Plasberg: Freund, Talker, Patenonkel und Trauzeuge

FRANK AUF DER FARM – Foto: Michelle Schreck

Die Freundschaft zwischen dem Lokalredakteur Herbert Bopp aus Ummendorf und dem späteren Starmoderator Frank Plasberg aus Köln begann vor gut 45 Jahren in einer Kneipe im Allgäu. Ich saß mit Kollegen bei Bier und Maultaschen im “Blumenstrauß”. Aus der Küche schwappten kluge Wortfetzen zu uns herüber – auf Hochdeutsch! Da klingen im oberschwäbischen Leutkirch sämtliche Alarmglocken.

Ein dünner Kerl im schwarzen Rolli erklärt dem Küchenpersonal zu später Stunde seine Welt. Frank Plasberg hatte sein Publikum gefunden – damals noch ohne Fernsehkameras.

Er war gerade mal achtzehn und hatte kurz zuvor bei der Schwäbischen Zeitung in Leutkirch eine Ausbildung als Redakteur begonnen. 

Frank ist Frank geblieben. Nur ist er heute nicht mehr der 18jährige Küchenpsychologe vom “Blumenstrauß”. Als kluger Welterklärer und messerscharfer Analytiker wurde er zum sprachgewaltigen Fernsehstar. Seine Sendung “hart aber fair” wurde mit Preisen überhäuft. 

Vor wenigen Tagen war Schluss. Nach 22 Jahren hat sich Frank Plasberg von seiner Polit-Talkshow verabschiedet. “Es ist genug”, resümierte er in einem der Dutzenden von Interviews, die er zu seinem Abschied gegeben hat.

Was ein großer Verlust fürs Fernsehpublikum ist, entpuppt sich als Gewinn für uns: Endlich hat Frank wieder einmal Zeit, uns in Montreal zu besuchen. 

Waren es 12, 15 oder gar 18 Mal, die Frank schon bei uns zu Gast war? Wir bekommen es nicht mehr auf die Reihe. Aber was sind schließlich Zahlen, wenn es um etwas so Großes wie “Freundschaft” und “Patenonkel” geht. Der ist nämlich Frank für Cassian. 

Ich habe Frank nicht nur eine Freundschaft zu verdanken, die jetzt schon ein Erwachsenenleben andauert. Er war es auch, der aus mir, dem gelernten Zeitungsreporter, einen Radiojournalisten machte.

Frank arbeitete damals als Moderator bei SWF3, ich hatte gerade mein Korrespondenten-Büro in Montreal eröffnet. Frank kam, richtete mit mir zusammen ein kleines Tonstudio ein, half mir mit Tipps und Kontakten auf die Sprünge. Vom schnörkeligen Zeitungs-Deutsch müsse ich mich jetzt leider verabschieden, sagte er. Beim Radio sei „Sprechsprache“ gefragt. „Sag einfach, was Sache ist“.

Ohne Frank wäre ich nicht da, wo ich heute bin. So einfach ist das.

Wir haben zusammen Campingurlaub gemacht, gekocht, gegessen, gefeiert und getrunken. Wir haben geschrieben, gefilmt, fotografiert und recherchiert. Wir waren im Team unterwegs durch Kanada und die USA. Und natürlich haben wir uns häufig auf Mallorca getroffen, auch in Köln. Und immer wieder im Allgäu.

Wir machen das, was Freunde so machen: Viel Zeit miteinander verbringen, auch wenn es logistisch nicht immer einfach ist.

Runde Geburtstage? Frank war da. Wie damals, an diesem bitterkalten 12. Februar, als wir noch in dem Dorf Hudson lebten. Es ist abends, irgendwann klopft es an die Tür. Ein Blick in die Winternacht hinaus: Nichts!

Kurze Zeit später klopft es wieder. Genervt gehe ich an die Tür. Wieder niemand. Aber aus dem frischen Schnee auf dem Autodach ragt eine Flasche Himbeergeist. „Schladerer“, meine Lieblingsmarke. Und ich wusste: Wo „Schladerer“ ist, ist auch Frank nicht weit. Er hatte wieder einmal eine Geburtstags-Überraschung geschafft.

Einmal führte uns eine Recherche-Reise zu den Amisch-People nach Pennsylvania. Ein andermal zu den Niagarafällen. Und auch bei der Münchner “Abendzeitung” standen unsere beiden Namen einmal in einer Autorenzeile. Ein Verwirrter hatte sich vom Ulmer Münster gestürzt und beim Aufprall ein unbeteiligtes Pärchen mit in den Tod gerissen.

DER PATENONKEL: Frank und Cassian,1987

Franks Besucherprogramm in Montreal war diesmal überschaubar. Ein Besuch im jüdischen “Smoked Meat”-Diner “Schwartz’s” war ein Muss, eine Nacht auf Cassians Farm das reine Vergnügen. Ein verspätetes Thanksgiving-Dinner bei guten Freunden ein kulinarisches Highlight. 

Dazwischen viele Plauderstunden mit Geschichten, die fast schon in Vergessenheit geraten wären. Zum Beispiel diese hier:

Frank und ich waren irgendwann in den 80er-Jahren in Manitoba unterwegs. Ein unbeschrankter Bahnübergang hatte es dem Kölner Eisenbahn-Fan angetan. Frank bestand darauf, die Ankunft des Zuges abzuwarten. Irgendwo im Nirgendwo der kanadischen Prärie schnappte er sich einen Campinghocker und setzte sich ans Bahngleis. 

Kanadische Güterzüge sind lang. Wie lang? Frag Frank.

Der legt ein Ohr auf die Schienen und tippt auf “30 bis 40 Waggons mit mindestens zwei Loks”.  Es wäre gelogen zu behaupten, ich wüsste noch, ob er richtig lag oder falsch. Ich tippe auf richtig.

Richtig ist auf jedenfall, dass Lore Frank schon länger kennt als ich – unabhängig von mir. Sie lebte schon vor mir als Künstlerin in Leutkirch, als der Kölsche Jung im “Blumenstrauß” seine Welt verklickerte. 

An Frank führte im Allgäu schon bald kein Weg mehr vorbei. An Lore übrigens auch nicht. Sie wurde Jahre später meine Frau. 

Unser Trauzeuge? Frank Plasberg.

Ein Garant für Beständigkeit war er schon immer. Wir sind seit 35 Jahren verheiratet.

DER TRAUZEUGE: Frank, rechts, 1987
FREUND UND MALLORCA-FAN: (2017)
TV-TALKER FRANK: Bei seiner letzten Sendung am 14. November 2022

Tod eines Straßenmusikers

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Mein Kumpel Steve ist tot. Steve Petitpas war die tragende Säule der Montrealer Straßenmusikerszene. Ein begnadeter Gitarrist mit einer wuchtigen Stimme und einem Repertoire, das in seiner Größe nur noch von seinem guten Herzen übertroffen wurde.

Dass ihn am vorigen Sonntag ausgerechnet dieses große Herz von einer Sekunde auf die andere im Stich gelassen hat, ist eine Tragödie nicht nur für Steves Angehörige, dich ich gestern Abend bei einer „Celebration of Life“ kennenlernen durfte. Die Montrealer „Busker“-Szene verliert mit Steve Petitpas einen ihrer besten Musiker. Der Mann mit Hut wurde nur 56 Jahre alt.

Der Straßenmusiker starb nicht auf der Straße. Ein Herzinfarkt riss ihn nachts beim Teekochen in seiner bescheidenen Wohnung im Stadtteil St. Henri aus dem Leben.

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Steve in der Rue St.-Paul.

Es muss der Sommer des Jahres 1990 gewesen sein, als mir Steve Petitpas zum ersten mal aufgefallen ist. Da wippte einer von einem Fuß auf den anderen und rockte, damals noch mit einem Sidekick namens Mick, den Place Jacques-Cartier, drunten am Alten Hafen. Ein langer Kerl mit langer Mähne und dem breiten Lächeln des unbekümmerten Sunnyboy. Einer, der immer, je nach Lebenssituation, entweder ein paar Pfund zu wenig oder aber zu viel auf den Rippen hatte.

Er rockte wie Elvis und schnulzte wie Paul Anka. Und wenn jemand Lady Gaga von ihm hören wollte, war auch das kein Problem für ihn. Kein Beatles-Song, den er nicht kannte, kein Stones-Lied, das er nicht virtuos vortrug. Manchmal machte er sich einen Spaß daraus, wunderbare Harmonien während des Vortrags mit schrägen Tönen zu verschandeln, einfach so.

Warum er das mache, wollte ich einmal von ihm wissen, zum Beispiel bei „Yesterday“, das ja von Haus aus so schön ist, dass es keinen schrägen Ton verträgt. „Just for the hell of it“, sagte Steve dann.

Ein Free Spirit, dem vieles egal war und doch nicht alles wurscht.

Er hasste Ungerechtigkeit, Bürokratie und vor allem verabscheute er Donald Trump. Alle drei hätten seiner Meinung nach in einen Sack gehört – und dann draufhauen mit dem Knüppel. Warum ihm die Stadtverwaltung plötzlich ein genau vorgeschriebenes Zeitfenster aufbrummte, in dem er zu spielen hatte, konnte er nie nachvollziehen. Keiner der anderen Montrealer Street Performer übrigens auch nicht.

Als jemand, der sich als Teenager selbst seine Roadtrips mit Straßenmusik

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Busker Bopp, Stuttgart, 1970

finanzierte, hatte ich von Anfang an einen guten Draht zu Steve. Ich erzählte ihm von meinen Gigs in Paris und Bologna und Marseille und Madrid und wie ich damals mit meiner Wandergitarre oft einen Instrumentenkoffer voller Münzen und Scheine erspielte.

Steve wiederum brachte mir seine Welt nahe, die Welt des Montrealer Buskers. Es war nicht immer ein leichtes Leben, gerade in einer Stadt wie Montreal, wo der Sommer manchmal erst anfängt, wenn der Kalender schon hurtig dem Winter entgegen geht.

Als ich gestern Abend mit Peter Snow, einem befreundeten Straßenzauberer, zur Steves „Celebration of Life“ zum Südufer des St.-Lorenz-Stroms gefahren bin und wir stundenlang in der rush hour steckten, gedachten wir eines Mannes, der mit seinem Wortwitz, auch mit seiner Mimik, nie erwachsen werden wollte.

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Eintrag ins Kondolenzbuch: Der Magier Peter Snow.

Dass Steve Petitpas viel mehr war als ein Straßenmusiker (der übrigens einen perfekten Uni-Abschluss hatte), erzählte mir gestern Abend sein Bruder Randy. Steve habe Tausende Manuskriptseiten an Essays, Prosa und Gedichten hinterlassen.

Nichts davon ist je veröffentlicht worden. Auch das war Steve Petitpas.

Ein Showman, dessen Bescheidenheit ihn möglicherweise von einer großen Künstlerkarriere abgehalten hat.

Einen früheren Blogpost über die Busker-Szene in Montreal gibt’s   >> HIER <<

Felix – eine schöne Geschichte

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Es gibt da diese Geschichte von Cassian und Felix: Als unser Sohn in die Montrealer Waldorfschule kam und sich unter all denen, die da ihren Namen tanzen konnten, etwas verloren fühlte, stand plötzlich dieser kleine Junge mit stahlblauen Augen und pechschwarzem Haar neben ihm und nahm ihn bei der Hand. Es war Felix Bujold. Heute, 20 Jahre später, gehört er zu den erfolgreichsten Fotomodellen der Welt.

„Komm mit“, sagte der Bub auf Französisch „ich stell’ dir meine Freunde vor“. Wenn Cassian heute die Zeit an der Montrealer „École Rudolf Steiner“ als „die schönste meines Lebens“ bezeichnet, hat das viel mit dem kleinen Jungen von damals zu tun. Mit Felix Bujold.

Cassian und Felix: Einmal Freunde – Immer Freunde

So unterschiedlich ihre beiden Leben auch verlaufen sind – der Kontakt zwischen Felix und Cassian ist nie abgerissen. Heute, ausgerechnet am kältesten Tag des Jahres, stattete uns der Bub von damals, der inzwischen in der ganzen Welt zuhause ist, einen Besuch ab.

Circa 2000; Felix (links) und Cassian. Foto: Privat

Die Haut vom letzten Fotoshooting in Bora Bora ist noch leicht gebräunt. Viel Zeit kann Felix diesmal nicht in Montreal verbringen. Er muss zum Shooting nach New York. Dort hat er seinen Lebensmittelpunkt.

Seine Wohnung in Montreal sieht er nur selten. Das Apartment in Los Angeles hat er kürzlich aufgegeben. Dafür verbringt er jetzt mehr Zeit in den Catskill-Mountains, nördlich von New York City. Dort besitzt er ein großes Grundstück, hackt Feuerholz, geht wandern und lässt den lieben Gott einen guten Mann sein. Bis vor kurzem verbrachte er dort noch viel Zeit mit seiner Partnerin, einem brasilianischen Model, und ihrem Sohn. Eine Zweierbeziehung zwischen zwei globetrottenden Fotomodellen ist nicht immer ganz einfach.

Heute kommt Felix zur Tür rein, bewundert mit seinen immer noch strahlenden blauen Augen Lores Aquarelle an der großen Wand, kann sich noch an jedes einzelne von ihnen erinnern, damals in Hudson, als wir noch auf dem Land wohnten und Felix ein gern gesehener Gast bei uns war. An noch etwas erinnert sich Felix: „Cassian, Felix – Frühstück!“, hätten wir immer gerufen, sagt er. Damals, als er noch häufig die Wochenenden bei uns verbrachte.

Felix im O-Ton: „Guten Morgen, Frühstück ist fertig!“

Aber wie um Himmels Willen wird ein Waldorfschüler zum Model?

Angefangen hatte alles auf einem Parkplatz in Salt Lake City/Utah. Felix war damals mit seiner Patchwork-Familie auf einem Roadtrip quer durch Amerika unterwegs. „Auf einem Parkplatz kam eine Frau auf uns zu, die sich als Model-Agentin ausgab“, erinnert sich Felix. Ob er sie morgen in ihrem Büro aufsuchen könne, habe die Agentin seine Muter gefragt. Nein, konnte er nicht. Die Familie wollte weiter, nach Kalifornien. Aber eine Visitenkarte ließ sich Felix’ Mutter von der Frau auf dem Parkplatz dann doch geben.

„Irgendwie waren wir da angefixt“, erzählt mir Felix heute Nachmittag. Wenn er lacht – und er lacht oft -, strahlen seine Zähne so weiß wie die fetten Schneeflocken, die sanft vom Himmel fallen.

Als die Familie Wochen spaäter von ihrem Roadtrip wieder zu Hause ankam, in Montreal,  habe die Schwester eine befreundete Hobbyfotografin eingeladen. Und gleich eine Kosmetikerin dazu. Die drei Mädels bearbeiteten den jungen Felix so lange, bis ein paar passable Fotos dabei herauskamen.

Mit vierzehn fing alles an

Felix war 14. Und der Rest ist Geschichte. Die Fotos gingen an verschiedene Model-Agenturen. Schon kurze Zeit später klingelte das Telefon. Casting hier, Casting dort. Und schon bald kamen die ersten Aufträge. Nichts Großes. Da ein Katalog-Foto, dort eine Modenschau.

Den ersten fetten Modelling-Job landete Felix, als er 17 war. „Um 15 Uhr war ich mit meiner Abschlussprüfung am College fertig. Um 17 Uhr musste ich zu einem Casting. Um 21 Uhr saß ich im Flieger nach Mailand“. Mutter Céline war dabei. „Sie wollte wissen, worauf ich mich da eingelassen hatte“.

Besuch bei den Bopps: Felix heute Nachmittag auf der Dachterrasse. Foto: Bopp

Von da an flossen die Aufträge. Immer aufwendiger, immer weiter, immer größer. Auch immer mehr Geld. Kosmetik-Werbung in Südafrika, Herrenbekleidung in Tokio, Schuhe in Italien. Schokolade in Frankreich. So ging es rund um die Welt. Er jettete jetzt von New York nach Hongkong und von da nach Neuseeland, London, Paris, Hamburg, Berlin. Und immer wieder Mailand. Jahr für Jahr. Für „4711“ stand er in Kapstadt vor der Kamera. Das Produkt sollte „Wunderwasser“ heißen. Felix weiß nicht, ob etwas daraus geworden ist.

Als sehr junges Model hatte er seine größten Erfolge in Europa. „Damals waren da große, feingliedrige Männer gefragt“. In Nordamerika sei es genau umgekehrt gewesen. „Die wollten eher den Holzfällertypen“.

Heute ist Felix Bujold beides. Der trotz seiner 30 Jahre immer noch jugendlich wirkende, hoch gewachsene Sunnyboy. Und im richtigen Leben der Lumberjack, der so viel Zeit wie möglich auf seinem Stück Land in den Catskill-Mountains verbringt.

New York – Tokio – Kapstadt – Paris …

Er modelt noch immer gerne, auch 16 Jahre nach seinem ersten Shooting. Die Welt ist inzwischen seine Auster. Er kennt sich in Paris so gut aus wie in New York, Tokio oder Kapstadt. Er verdient viel Geld. Aber er bringt auch die eiserne Disziplin des Erfolgsmenschen auf, trainiert seine Sixpacks, achtet auf gesunde Ernährung.

Wer für das „Men’s Health“–Cover posiert, darf kein Fett ansetzen. In Kuba hatte er neulich ein Fotoshoting für GQ. In Italien lichtete ihn VOGUE ab. ELLE, Esquire, Equinox – Felix Bujold wurde schon von allen großen Magazinen gedruckt. Sein Gänsehaut-Moment? „Das war, als ich mich riesengroß auf einem Leuchtreklame-Billboard am Times Square entdeckte“.

Erfolg verpflichtet. Alkohol trinkt er in Maßen. „Wenn bei einem Shooting am anderen Ende der Welt 20 Leute stehen, die nur wegen dir hierher geflogen sind – Fotografen, Beleuchter, Kosmetikerinnen, Stylisten -, dann kommst du nicht verkatert zur Arbeit“, sagt Felix. Das gebiete schon der Respekt, den er für all die anderen Profis in seinem Job habe.

Den „Plan B“ gibt’s auch schon: Felix will aufs Land

Felix weiß, das Modelling ein Job auf Abruf ist. Klar gibt es auch ältere Fotomodelle. Aber will er das? „Eher nicht“, sagt er. Irgendwann sei genug. Zum richtigen Zeitpunkt den Absprung schaffen, das sei wichtig. Nur: Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Einen Plan B für die Zeit danach hat er jedenfalls schon. Er hat ja dieses Stück Land bei New York. Und ein noch schönerer Flecken Erde gehört ihm am Lago Maggiore. „Cabins“ will er darauf bauen, einfache Cottages aus Holz. Die will er später vermieten. An Leute, die in der Hektik des Alltags zwischendurch mal tief durchatmen wollen.

So wie er. Felix, der Bub von der Waldorfschule, der es zum weltberühmten Fotomodell gebracht hat.

Felix Bujolds Facebook-Profil: Die Welt ist seine Auster.

Mit Mike und Kate durch Montreal

Montreal Memories: Mike Fox mit seiner Frau Kate Rew.

Als ich Michael Fox im Herbst 2001 kennenlernte, fielen mir zunächst seine riesigen Schuhe auf. Größe 49. Manchmal, sagte er, nehme er auch Größe 50. Ich kannte bis dahin keinen, der auf so großem Fuß lebte. Einen körperlich so imposanten Menschen wie ihn vergisst man nicht mehr. Erst recht nicht, wenn einen ein Terroranschlag in New York zusammenschweißt. Jetzt besuchte uns Mike Fox zusammen mit seiner Frau Kate Rew in Montreal.

Unmittelbar nachdem Terroristen am 11. September 2001 in New York zwei Wolkenkratzer gefällt hatten, waren Mike und ich vor Ort. Er berichtete für die British Broadcasting Corporation (BBC) über 9/11, ich schrieb für die Internetredaktion des WDR das „NEW YORKER TAGEBUCH“ .

Beide arbeiteten wir zu jener Zeit von Montreal aus als Korrespondenten. Weil der Luftraum über Nordamerika jedoch kurz nach den Terrorangriffen für den Flugverkehr geschlossen wurde, machten wir uns auf dem Landweg von Montreal nach New York. Mike wählte den Mietwagen, ich die Bahn.

In Manhattan trafen wir uns wieder und bildeten während der kommenden zehn Tage ein Reporterteam. Im Tandem ließ sich das Leid besser ertragen, mit dem wir Tag für Tag, Nacht für Nacht konfrontiert wurden. Den achtstündigen Rückweg von NYC nach Montreal traten wir gemeinsam an. Diesmal im Auto. In stundenlangen Gesprächen versuchten wir das Unfassbare aufzuarbeiten, das wir gerade erlebt hatten.

Seit diesen denkwürdigen Tagen in New York haben wir uns immer wieder gesehen – auch dann noch als Michael Fox längst wieder im BBC-Mutterhaus arbeitete. Wir trafen uns in Kanada, in England und auf Mallorca. In London gab mir Mike unvergessliche Einblicke in seine Stadt, die nur einer geben kann, der in London geboren wurde.

Reporter unter sich: 2016 auf Mallorca.

Auf Mallorca dann die Rollenverteilung. Diesmal durften Lore und ich ihm „unsere“ Insel zeigen, die für uns seit neun Jahren Winterquartier ist. Doch auch auf Mallorca war Michael kein Tourist wie jeder andere. Er mietete sich ein Rennrad, trat mit seinen großen Füßen in die Pedale und erkundete die Insel bei Wind und Wetter.

Das jüngste Wiedersehen in Montreal fand unter den schönsten aller Voraussetzungen statt. Strahlender Sonnenschein, 24 Grad. Gute Laune und weit und breit kein Terroranschlag. Perfekt für eine rund 18 Kilometer lange Stadtwanderung, die wieder einmal bei der Vietnamesin unseres Herzens ein kulinarisches Ende fand.

Gestern auf der Jacques-Cartier-Brücke: Mike und Kate.

Lore und ich haben diese Strecke schon häufig zurück gelegt. Doch diesmal war nicht nur Michael dabei, sondern auch dessen Frau Kate Rew. Eine beeindruckende Persönlichkeit mit einer eigenen Geschichte, die diesen Blogpost sprengen würde. Nur so viel: Mit einem Pariser Sorbonne-Studium in der Tasche arbeitete sie für den British Council in Moskau. Der Präsident hieß damals Boris Jelzin.

Seit unserer ersten Begegnung vor 16 Jahren hat sich das Leben von Mike und Kate grundlegend geändert. Die beiden Jungs Oscar und Barney sind jetzt erwachsen. Kate und Mike haben sich, könnte man sagen, noch einmal neu erfunden.

Mike, ein brillanter Radioprofi in Festanstellung beim wohl renommiertesten Sender der Welt, hat sich mit Mitte 50 von der BBC und damit vom Journalismus verabschiedet. Zusammen mit Kate legte er sich in der englischen Kleinstadt Crewkerne/Somerset ein stillgelegtes Fabrikanwesen zu, eine Art Dorf im Dorf – mit Bäckerei, Klavier- und Orgellehrer und allem, was sonst noch zu so einem Dorfleben gehört. Die Beiden haben das Anwesen mithilfe von Handwerkern aus dem Ort in jahrelanger Arbeit selbst umgebaut.

Auf großem Fuß: Schuhgröße 49 bis 50.

Ein Leben so ganz ohne Journalismus für einen, der mit Leib und Seele Reporter war – geht das überhaupt? Doch, schon, sagt Mike. Aber der Wechsel vom Wortschmied zum Handwerker verlief nicht immer ganz geschmeidig. Es zieht ihn zurück zur Schreibe.

Ein eigener Blog, das wär’s. Oder ein Buchprojekt. Das Thema „Radfahren ohne Gangschaltung“ interessiert ihn sehr.

Ob mit oder ohne Gang – bei einem wie Michael Fox wäre das Lesevergnügen garantiert.

Der Tag, als Norbert von uns ging

norbert

Der SWR3-Moderator Norbert Diener ist tot. Copyright: SWR

Heute vor einem Jahr ist mein Freund und Kollege Norbert Diener gestorben. Er wurde gerade mal 61 Jahre alt. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht um diesen ausserordentlichen Menschen trauere.

Mit seiner Witwe Sandra bin ich sporadisch in Kontakt. Sie sagt, es gehe ihr langsam wieder besser. Die Lücke, die Norbert hinterlassen hat, wird freilich nie mehr zu füllen sein. Seine liebenswerte Art, gepaart mit hoher fachlicher Kompetenz, hat diesen Mann zu etwas ganz besonderem gemacht.

Kein Wunder, dass der Blogpost, den ich kurz nach seinem Tod geschrieben hatte, häufiger angeklickt wurde als jeder andere Beitrag, den ich seit Bestehen dieses Blogs veröffentlicht habe.

Zur Erinnerung an den SWR3-Moderator Norbert Diener hier noch einmal der Nachruf vom September 2016:

Mensch, Norbert!

Noch vor 2 Wochen machten wir uns gegenseitig Mut. Ich dir bei deinem Leiden, du mir bei meinem. Bei dir war es der Krebs, bei mir das Gehör. „Lass den Ohren Zeit, bau keinen Stress auf”, schriebst du mir und schicktest 7 (sieben!) Smileys hinterher. Und zum Abschied: „Halt die Schweinsöhrchen steif“.

Ich hatte dir zurück geschrieben, aber du hast nicht geantwortet. Jetzt weiss ich, warum. Gerade mal 61 bist du geworden.

Die „Schweinsöhrchen“ waren das letzte, das ich von dir gehört habe. Und jetzt? Bleibt mir nur noch die Erinnerung. An einen wunderbaren Freund, einen feinen Kollegen. An einen von uns.

Deinen Geburtstag habe ich nie vergessen. War ja auch einfach: Der 21. März ist auch Lores Geburtstag.

Deine Stimme war das, was ich Anfang der 80er-Jahre als erstes von dir mitbekommen habe. Der frischgebackene Kanada-Korrespondent auf SWF3 im Live-Gespräch mit The Voice.

„Am Mikrofon: Norbert Diener“, hast du deine Hörer begrüßt. „Herbert Bopp aus Montreal für SWF3“, verabschiedete sich der Korrespondent. Zwei Jungspunde im Radio. Mann, war das aufregend!

Dutzende Mal waren wir hinterher noch gemeinsam auf Sendung. Und oft haben wir uns, ganz ohne Mikro und Headset, einfach so, über Gott, die Welt, unsere Familien, unsere Kinder, unsere Hunde unterhalten.

Und natürlich über Fußball. „Norbert, alter Borusse“, schrieb heute unser WDR-Kollege Rainer Assion bei Facebook. „Beim nächsten Heimspiel singt die Süd nur für dich: You’ll never walk alone…“.  Unfassbar, dass du es nicht mehr hören kannst.

Später, als du uns in Montréal besucht hast, ein unvergesslicher Dialog. „Was für ein Idiot pfeift denn da die ganze Zeit so verdammt schlecht?“, hast du mich gefragt, als wir auf der Terrasse saßen. „Es ist ein Blue Jay, Norbert“.

Vögel waren nicht deine Stärke. Du warst einer, der sich mit Leder und Denim auskannte. Wie viele Jeansjacken hast du eigentlich verschlissen in den letzten 35 Jahren? Eine, zwei? Ich wette eine BVB-Karte für die Südtribüne, dass du zu deinem eigenen Begräbnis auch in Jeans oder Leder auftauchen würdest, du alter Schimanski.

Oh, Norbert! Warum gibt es nicht mehr von deiner Sorte? So klug, so liebenswert, so hilfsbereit, so geerdet, so Norbert.

Wir lachten zusammen und rauchten und tranken Bier und Wein und Schladerer und schlugen uns die Wampe voll mit allem, was die Küche so hergab. In Montréal, in Hudson, in Baden-Baden, in Köln … immer wieder, irgendwo. Schön war es mit dir immer. Und auch mit Sandy, der tollen Frau an deiner Seite.

Wusstest du eigentlich, dass Lore dich länger kannte als ich? Noch bevor ich den ersten Satz im Radio sagen durfte, warst du bereits in Bettelhofen zu Gast auf der Ranch von Bernd, unserem gewaltigen Freund aus dem Allgäu. Immer dann, wenn sie den Leutkirchern das Aquarellmalen beibrachte, wohnte auch Lore dort. Da hat sie dich kennen gelernt – und später auch mich. Du erinnerst dich: Bernd war es, der den „Verein zur Begrüßung der Morgenröte“ ins Leben gerufen hat. Und wir mittendrin.

Auch Bernd geht es nicht gut, das weisst du ja. Aber wir haben heute, am ersten Tag ohne dich, gemeinsam beschlossen, dass wir „The Last Men Standing“ sein werden. Unser Vermächtnis an dich, Norbert.

Mein Gott, was haben wir gefeiert! Du, Bernd, Frank, ich. Mit und ohne unsere Frauen. Manchmal kam Andreas Ernst dazu und haute noch einen drauf: „Was haben wir früher gelacht!“, sagte er dann – und kriegte sich kaum mehr vor lachen.

Jetzt könnt ihr gemeinsam lachen: Du, Andreas, Manni Bornschein. Und wenn’s zum Weinen mal nicht reicht, lache ich einfach mit.

norbert

2004 in Köln: Der Moderator und der Korrespondent.